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Nobis backt in HandarbeitAachener Bäckerei produziert Printen in der vierten Generation

Lesezeit 6 Minuten

Noch ungebackene Printen werden geformt.

Aachen – Man kann sich mit Michael Nobis über alles unterhalten. Man kann sogar sagen, dass man Printen eigentlich zu hart findet. Aber eines darf man nicht. In seiner Gegenwart das Wort „Lebkuchen“ aussprechen. Lebkuchen mögen viele ähnliche Zutaten innewohnen, die meisten Leute dürften meinen, so groß sei der Unterschied nicht.

Aber für den Aachener Michael Nobis ist er fundamental. „Nur Printen sind wie Printen“. Seine Liebe zu Produkten aus Nürnberg hält sich in Grenzen. „Die sind, ich weiß auch nicht, irgendwie so langweilig.“ Er greift auf ein Band, fischt eine Printe heraus, bricht ein Stück ab. Und lächelt zufrieden. Aromabalance stimmt. Textur stimmt. Schokoüberzug stimmt.

Michael Nobis ist Inhaber einer der berühmtesten Printen-Bäckereien in Aachen; sein Vetter Heiner Nobis übernimmt den Einkauf der Gewürze. Peter Nobis, Bruder von Michael, leitet die Printenbäckerei. Jutta Nobis, Ehefrau von Michael, betreut die 34 Bäckereifilialen und die beiden Printenhäuser. Und ja, auch ein Neffe – noch Student – hilft gerade für ein paar Wochen in der Bäckerei aus.

Dort werden das ganze Jahr über Brot, Brötchen und Kuchen hergestellt, nur in einer kleinen Nische duftet es durchgehend nach Weihnachten. Aber seit Oktober gibt es kein Halten mehr: Dreischicht-Betrieb und Kräuterdüfte samt Aniswolken, dass selbst einem erfahrenen Nikolaus schwindlig wird. Die Mitglieder der Familie Nobis sind seit der Firmengründung 1958 die Mensch gewordenen Printen, und es würde einen nicht wundern, wenn sie anstelle des Bauchnabels eine Mandel hätten, wie echte Printenmänner auch. Es gibt größere Anbieter, auch viel größere wie Lambertz, die in Fabriken produzieren und Discounter beliefern.

Aber Nobis gilt in Aachen als einer der ältesten Hersteller, und gebacken wird noch in Handarbeit. In vierter Generation. „Wir haben immer wieder darüber nachgedacht, ob und wie wir wachsen wollen als Unternehmen. Und haben uns dazu entschlossen: Wir wollen regional vorne mitspielen, aber nicht bundesweit. Wir bleiben Manufaktur und werden keine Fabrik.“ Ach ja: Netty Nobis, die Ehefrau von Heinz, hatte Ende der 1950er Jahre die Idee, Printen in Holzkistchen zu versenden, und die Firma Nobis nimmt für sich in Anspruch, diese Idee als erstes Unternehmen gehabt zu haben. Printen heißen übrigens so, weil der Teig früher in Holzmodeln gepresst wurde – was im Niederländischen und im Englischen „print“ heißt.

Printenteig wirkt eher unspektakulär, wenn er vor dem Backen – 20 Minuten bei 173 Grad – in den runden Trögen der Verarbeitung harrt. Dunkelbraun, etwas körnig, man sieht ihm an, dass weder Eier noch Fett hinzugefügt werden. Die Basis bilden Mehl und Farinzucker, Kandis und Honig, Natron und Pottasche sind die Treibmittel. Zimt und Anis, Nelken, Kardamom, Koriander und Piment vermengen sich zum klassischen Weihnachtsduft. Herbst und Winter sind Printenzeit, und selbst, wenn auch Printenhasen hergestellt werden und ein Oster-Umsatz-Hoch generieren: Erst Anfang Oktober wird die Produktion von zehn auf 100 Prozent hochgefahren. Dann sind 25 Männer und Frauen mit dem Backen befasst, 60 bis 70 Packerinnen tüten die Ware ein, bereiten Pakete vor.

Lesen Sie im nächsten Abschnitt, was der Unterschied zwischen harten und weichen Printen ist.

Das beste Printenwetter ist kalt und lädt ein zum Zuhausebleiben. Printen zum Kaffee, Printen zum Tee, Printen in der Sauce zum Wild oder zum Sauerbraten. Harte Printen, die man bricht, oder weiche. Die werden zwar genauso hergestellt wie die anderen, kommen hinterher aber in eine Art Sauna, damit sie wieder weich werden. Printenmänner in jeder Größe, runde Printen und eckige, mit ganzen Mandeln oder mit gehackten Nüssen. Mit Schokoladenüberzug oder ohne. 300 Tonnen pro Jahr.

Der Teig fällt maschinell rechteckig geformt aufs Blech, nach dem Backen verwandeln sich die flachen Rechtecke in Prinzessprinten (mit weißer Zuckerglasur), oder mit dunkler Schokolade überzogene Klassiker. Michael Nobis gibt zu, dass er vor etlichen Jahren mal aus Kostengründen beschlossen hat, statt 70-prozentiger Kakaoglasur preiswertere 60-prozentige zu versuchen. Dafür hat er schwer gebüßt: „Die Kunden haben das natürlich sofort gemerkt.“ Längst ist wieder alles beim Alten, sieht man davon ab, dass mittlerweile auch weiße Schokolade als Überzug angeboten wird. Schon im vergangenen Jahr sind Haselnüsse wegen Ernteausfällen in der Türkei teurer geworden, in diesem Jahr war die Preisentwicklung ebenfalls unerfreulich. An der Traditionsrezeptur wird deswegen nichts geändert.

Wer die knusprigen Original-Printen am liebsten mag, bricht Stück für Stück ab und lutscht sie dann. Oder tunkt sie in den Kaffee. Die Lagerung: trocken und warm. Wer die Printen in eine Dose mit Deckel legt und einen halben Apfel hinzufügt, wird sehen: Auch die härtesten Printen können weich werden.

Wer Printen grundsätzlich lieber weich verzehrt, kauft die weiche Variante. Weichprinten bestehen aus den gleichen Zutaten, werden aber nach dem Backen noch mal in eine saunaartige Klimakammer gegeben, wo sie wieder weicher werden. Damit sie es auch bleiben, werden sie anschließend mit Schokolade überzogen. Der braune Guss isoliert das Gebäck. (bce)

Drumherum schon. Die vierte Nobis-Generation achtet darauf, dass das Mehl kurze Wege hat und aus der Region stammt – also aus der Eifel. Und der Strom, den die hauseigenen Solaranlagen liefern, deckt immerhin tagsüber den Energiebedarf an der Charlottenburger Allee im Stadtteil Rothe Erde. Nachts, fürs stromfressende Backen, muss noch ein externer Stromlieferant herhalten.

Und wie stellt man es an, sich trotz aller Tradition zu erneuern? Langsam und vorsichtig. Neue Ideen werden erst mal intern probiert und dann in einen der vielen Läden eingeschleust, ganz sachte. „Wir haben es mal mit einer Printentorte versucht, aber die hat nicht den Geschmack getroffen“, sagt Michael Nobis.

Ganz anders dagegen klappte es mit den Mikadosticks mit rosa Pfefferbeeren. Die haben sich ihre Marktnische längst gesichert – zwischen anderen fingerdicken Stäbchen, die in klassischer Umhüllung angeboten werden – und natürlich Klenkes heißen, so wie das Markenzeichen der Aachener, der kleine Finger. Printeneis hat inzwischen auch jemand erfunden, bei Chefkoch.de werden Printen selbstredend sogar als Zutat für Tofu-Sauerbratensauce empfohlen.

Dass die Printenwelt auch weiterhin in Ordnung bleibt, darum macht sich Michael Nobis wenig Sorgen. 2015 erhielt der Betrieb aus den Händen des grünen NRW-Landwirtschaftsministers Johannes Remmel die Auszeichnung „Meister.Werk.NRW“. Und dann gibt es ja immer noch den Aachener Dom. Die Familie unterstützt das Domkapitel und den Karlsverein – und hat eine Patenschaft für die Steinfigur von Jakobus, dem Jüngeren übernommen. Der Apostel ist Schutzpatron der Pastetenbäcker und Konditoren an der Anna- und Matthiaskapelle.