Welse, Schlingpflanzen, QuallenWas hilft gegen die Angst vorm Schwimmen in Seen?

Bereit für das Freiwasser-Abenteuer: Swimrun-Trainer Thomas Langer soll Susanne Rost die Angst vor dem Unsichtbaren nehmen.
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- Killerwelse, Schlingpflanzen, Glitschquallen: Unsere Autorin hat in Seen Angst zu schwimmen. Ihr sind die Tiefe und das Unsichtbare genauso unheimlich wie die großen Lebewesen, die solche Gewässer bevölkern.
- Sie hat sich mit einem Freiwasser-Trainer getroffen, der schon vielen geholfen hat, genau solche Ängste zu überwinden.
- Ist das Experiment gelungen?
Ein sanfter Wind kräuselt das Wasser der Krummen Lanke, das milde Morgenlicht bricht sich in den Wellen, belaubte Äste umrahmen die Badestelle. Ein Sommer-Sonnabend, halb neun am Vormittag. Noch ist kaum einer im Wasser. Viele würden dieses Ambiente jetzt wohl idyllisch nennen und die Vorzüge des Badens in natürlichen Gewässern preisen. Aber ich gehöre nicht zu dieser Spezies. Mir ist ein Schwimmbecken lieber. Mit klarem Blick zum Boden, mit schwarzem Strich auf gekacheltem Grund und einem Beckenrand zum Wenden nach 50 Metern. Offene Gewässer sind mir unheimlich: Im trüben Wasser sehe ich nichts. Auch den dackelverschlingenden Killerwels nicht, der sich mit ziemlicher Sicherheit an mich heranmachen würde, auch wenn ich nur entfernt einem Dackel ähnele.
Noch am Ufer meine ich bereits zu spüren, wie sich glitschige Pflanzen um meine Beine schlingen. Nicht viel angenehmer ist die Vorstellung, durch einen Algenteppich schwimmen zu müssen. Oder einen toten Fisch zu streifen. Und wurden zuletzt nicht auch Quallen in Berliner Gewässern gesichtet?
Bevor meine Paranoia zu wilde Blüten treibt, versuche ich, mich auf Thomas Langer zu konzentrieren. In kurzer Hose steht er neben mir am Ufer, „Trainer Thomas“ lese ich auf seinem T-Shirt. Der 47-Jährige schult vor allem Triathleten im Freiwasserschwimmen. Nun soll er mir dabei helfen. Vielleicht kann ich mich dann doch aufraffen, zusammen mit Sportsfreunden aus meinem Schwimmverein an einem Freiwasser-Wettbewerb teilzunehmen. Es klang schon toll, was sie vom Müggelseeschwimmen im vergangenen Jahr erzählten ...
Thomas kennt die Furcht, die mich beim Anblick eines Sees befällt. „Fragen nach Welsen oder Hechten kommen ständig“, erzählt er. „Ich versuche, meinen Kunden die Angst zu nehmen.“ Da trifft es sich gut, dass Thomas Angler ist und sich mit Fischen auskennt. „Welse leben im Schilfgürtel, werden in der Dämmerung aktiv und sind tagsüber eher selten im offenen Gewässer anzutreffen“, erklärt er mir. Mit ihren rauen Lippen und dem großen Maul könnten sie schon Enten, Tauben oder ähnlich großes Getier verschlingen; aber Menschen würden sie niemals angreifen. Darüber müsste ich mir keine Gedanken machen, sagt er leichthin. Wenn er wüsste!
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Aber dann wird das Unbehagen vor einer Begegnung mit den gemeinhin eineinhalb, mitunter aber auch drei Meter langen Fischen mit den langen Barthaaren in den Hintergrund gedrängt. Zunächst erfordert das Anziehen des Neoprenanzugs, den Thomas mir mitgebracht hat, meine volle Konzentration. Als er endlich sitzt, nirgendwo mehr Wülste sind und der Rückenreißverschluss geschlossen ist, fühle ich mich wie in einer Ganzkörper-Kompressions-Strumpfhose.
Kaum habe ich die ersten Kraulzüge gemacht, bin ich fasziniert, wie sehr die Neopren-Ummantelung meine Lage im Wasser verändert. Die Füße sind plötzlich über der Wasseroberfläche, ihr Auf und Ab sorgt nun für große Spritzer mit wenig Effekt. Thomas Langer steht am Ufer und beobachtet mich. „Du steckst zu viel Energie in die Beine, versuch’, sie einfach hinterherziehen“, empfiehlt er.
Dann schickt er mich wieder los, Richtung anderes Ufer. Etwa 120 Meter sind es bis dorthin. Ich versuche, die Tipps zu beherzigen, die Beine ruhig unter Wasser zu halten und die Leichtigkeit zu genießen, die mir das Neopren verschafft. So versunken bin ich in das neue Schwimmgefühl, dass ich die Brustschwimmerin von rechts – eine der wenigen, die an diesem Morgen schon vergleichsweise weit draußen sind – erst im letzten Moment wahrnehme. Sie reagiert nicht gerade freundlich. Gilt auch im See rechts vor links? Oder hält sie mich angesichts des Kampfschwimmer-Outfits für einen Profi?

Thomas Langer trainiert vor allem Triathleten.
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Thomas nimmt die Beinahe-Kollision zum Anlass, mir zu erklären, wie man gleichzeitig schwimmt und guckt: „Augen und Nase über Wasser, Kopf nach vorne, aber weiter schwimmen.“
Alle zehn Meter soll ich versuchen, mich auf diese Weise zu orientieren. Also baue ich immer wieder solche Passagen ein – darauf achtend, kein Wasser über die Nase einzuziehen. Es klappt, aber leicht ist es nicht. Zugleich falle ich wieder in den gewohnten Beinschlag zurück. Am Ufer angekommen, zeigt mir Thomas das Video, das er von mir gemacht hat. Deutlich sieht man die Füße, die zu weit aus dem Wasser kommen. Aber Thomas’ Fokus liegt nun auf einem anderen Manko: meinem Armzug. Der Ellenbogen ist in der Überwasserphase nicht der höchste Punkt, zudem tauchen meine Hände nicht korrekt ein.
Thomas führt mir an Land mit vorgebeugtem Oberkörper den richtigen Armzug vor. Es sieht nicht wirklich schwer aus. Ich erinnere mich dunkel, dass wir entsprechende Technikübungen auch schon im Schwimmvereins-Training gemacht haben.
Mein Ehrgeiz ist geweckt. Meine ganze Konzentration ist nun auf den Armzug ausgerichtet: „Ellenbogen hoch, Unterarm locker“, sage ich mir, als ich mich – unbefangener als je gedacht – erneut in die Krumme Lanke stürze. Auf den ersten Metern vergesse ich vor lauter Konzentration fast zu atmen. Dass mir hier und da mal ein glitschiges Blatt in die Finger kommt, stecke ich nun ungerührt weg. Fische? Quallen? Algen? Diese Angstmacher sind nicht mehr in meinem Fokus. Aber natürlich vergesse ich auch, dass die Füße möglichst ruhig sein sollen und dass regelmäßige Orientierung über Wasser sinnvoll ist. Folglich bin ich – wie ich kurz vor dem Ufer feststelle – prompt in die falsche Bucht geschwommen.
Doch mein Armzug, der müsste jetzt besser sein, glaube ich. Leider sieht man das auf dem Video nicht. „Im Wasser trügt uns unser Körpergefühl, daher arbeite ich mit Videos“, erklärt Thomas. Und so muss ich mit ansehen, dass bei den meisten meiner Züge nach wie vor der Arm nahezu gestreckt über dem Kopf ins Wasser schwingt. Nur selten ist der Ellenbogen der höchste Punkt. „Aber es sieht trotzdem gut aus“, tröstet mich eine Triathletin, die Thomas zu dem Training begleitet und mir ihren Neoprenanzug geliehen hat. „Ich habe Monate gebraucht, bis ich so kraulen konnte.“
Sie gehört zu der Gruppe, die immer freitagabends unter Anleitung von Thomas Langer an der Krummen Lanke das Freiwasserschwimmen übt. Regelmäßig gibt er hier auch Wochenendkurse. Die Teilnehmer seien meist Triathleten, die sich auf einen Wettkampf vorbereiten wollen, erzählt der gebürtige Kleinmachnower, der seine Sportkarriere als Mountainbiker begonnen hat, zwischenzeitlich Deutscher Meister und auch international erfolgreich im Speedskating war und sich seit 2010 voll auf Triathlon konzentriert. Die jüngsten seiner Kunden seien um die 18 Jahre alt, der Älteste sei 74.
Schlange im Wasser
Während wir am Ufer stehen und reden, bewegt sich etwas im Wasser. Etwas langes, dünnes. „Ein Schlange, das ist mir ja noch nie passiert“, ruft Thomas begeistert und zückt das Handy, während ich mich zwischen Schreck und Faszination nicht so recht entscheiden kann. Dass mir im Wasser eine Schlange begegnen könnte, das hatte ich mir nicht ausgemalt. Ist das nicht noch unheimlicher als ein Wels? Doch dann windet sich das gelb-grüne Tier – eine etwa einen Meter lange Ringelnatter – noch kurz über einen Ast im Wasser, dann taucht es ab und ist verschwunden.
Thomas Langer lässt mir nicht viel Zeit, darüber nachzudenken. Zum Schluss des Schnuppertrainings kommt er selbst mit in den See. Zusammen kraulen wir durch das Wasser, über dessen Geschmack und Undurchdringlichkeit ich nicht mehr nachdenke. Ich sehe, wie ruhig er im Wasser liegt. Elegant gleitet er durch das Wasser. Schnell hinterher!