Grüne Kreuze auf den FeldernLandwirte planen „Kreuzzug“ gegen Agrarpakt
Kreis Euskirchen – Die Landwirte im Kreis Euskirchen sind sauer. Sie befürchten erhebliche Einschränkungen bei der Ausübung ihres Berufes. Der Grund ist das Agrarpaket der Bundesregierung, mit dem vor allem der Schutz von Insekten gefördert werden soll. Um auf sich aufmerksam zu machen, haben einige Landwirte im Kreis grüne Kreuze auf ihre Ackerflächen platziert. Zu diesen Bauern gehört auch Benedikt Hilger aus Schwerfen: „Ich wünsche mir mehr Respekt für die Arbeit, die ich leiste.“
Herbizide sollen 2021 verboten werden
Das Agrarpaket des Bundesumweltministeriums sieht unter anderem ein nationales Verbot für die Anwendung von Glyphosat zum Ende der aktuell gültigen EU-Zulassung bis spätestens 31. Dezember 2023 vor.
Eine Minderungsstrategie für Glyphosat ab 2020 weist Verbote und Teilverbote für den Einsatz bei der Stoppel-, Vorsaat- und Vorernte-Behandlung, auf Grünland, im Wald, in Weihnachtsbaumkulturen, auf Gleisanlagen, in privaten Gärten und auf öffentlichen Parkflächen aus. Damit soll der Glyphosat-Einsatz um 75 Prozent vermindert werden.
Zudem gilt dann ein Mindestabstand zu Gewässern von zehn Metern bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Ein Abstand von fünf Metern gilt, wenn die Abstandsfläche dauerhaft begrünt ist.
Ab 2021 soll die Anwendung von Herbiziden und biodiversitäts-schädigenden Insektiziden in Schutzgebieten verboten werden. Dazu gehören etwa FFH-Gebiete, Natur- und Vogelschutzgebiete sowie Nationalparks.
Artenreiches Grünland, Streuobstwiesen und Trockenmauern sollen als Biotop in das Bundesnaturschutzgesetz aufgenommen und dadurch geschützt werden. Auch diese Flächen werden mit Einschränkungen für den Pflanzenschutz belegt.
Die vom Umweltministerium geforderten festen zehn Prozent an Ausgleichsflächen für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln kommen indes nicht. Allerdings wird von den Landwirten bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln eine Kompensation für die Biodiversität aus einem Katalog an Maßnahmen verlangt. (tom)
Ähnlich geht es Thomas Gräf aus Elsig. Der Landwirt kann nach eigenem Bekunden die Debatten über Nitrat und Glyphosat nicht mehr hören: „Kaum ein deutscher Landwirt nutzt noch Glyphosat. Es gibt aber Situationen, da ist es sinnvoll das Mittel einzusetzen. Dabei wird sogar weniger CO2 produziert als durch die mehrmalige mechanische Bodenbearbeitung.“
„Auflagen machen die Landwirtschaft kaputt“
Mit Grubbern und Pflügen müsse er mehrmals mit Traktoren raus. Dies sei umweltschädlicher als gezielt Glyphosat einzusetzen. „Das ist in der aktuellen CO2 -Debatte doch keinem zu vermitteln“, so Gräf. Und weiter: „Die hohen Auflagen machen die Landwirtschaft doch kaputt. Wir werden doch mittlerweile für alles verantwortlich gemacht.“
Gräf hat sich ein grünes Kreuz auf sein Auto geklebt – und ist mit seinen Kollegen solidarisch. Auch sein Ärger über die Politik ist groß. „Die Politik und das Agrarpaket machen uns kaputt“, sagt Gräf im Gespräch mit dieser Zeitung und greift vor allem die Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Julia Klöckner, an: „Frau Klöckner ist aus ihrem Dornröschenschlaf noch nicht aufgewacht.“
Mehr Umweltschutz in der Landwirtschaft
Das Bundeskabinett hat ein Paket mit mehreren Regelungen beschlossen, die mehr Umweltschutz in der Landwirtschaft durchsetzen sollen. Dazu gehört ein Verbot des besonders umstrittenen Unkrautgifts Glyphosat Ende 2023.
Der Einsatz von Unkraut- und Schädlingsgiften soll insgesamt stark eingeschränkt werden. Das sieht ein „Aktionsprogramm Insektenschutz“ vor, das aber noch kein Gesetz ist. Dieses soll in den kommenden Monaten folgen. Bevor es verabschiedet wird, wollen die Landwirte Nachverhandlungen, sagt Gräf. Er fordert deshalb, dass bei den Überarbeitungen des Agrarpakets Landwirte mit am Tisch sitzen. „Die Leute, die über ein solches Paket entscheiden, sollten Experten sein. Das ist aktuell nicht der Fall“, schimpft der Elsiger Landwirt. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, findet laut Gräf am Montag, 14. Oktober, in Bonn eine Demo der Landwirte unter dem Motto „Grüner Kreuzzug“ statt.
Große Kundgebung in Bonn
Wie diese Zeitung erfuhr, steht für die Bauern am Dienstag, 22. Oktober, eine weitaus größere Kundgebung in Bonn an. „Wichtig ist, dass es friedlich bleibt, damit über die Sache im Kern diskutiert wird und nicht über Nebenkriegsschauplätze“, sagt ein Landwirt, der nicht namentlich genannt werden will. Zwischenzeitlich sei sogar darüber diskutiert worden, mit Traktoren über die Autobahn nach Bonn zu fahren. Von diesem Vorhaben sei man mittlerweile wieder abgerückt. Dennoch solle „eine größtmögliche Aufmerksamkeit generiert werden“.
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Hans-Josef Schorn, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Euskirchen, springt seinen Kollegen zur Seite: „Es kann nicht sein, dass wir Landwirte für alles herhalten müssen.“ Den Vorwurf, dass sich Bauern keine Gedanken über die Umwelt machten, hält er für völlig falsch: „Wir machen viel, etwa mit Blühstreifen, und halten uns an die gesetzlichen Vorgaben, die wohl hier so hoch sind wie sonst nirgends.“
Reduzierung der Zahl der Landwirte?
Sollte das Agrarpaket in seinem aktuellen Umfang verabschiedet werden, befürchtet Schorn eine weitere deutliche Reduzierung der Zahl der Landwirte. Aktuell gebe es etwa 1200 Bauern im Kreis. Gegen Rahmenbedingungen hat der Kreisvorsitzende, wie er sagt, nichts. Sie müssten nur verlässlich sein.
„Es kann nicht heute rein in die Kartoffeln und morgen schon wieder rausgehen“, so Schorn: „Alles im zeitlichen Rahmen einer steuerlichen Abschreibung eines Stalls ist in Ordnung. Das sind 20 Jahre. Dann hat man Planungssicherheit.“
Qualität wird schlechter, Mengen geringer
Gegen die Minderungsstrategie für Nitrat und Dünger spricht sich Bauer Gräf aus. „Die Flächen sind dann unterdüngt, die Qualität wird schlechter und die Mengen geringer“, prognostiziert er. Die Landwirte im Kreis können laut dem Experten nicht von heute auf morgen komplett „in Bio machen“. Die Qualität und Quantität sei mit rein biologischen Standards nicht zu erreichen. Gräf weist darauf hin, dass zahlreiche Arbeitsplätze an der Landwirtschaft hängen.
Gräf, Hilger und viele ihre Kollegen wettern auch gegen das Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten (Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay). „Wir landwirtschaften hier nachhaltig, dort brennt der Regenwald und wir importieren Agrarprodukte mit Frachtern aus Südamerika. Und das in der heutigen Klimadebatte“, ärgert sich Gräf. So werde Rohzucker importiert und in Euskirchen verarbeitet – und das, obwohl hier Zucker angebaut werde.