AboAbonnieren

400 Bedienstete fehlenNachwuchssorgen im Gefängnis – Kritik an schlechter Bezahlung

Lesezeit 4 Minuten

Anwärterin Lilly F. ist im Hafthaus 1 eingesetzt. Sie hat den Test, den Ausbildungsleiter Armin Becker durchführt, bestanden.

Köln – Lilly F. ist an diesem Tag im Hafthaus 1 eingesetzt. Sie gehört zu der Einheit, die in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Ossendorf den Transport von Häftlingen organisiert.

Am Morgen hat sie zwölf Gefangene zum Kölner Landgericht begleitet. Die 30-Jährige muss starke Nerven haben – und die Fähigkeit, sich im Umgang mit „harten Jungs“ Respekt zu verschaffen.

Ein Job, der nicht jedermanns Sache ist. „Im Strafvollzug von NRW fehlen rund 400 Bedienstete“, sagt Peter Brock, der Vorsitzender des Bund der Strafvollzugsbeamten in NRW, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

In der Kölner JVA sitzen rund 1100 Gefangene ein. Für Sicherheit sollen 500 Bedienstete sorgen. Derzeit sind allerdings 17 Stellen unbesetzt. „Wir gehen in Einkaufszentren und machen auf Berufswahlmessen für uns Werbung“, berichtet Anstaltschefin Angela Wotzlaw. Sogar Radio-Spots wurden schon geschaltet. „Durchsetzungsvermögen, soziale Kompetenz und Flexibilität gehören zu Ihren Stärken? Dann werden Sie Teil des Teams im Justizvollzugsdienst der JVA Köln“, lautete der Appell im Hörfunk.

Anwärter-Besoldung

Anwärter in der Laufbahn des allgemeinen Vollzugsdienstes erhalten 1747,17 Euro (Brutto). Dazu kommt ein monatlicher Dienstkleidungszuschuss von 35,00 Euro. Auch Familien- und Kinderzuschläge werden gewährt . Weitere Informationen : www.jva-koeln.nrw.de

Armin Becker ist seit 19 Jahren der Ausbildungsleiter in der Kölner Haftanstalt. Der gelernte Bäcker sieht die große Konkurrenz durch andere Sicherheitsberufe als eine Ursache für die Misere.

„Zoll, Polizei und Verfassungsschutz stellen mehr Leute ein“, sagt der 56-Jährige. „Da wird die Luft für uns dünn. Denn die anderen zahlen besser als wir. Und die Arbeit im Gefängnis wird viel schlechter angesehen.“

1700 Euro brutto im Monat

Lilly F. ist seit zwei Jahren in der Kölner JVA. Bevor die gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte nach Ossendorf kam, hat sie in einem Sachverständigenbüro gearbeitet. Jetzt verdient sie rund 1700 Euro brutto – darin ist die sogenannte Gitter-Zulage eingeschlossen.

Zu wenig, findet der Bund der Strafvollzugsbediensteten. „Wir müssen die Anwärterzulage, die derzeit 50 Prozent der Grundbesoldung entspricht, spürbar erhöhen“, sagt Peter Brock. „Sonst gewinnen wir zu wenig Nachwuchs – und die Kollegen, die die Mehrarbeit leisten müssen, werden verheizt.“ Er ärgert sich darüber, dass das Justizministerium bislang keine Anstalten unternommen hat, sich beim Finanzministerium für eine bessere Bezahlung einzusetzen. Im Wahlkampf hatte die CDU versprochen, den Justizbereich zu entlasten.

Das NRW-Justizministerium jedoch sieht derzeit bei der Besoldung keinen Handlungsbedarf. Der Zuschlag mache schon jetzt 582,39 Euro monatlich aus, so dass die Anwärter im Vergleich zu anderen Auszubildenden „außerordentlich gut“ dastünden, sagte ein Sprecher von Minister Peter Biesenbach (CDU) auf Anfrage. Die Gitterzulage sei ab dem zweiten Jahr „deutlich auf monatlich 127,38 Euro angehoben worden“.

Ob zusätzliche finanzielle Anreize den Personalnotstand im Strafvollzug lösen würden, wagt auch die Kölner JVA-Chefin Wotzlaw zu bezweifeln. „Unser Problem ist, dass Bewerber zum überwiegenden Teil bei den Einstellungstests durchfallen. Von 20 Leuten, die zum Test kommen, bleibt am Ende nur eine Handvoll übrig, die man guten Gewissens nehmen kann.“

16 Fehler sind erlaubt

Anders als bei der Polizei ist der Sporttest für die Justizbediensteten keine große Hürde. Für die Bewerbung reicht der Hauptschulabschluss, auch die Träger von Brillen und Hörgeräten haben Einstellungschancen. Obwohl sich zunehmend auch Abiturienten bewerben, scheitern viele Interessierte daran, einen Aufsatz zu schreiben oder ein Diktat zu bestehen. Dabei reicht es, in beiden Disziplinen nicht mit „ungenügend“ abzuschneiden. Beim Diktat gibt es diese Note, wenn ein Text mit 168 Wörtern mehr als 16 Fehler enthält. Bei einem Intelligenztest müssen die Bewerber auch Mathe-Aufgaben lösen und ihre räumliche Vorstellungskraft unter Beweis stellen. Da der Einstellungstest im Internet für jedermann nachzulesen ist, hängt der Erfolg auch davon an, wie viel Fleiß man in die Vorbereitung investiert. „Wer eingestellt werden will, muss mindestens einen IQ von 90 haben“, sagt Armin Becker.

In den Gefängnissen von Nordrhein-Westfalen arbeiten rund 5850 Bedienstete. Solange es nicht gelingt, die Kriminalität dramatisch einzudämmen, gilt ihr Job als sicher. „Wenn die wirtschaftliche Lage schlecht ist, interessieren sich in der Regel mehr Leute für einen krisenfesten Beruf“, weiß Armin Becker. Bis die Konjunktur schwächelt, muss die JVA weiter hart um jeden Mitarbeiter kämpfen. Personalsachbearbeiter Christian Amos hat schon die Haushaltsmittel für einen weiteren Radiowerbespots beantragt.