So wird der „Polizeiruf 110”Tote kommt wieder
Magdeburg – Der Mord kommt später, diese Magdeburger „Polizeiruf“- Folge (Drehbuch: Michael Gantenberg, David Nawrath, Paul Salisbury; Regie: David Nawrath) beginnt mit einem Kneipenbesäufnis. Der teilnehmende Kriminalrat Lemp (Felix Vörtler) setzt sich im Anschluss trotzdem noch ans Steuer – woraufhin geschieht, was geschehen muss: Er fährt auf nebelverhangener Waldstrecke einen jungen Mann an. Der verschwindet zwar spurlos im Gehölz, aber die Gewissensbisse nagen doch sehr am Kommissar – und werden ihn auch die folgenden eineinhalb Stunden nicht verlassen.
Mit dem Hauptplot hängt diese nächtliche Karambolage insofern zusammen, als sie sich in unmittelbarer Nähe eines Tatorts ereignet, wo Lemp am anderen Morgen bereits von seiner Kollegin Brasch (Claudia Michelsen) erwartet wird. Eine junge Frau, Jessica Mannfeld, ist dort tot aufgefunden worden, der Schuss in den Hinterkopf deutet auf eine Hinrichtung.
Für „Tatort“-Fans
„Tatorte“ gibt es viele: klassisch, experimentell, spannend oder doch eher langweilig? In unserer Vorschau erfahren Sie immer bereits ab Samstag, wie der kommende „Tatort“ werden wird.
Direkt im Anschluss an jede Sendung am Sonntagabend folgt dann unsere „Tatort“-Kritik.
In einem Auto in der Nähe des Fundorts findet Brasch ein kleines Mädchen, das kein Wort spricht. Sie vermutet in ihm – richtigerweise, wie sich herausstellt – die Tochter des Opfers. Der Vater der Toten, Betreiber eines etwas heruntergekommenen Bauerhofs, wird ausfindig gemacht, der jedoch irritiert über die Nachricht ist. Denn seine Tochter wurde bereits vor viereinhalb Jahren nach einem Autounfall, bei dem sie zusammen mit ihrem Freund bis zur Unkenntlichkeit verbrannte, für tot erklärt. Kann jemand zweimal sterben?
Aufnahme ins Zeugenschutzprogramm
Ja – dann nämlich, wenn der erste Tod gefaked wird. Das war, wie die Polizei herausfindet, bei Jessica und Freund (es ist übrigens der von Lemp Angefahrene) der Fall. Die ihrerseits heroinabhängigen jungen Leute hatten für einen örtlichen Drogenbaron als Kuriere gearbeitet, waren aufgeflogen, hatten sich der Justiz als Kronzeugen zur Verfügung gestellt und so den Drogenbaron hinter Gitter gebracht. Die „Belohnung“ dafür war die Aufnahme in ein Zeugenschutzprogramm samt Identitätswechsel gewesen. Warum dann aber die Rückkehr nach Magdeburg und die offensichtliche Wiederaufnahme alter Verbindungen?
Während da viele Fragen einstweilen unbeantwortet bleiben, sind sich Brasch und Lemp ziemlich sicher, dass die Mörderspur ins regionale Drogengeschäft führt. Da wollte, wie es aussieht, jemand eine offene Rechnung begleichen. Das ist in der Tat korrekt, aber in einer ganz anderen Weise, als es die Polizisten bis kurz vor Filmende für möglich halten.
Überraschende finale Wendung
Die Konstruktion dieses „Polizeirufs“ mit seiner überraschenden finalen Wendung ist einigermaßen konventionell, das Ganze aber dramaturgisch solide und in seiner sukzessiv angesteilten Spannungskurve bis zum Showdown überzeugend gebaut. Die Fokussierung auf den kriminalistischen Fall ohne sozialkritischen Überbau, aber auch ohne Humorpointen hat der Konzentration gutgetan.
Zu den guten Schauspielerleistungen, unter denen vor allem das Gesicht von Luisa-Céline Gaffron als Drogenfahnderin Pia Sommer in Erinnerung bleibt, kommt die nie aufdringliche atmosphärische Dichte. Sachsen-Anhalt in einem Regenherbst – kann eine Landschaft trostloser sein?