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„Animal Hoarding"Veterinäramt befreit 27 verwahrloste Tiere in Euskirchen

Lesezeit 4 Minuten
  1. Mitarbeiter des Veterinärmt in Euskirchen haben 27 Tiere aus einer Wohnung in Bürvenich befreit.
  2. Dabei handelte es sich um einen besonders schweren Fall von „Animal Hoarding", dem krankhaften Horten von Tieren.

Euskirchen – Dr. Jochen Weins hat schon viel gesehen, was den unsachgemäßen Umgang mit Tieren angeht. Doch das Bild, das sich ihm und seinen Kollegen in einer Wohnung in Bürvenich bot, hat den Kreisveterinär nach eigenem Bekunden erschreckt. 21 Katzen, drei Hunde und drei Kaninchen befreiten Mitarbeiter des Kreises und des Mechernicher Tierheims aus der Wohnung. Offenkundig handelt es sich um einen besonders krassen Fall von „Animal Hoarding“ (krankhaftes Horten von Tieren).

Die Zustände seien „unvorstellbar“ gewesen, so Weins: „Der Boden in den Zimmern war mit einer dicken Schicht Kot bedeckt und kaum betretbar.“ Eine Katze habe wegen zahlreicher eiternder Wunden sofort eingeschläfert werden müssen. Die anderen Katzen wurden bei der Aufnahme im Tierheim erst einmal entwurmt und entfloht.

Tiere in keinem guten Zustand

Bei den Hunden handelt es sich um zwei kleine Malteser, deren normalerweise lockiges weiches Fell zu dicken Platten verfilzt war. Sie wurden komplett beziehungsweise zum Teil geschoren und mussten außerdem wegen eingewachsener Krallen und schlechter Zähne behandelt werden.

„Dem Rüden wurden zwölf Zähne gezogen“, berichtet Tierpfleger Björn Hoss. Nach der Schur sei der kleine Kerl tagelang berührungsempfindlich gewesen, weil sich die Haut unter dem verfilzten Fell entzündet habe.

Der dritte Hund, ein etwa dreijähriger, reinrassiger Akita-Rüde, befindet sich in vergleichsweise gutem Zustand. Er sei auch mehr oder weniger regelmäßig im Dorf ausgeführt worden, wie Zeugen berichtet hätten.

Bewohnt wurde das Haus von einem Paar mittleren Alters und der Tochter, so der Kreisveterinär. Der Vermieter des Hauses hatte das Kreisveterinäramt informiert, weil ihn Nachbarn darauf aufmerksam gemacht hätten, dass sie die Leute seit Tagen nicht mehr gesehen hätten, aber in den Fenstern Katzen zu sehen seien. Weil die Familie nicht anwesend war, betraten die zur Hilfe gerufenen Tierschützer und Kreismitarbeiter das Haus mit Hilfe des Vermieters.

Zugemüllte Räume

„Es herrschte Chaos“, so Dr. Weins, Alle Räume seien zugemüllt sowie mit Kot und Urin verdreckt gewesen. Die Mieter, die erst vor einigen Monaten eingezogen seien, aber nie einen Cent Miete gezahlt hätten, seien offensichtlich regelmäßig ein- und ausgegangen. „Der Herd wurde noch vor kurzem benutzt. Außerdem haben Nachbarn gesehen, dass sich nachts jemand im Haus aufgehalten hat“, erklärte Weins.

Die Familie habe sich im Dezember bei ihm gemeldet und sich als Pflegestelle für den Tierschutz angemeldet. Daraufhin habe er ihr einen Kontrollbesuch abgestattet. Bei seinem ersten Besuch sei ihm „ein Haufen Pröll“ im Hof aufgefallen. Auf seine Nachfrage habe man ihm erklärt, man habe gerade einen Hoftrödel veranstaltet. „Ansonsten war alles in Ordnung“, so Weins.Zwei Bartagamen habe er jedoch mitnehmen müssen, weil die Reptilien nicht artgerecht untergebracht gewesen seien. Bei einem weiteren Besuch habe er niemanden angetroffen. Auf die Mitteilung, die er im Briefkasten hinterlassen habe, habe es keine Reaktion gegeben. Seit dem Einsatz habe sich die Familien weder nach dem Verbleib der Tiere erkundigt noch seien sie in Bürvenich gesehen worden. Weins hat Strafanzeige erstattet und gegen die Familie ein Tierhalteverbot ausgesprochen. Doch der Amtstierarzt geht davon aus, dass die Familie beides ebenso ignoriert wie die mehrfach seitens des Vermieters zugestellte Räumungsklage. Er geht davon aus, dass sie sich aus dem Staub gemacht hat. Weins: „Über ihren weiteren Verbleib erfahren wir im Prinzip erst etwas, wenn sie erneut auffällig wird.“

Denn krankhafte Tiersammler sind nach seiner Einschätzung oft „Wiederholungstäter“. Tierheimleiter Reiner Bauer und seine Mitarbeiter im Mechernicher Tierheim haben nun alle Hände voll zu tun mit der Pflege und Vermittlung der in Bürvenich konfiszierten Tierschar. 

Animal Hoarding in der Region

„Animal Hoarding“ habe in den vergangenen Jahren im Kreis Euskirchen stark zugenommen, erklärt Kreisveterinär Dr. Jochen Weins. Er spricht bereits vom „ganz normalen Wahnsinn“.

Für Weins ist der Fall in Bürvenich einer von vielen. Als eine Ursache nennt er die zunehmende Vereinsamung: „Immer mehr Menschen leben alleine. Dann holt man sich ein Tier oder zehn... “ Da die Tiere in der Regel nicht kastriert seien, gerate die Haltung irgendwann außer Kontrolle.

NRW-weit zähle der Kreis Euskirchen zu den Kommunen mit den meisten Beschlagnahmungen von Kleintieren, sagt Reiner Bauer, Vorsitzender des Tierschutzvereins Mechernich. (pp)