Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

FluchtgefahrBLB-Chef Tiggemann noch im Gerichtssaal verhaftet

Lesezeit 3 Minuten

In Düsseldorf zu sieben Jahren und sechs Monate Haft verurteilt: Ferdinand Tiggemann.

Düsseldorf – Erst als der Vorsitzende Richter Guido Noltze im Korruptionsprozess gegen den ehemaligen BLB-Chef Ferdinand Tiggemann umgehend Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr anordnet, scheint der 67-Jährige wirklich zu begreifen, was eben geschehen ist. Die 18. Große Strafkammer hat ihn wegen Bestechlichkeit und Untreue in besonders schweren Fällen zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt. Mindestens fünf davon werde Tiggemann absitzen müssen, betonte der Vorsitzende Richter Guido Noltze. Ein Grund für Milde? Im Gegenteil: „Einer der bestbezahlten Funktionsträger des Landes hat sich federführend an einem kriminellen Komplott zu Lasten der Steuerzahler beteiligt“, fasst der Richter die Urteilsbegründung zusammen. „Wir sind der Auffassung, dass das kein Fall für Milde ist.“

Gerade wegen des Geschäftsführergehalts von 232.000 Euro müsse die Bestrafung hart ausfallen. Deshalb sei die Kammer über das von der Staatsanwaltschaft beantragte Strafmaß von sechs Jahren Haft hinaus gegangen.

Der aus Warendorf stammende Angeklagte bestreitet die Taten. Doch für die Richter sprechen alle Indizien dafür, dass Tiggemann als Geschäftsführer des landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetriebs BLB bei verschiedenen Projekten Informationen an einen in diesem Zusammenhang bereits verurteilten „Berufskriminellen“ weiter gab, der daraufhin dem Land Grundstücke vor der Nase weg schnappte und so die Preise in die Höhe trieb. Ein deshalb mitangeklagter Rechtsanwalt und Unternehmer erhielt deshalb zwei Jahre Haft, die bei Geldauflage von 200.000 Euro zur Bewährung ausgesetzt wurden.

Tiggemann selbst habe für drei in dem Strafprozess behandelte Projekte 178.000 Euro Schmiergeld kassiert, so das Gericht. Auch wenn der Angeklagte das abgestritten hat, werde diese Annahme durch monatelang ausbleibende Ausgaben auf den Familienkonten gestützt. Eines der Bauvorhaben war das Düsseldorfer Justizzentrum, in dem der Prozess über zehn Monate stattfand. Ein zweites Projekt war der Bau der Fachhochschule Düsseldorf: Mindestens sechs Millionen Euro Schaden seien dem Steuerzahler entstanden, weil Tiggemann und seine Komplizen die Konditionen zu Lasten des BLB verschlechterten.

Bau in Duisburg auf 200 Millionen explodiert

Ein versuchter Betrug beim Verkauf des Landesbehördenhauses in Bonn scheiterte. Noltze wies darauf hin, dass weitere Verfahren zu ähnlich beeinflussten BLB-Vorhaben Tiggemanns Strafe noch erhöhen könnten.

Explizit erwähnte Noltze den skandalumwitterten Bau des Landesarchivs im Duisburger Hafen, dessen Baukosten auf fast 200 Millionen Euro explodiert sind. Auch in diesem Komplex war dem BLB das Grundstück vor der Nase weggeschnappt worden. Die Staatsanwaltschaft Wuppertal ermittelt noch in diesem wohl spektakulärsten Fall der BLB-Korruptionsaffäre um Tiggemann.

Noltze bedauerte, einen Beweis in Form eines „rauchenden Colts“ habe das Gericht nicht präsentiert bekommen. Noltze betonte, die Indizien würden trotzdem „für mehrere Verurteilung reichen“. Außerdem sagte Noltze: „Man soll nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen, aber das hier ist ein Fall für die Bazooka.“ Und ergänzt: „Wir sind wütend. Das hier ist kein Fall für Milde.“

Finanzminister Norbert Walter-Borjans sah mit dem Urteil seine nach Amtsantritt 2010 getroffene Entscheidung bestätigt, als er Tiggemann von seinen Aufgaben als Geschäftsführer entband. Als Konsequenz aus dem Skandal wurden die Strukturen im BLB deutlich reformiert, unter anderem gilt in der Geschäftsleitung – anders als früher – zwingend das Vier-Augen-Prinzip, um die Tiggemann angelasteten Alleingänge künftig zu verhindern. „Heute haben wir dem zweitgrößten europäischen Gewerbeimmobilien-Unternehmen neue umfassende Regeln gegen Korruption und Missstände gegeben“, hob der Minister hervor.

Ob Tiggemann gegen das Urteil Berufung einlegt, prüfen seine Verteidiger derzeit.