Studieren im Alter trainiert das Gehirn
Würzburg – Eigentlich gilt der Ruhestand als Phase des wohlverdienten Ausruhens. Doch was macht man mit all der Zeit, die man nun auf einmal zur Verfügung hat? Wer Lust hat, kann sich jetzt mit Dingen beschäftigen, die einen schon immer interessiert haben.
Und wo kann man diesen Interessen besser nachgehen als an einer Uni oder Hochschule? Wen es im Alter nochmal zum Studium zieht, der hat verschiedene Möglichkeiten. Das müssen Sie wissen:
Was ist ein Seniorenstudium?
Als Senior oder Seniorin stehen einem verschiedene Varianten des Studierens offen. Einerseits gibt es das normale Regelstudium, das man auch im Alter noch absolvieren kann. Hier muss man alle Prüfungen regulär ablegen und erhält einen Abschluss.
„Wer aber bereits ein ganzes Berufsleben hinter sich gebracht hat, braucht ja keinen berufsqualifizierenden Abschluss mehr, sondern kann frei seinen Interessen folgen”, sagt Bernd Schmitt vom Akademischen Verein der Senioren in Deutschland (AVDS).
Einige Unis haben dem Experten zufolge daher ein separates Seniorenstudium mit eigener Struktur eingeführt. Es gibt Einführungsveranstaltungen, kleinere Prüfungsleistungen und auch Leistungsnachweise und Abschlusszertifikate - es ist jedoch anders ausgerichtet als ein Regelstudium.
Wesentlich häufiger sei jedoch die Teilnahme am Lehrbetrieb als Gasthörer oder Gasthörerin. „Hier besucht man Vorlesungen und kann sich im Rahmen des Angebots frei nach Interesse sein Programm zusammenstellen, da es hier keine vorgegebene Struktur gibt”, sagt Schmitt.
Wo finde ich Informationen?
) und in seinem Studienführer. Auch die Hochschulen selbst haben meist eigene Koordinatoren für das Senioren- und Gasthörerstudium, die zu Form und Ablauf beraten.
Was spricht dafür, im Alter noch ein Studium zu wagen?
„Wir sehen oft eine hohe Motivation bei den Älteren: Sie wollen geistig fit und beweglich bleiben, Neues entdecken, sich weiterbilden und ihre Zeit sinnvoll nutzen”, sagt Doris Lechner, Koordinatorin des Gasthörer- und Seniorenstudiums der Universität Mannheim. Außerdem würden sie sich freuen, auf Menschen mit ähnlichen Interessen zu treffen und Kontakte zu knüpfen.
Die soziale Komponente ist besonders wichtig, das erlebt auch Jaroslaw Wasik, der die Akademie für Weiterbildung und das Seniorenstudium an der Universität Bremen leitet: „Die Leute kommen immer wieder zu uns, manche seit mehr als 20 Jahren. Es entstehen Freundschaften und soziale Kreise, das ist einfach wunderbar. Diese Menschen sind lebendig, aktiv und haben viele frische Ideen im Kopf.”
Für manche ist es auch die Erfüllung eines Lebenstraumes, der ihnen in der Jugend verwehrt wurde. „Gerade manchen Frauen wurde früher das Studium nicht zugestanden, diesen Wunsch erfüllen sie sich nun.” Andere waren im Berufsleben zu beschäftigt und konnten nicht richtig intensiv studieren. „Das holen sie jetzt nach, einige mit beeindruckender Entschlossenheit”, sagt Wasik. „Unseren Rekord hält gerade eine Teilnehmerin, die Veranstaltungen im Umfang von 34 Unterrichtsstunden pro Woche belegt. Respekt.”
Senioren und junge Erwachsene lernen gemeinsam - funktioniert das?
Wie viel Kontakt und Austausch es zwischen den Gruppen gibt, liegt einerseits natürlich an den Studierenden selbst. Andererseits gilt es, auch bestimmte Strukturen der Hochschulen zu beachten. „Hat eine Veranstaltung nur begrenzte Plätze, wird jungen Studierenden der Vorzug gegeben, da sie ja auf einen berufsqualifizierenden Abschluss hinarbeiten”, sagt Doris Lechner.
Deswegen stehen Seniorinnen und Senioren nicht immer alle Veranstaltungen offen. Viele Seminare und Tutorien, aber auch manche Fächer, wie etwa Medizin, sind meist Regel-Studierenden vorbehalten.
Wo ältere und junge Studierende gemeinsam lernen, gibt es ganz unterschiedliche Dynamiken. „Manchmal gibt es schon gewisse Berührungsängste von beiden Seiten”, räumt Lechner ein. „Wenn wir aber den Austausch zwischen Alt und Jung mit generationenübergreifenden Projekten bewusst fördern, funktioniert das immer sehr gut und es entstehen tolle Gespräche.”
Gibt es Voraussetzungen für ein Studium im Alter?
Ein Gasthörerstudium steht jedem offen und kann auch ohne Abitur aufgenommen werden. „Allerdings ist auch ein Gasthörerstudium ein Studium, also sollte man schon grundsätzlich der Typ dafür sein” , meint Wasik.
So ergibt sich eine sehr heterogene Gruppe der studierenden Senioren - obgleich Akademikerinnen und Akademiker in deutlicher Mehrheit sind. „Für sie ist es wichtig, zu verstehen, dass sich manche Lehrinhalte und Perspektiven seit der Zeit ihres eigenen Studiums verändert haben und offen dafür zu sein”, sagt Doris Lechner.
Unabhängig von der Vorerfahrung beobachtet Jaroslaw Wasik eine Gemeinsamkeit: „Meist kommen die ganz Aktiven im Leben, die sich im Ruhestand eher langweilen und es gewohnt sind, einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten.” Sie blicken auf eine erfolgreiche Karriere zurück und können im Alter nicht einfach aufhören, aktiv zu sein. Das Studium bietet ihnen die Möglichkeit, sich weiter auszuleben.
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