KultgeschäftWas die Familie Pauli im Haus der Hüte in 100 Jahren erlebt hat
- Paul Pauli führt das Haus der Hüte in Bad Münstereifel in dritter Generation.
- In seiner Zeit als Inhaber hat er viele verschiedene Hut-Trends erlebt.
- Warum er mit 60 Jahren noch lange nicht an den Ruhestand denkt.
Bad Münstereifel – Gleich hinter dem Orchheimer Tor in Bad Münstereifel hat sich ein Stück Eifeler Einzelhandelstradition erhalten: Das „Haus der Hüte“ besteht im 100. Jahr.
Einen Hut kann man auch zu Hause tragen. Jedenfalls wenn man Paul Pauli heißt. Der 60-Jährige trägt seine Flat Cap aus Harris-Tweed wie selbstverständlich in seinem „Haus der Hüte“ an der Orchheimer Straße. Das ist für ihn hier, am Beginn der langen City-Outlet-Meile, zu der Bad Münstereifels Altstadt geworden ist, vermutlich schlicht so etwas wie die Berufskleidung.
350 Hutmodelle auf 40 Quadratmetern
An die 350 verschiedene Hutmodelle hat Paul Pauli im nur 40 Quadratmeter großen Verkaufsraum vorrätig und ausgestellt. Der wirkt leicht plüschig mit der Dekoration aus den 1960er-Jahren und den großen Spiegeln. Aber die alten Eichenholzfenstervitrinen noch aus dem Eröffnungsjahr 1920 – ein Jahr früher, vor 100 Jahren, war wenige Meter weiter die Ersteröffnung vor dem Umzug an die heutige Adresse – machen das Fachgeschäft schon von außen zum Blickfang.
Im Reich der Kopfbedeckungen von Paul Pauli gibt es statt Filialisten-Ware allerdings anderes: den „guten Hut“ von namhaften Herstellern aus Deutschland, Schweden oder den USA. Da kommt es nicht darauf an, dass eine Kappe oder ein Hut einfach irgendwie den Kopf bedeckt.
Stattdessen spielen Materialien, Verarbeitung, Form, Hutband und die gesamte Anmutung eine Rolle. 80 Prozent des Sortiments im Bad Münstereifeler „Haus der Hüte“ sind dabei Klassiker. Sie werden immer noch angelehnt an die originalen Modelle hergestellt. Offenbar stilistische Trendsetter, die einfach zeitlos sind.
Charleston der Hut des 20. Jahrhunderts
Der Charleston, der kecke Damenrundhut mit dem asymmetrischen Schnitt, eigentlich der Hut schlechthin in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, gehört dazu. Ebenso für den Herrn der berühmte Stetson in den verschiedensten Varianten oder der schwarze Fedora von Borsalino, den Humphrey Bogart weltberühmt machte.
Bald beginnt jedenfalls wieder die Panama-Hut-Zeit. Paul Pauli greift zu einem Modell aus Ecuador, natürlich Handarbeit: Sanft cremefarben sind die besonders fein geflochtenen Stiele der Blätter einer speziellen Palmenart, das Hutband ist schwarz. So hat ihn zum Beispiel Sir Peter Ustinov in der Verfilmung von „Tod auf dem Nil“ von Agatha Christie getragen. Damit solche Hüte aus Naturmaterialien über die Lagerzeit in den Regalen oder auf den Ständern des Bad Münstereifeler Fachgeschäftes stabil und elastisch bleiben, greift Paul Pauli zum Blumen-Sprüh-Befeuchter.
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Der Pork Pie – auch Auflaufform genannt – wiederum ist gerade zum Beispiel bei Hipstern angesagt. Gene Hackmann trug im Film „French Connection“ einen Pie, und nicht nur bei seinen Konzerten der berühmte Jazzmusiker Charles Mingus. Dass Cabrio-Fahrerinnen vor allem die Schute mit breiter Krempe und kurzem Nackenstück schätzen – sonst stört ja die Rückenlehne des Fahrersitzes – zeigt sich alle Jahre wieder mit Beginn der schönen Jahreszeit.
Was dem typischen Elbsegler-Träger schnuppe ist: Dieser Schirmmützen-Klassiker mit der Zierkordel, etwas flacher als die von Helmut Schmidt bekannt gemachte Prinz-Heinrich-Mütze, hat ganzjährig Saison. Auch hier gilt: Wer einen bestimmten Hut-Typ trägt, der verrät auch manchmal etwas über seine Werte.
Online-Zeitalter setzt auch Hut-Einzelhandel zu
Ein „Haus der Hüte“ gibt es im Online-Bestellzeitalter nur noch selten. Die Branche war ja immer schon klein. Umso mehr schätzen die Stammgäste aus der Eifel, Köln, Aachen oder Belgien das Angebot in Bad Münstereifel, das es seit 100 Jahren gibt. Paul Paulis Großmutter Anna hatte 1919 mit ihrer Schwester das Geschäft eröffnet. „Oma hat noch selber Hüte hergestellt“, so der Enkel, der das Ladenlokal von seiner Mutter Johanna, die es von 1979 bis 2013 führte, vor sechs Jahren übernommen hat.
Er hat zwar noch die alten Holzrohlinge seiner Großmutter, doch Hüte selber herstellen tut er nicht. Pauli repariert: die Erneuerung des Hutbandes oder die Dehnung der Hüte, wenn nötig mit dem Wärmestab. Der funktioniert noch wie seit Jahrzehnten, ist allerdings eigentlich auch schon reif fürs Industriemuseum.
Ein gelernter Hutmacher ist Paul Pauli, nebenbei Bassist in der Cover-Band Bourbon Sharks, ja nicht. „Aber ich habe immer schon gerne gebastelt.“ Früher an seinem VW-Käfer.
Arbeiten im Elternhaus in Bad Münstereifel
Das Basteltalent nutzt ihm in der kleinen Bedarfswerkstatt seines Geschäftes. Das Gebäude ist seit jeher in Familienbesitz – auch eine Erklärung, warum er die Tradition in der dritten Inhaber-Generation weiterführt: „Das hier ist ja mein Elternhaus, ich bin in den Laden reingewachsen. Ich wohne oben drüber.“ Wäre er nur Pächter oder müsste er Personal bezahlen, wäre das „Haus der Hüte“ schon längst Geschichte.
Seine beiden Kinder allerdings haben eigentlich schon abgewunken: Sie wollen Archäologe und Journalistin werden. Und dann? „Irgendwann kommt wohl der Ausverkauf“, meint Paul Pauli nur. Er habe aber mit seinen 60 Jahren noch Zeit, bis es so weit ist: „Meine Mutter wurde 87, Oma 91. Da schauen wir mal.“
Bleibt die Frage, ob jeder oder jede eigentlich ein Hut-Typ ist? Paul Pauli meint: „Ein bisschen Mut muss man schon haben“, wenn es zur Premiere kommt. Doch bislang sei noch für jeden Kopf ein Hut gefunden worden. Es müssen ja nicht die kreativen Provokationen der Upper-Class-Damen und der Zylinder für den Herrn wie beim traditionellen Pferderennen im englischen Ascot sein.