Ob Brennnesselspinat oder Löwenzahnkaffee – aus vielen Wildpflanzen lässt sich Schmackhaftes zubereiten. Yvonne Hillbrandt weiß, wie.
Faszination HeimatWildpflanzen-Coach kocht mit heimischen Wildkräutern
Im Garten von Yvonne Hillbrandt hat sich eine Gänsedistel ihren Weg zwischen Steinplatten und aufgestapelten Blumentöpfen gebahnt. Was andere sofort bei der Wurzel packen und entsorgen würden, landet bei der 72-Jährigen auf dem Tisch. Gänsedistel lasse sich wunderbar als Gemüse verwenden, schwärmt Hillbrandt. Sie sei sehr nahrhaft und gesund und habe noch einen weiteren Vorteil: ihre Größe. „Man ist schnell mit dem Sammeln fertig“, sagt Hillbrandt und lacht.
Sie kennt sich mit Wildpflanzen aus, hat viele Seminare der Kräuterpädagogin Brigitte Klemme in Bad Münstereifel besucht und sich während der Pandemie zum Coach für essbare Wildpflanzen fortgebildet. Das Thema habe sie schon immer interessiert, und vor etwa 15 Jahren habe sie begonnen, sich richtig damit auseinanderzusetzen. „Plötzlich ist die Natur viel reichhaltiger“, schwärmt sie.
Brennnesseln sind Vitaminbomben – ein Trick gegen die Brennhaare
Viele Leute hätten den Blick für die heimischen Wildpflanzen verloren. Zu Unrecht einen schlechten Ruf habe beispielsweise die Brennnessel. Die meisten Menschen halten sich lieber von der Pflanze fern, schließlich können ihre Brennhaare unangenehm juckende Quaddeln auf der Haut verursachen. Hillbrandt liebt die Pflanze. Daraus lasse sich leckerer Spinat kochen, sagt sie. Brennnessel habe sechsmal so viel Vitamin C wie Spinat und fünfmal so viel Calcium wie Milch. „Die ganze Pflanze ist von oben bis unten essbar, bis in die Wurzeln“, berichtet sie begeistert. „Und sie wächst vor der Haustür. Unverpackt!“
Und was ist mit den Brennhaaren? Laut Hillbrandt kein Problem, man müsse die Blätter nur richtig pflücken. Greife man die Pflanze unten am Stiel und ziehe die Hand nach oben, tue es nicht weh, da die Brennhaare nur in eine Richtung wachsen. Und wer trotzdem Sorge habe, könne sich einfach Handschuhe anziehen. Nach dem Waschen seien die Brennhaare dann sowieso unschädlich.
Brennnesseln, Löwenzahn und Giersch: Das „wilde Dreigestirn“
Neben Brennnesseln nennt Hillbrandt noch zwei weitere Lieblinge unter den heimischen Wildpflanzen: Löwenzahn und Giersch. „Das sind die drei Hauptpflanzen, die massenhaft vorkommen und die man gut ernten kann.“ Sie selbst nenne die drei auch gerne das „wilde Dreigestirn“.
Aus Löwenzahnwurzeln könne man beispielsweise Muckefuck zubereiten und die Blüten einlegen. Sie habe jüngst Löwenzahnblüten in Wodka eingelegt, das gebe einen leckeren Verdauungsschnaps.
Giersch sei auch sehr vielseitig einsetzbar, wachse tatsächlich aber nicht ganz so verbreitet wie Löwenzahn und Brennnessel – und es bestehe Verwechslungsgefahr mit dem giftigen Schierling. Bei Brigitte Klemme habe sie dazu den Merksatz gelernt: „Ist der Stängel rund und fleckig, geht es dir recht bald dreckig.“
Giersch habe einen dreikantigen Stängel, der sich in drei Blattstiele teile. Daran könne man ihn vom Schierling unterscheiden. „Man muss schon wissen, was man nicht essen sollte“, sagt die Expertin.
Hillbrandts Begeisterung für Wildkräuter ist ansteckend
In Eifeler Küchen vermutlich häufiger in Gebrauch als das „wilde Dreigestirn“ ist der Bärlauch. Er wächst im Frühjahr und beginnt im Mai zu blühen. Hillbrandt hat ein paar Pflanzen im Garten und hofft, dass er sich etwas ausbreitet. Am häufigsten werden die Blätter des Bärlauchs verwendet, die man Laut Hillbrandt im Übrigen auch noch nach der Blütezeit essen kann. Der Geschmack sei dann vielleicht nicht mehr ganz so intensiv, aber nach wie vor da. Aber auch aus den Knospen lasse sich Leckeres zubereiten. Eingelegt seien sie in schönes Topping für Salat oder Pizza.
In Hillbrandts Küche steht ein ganzes Regal mit eingelegten Kräutern, selbstgemachten Sirups und Marmeladen sowie getrockneten Blüten und Samen. Draußen hat sie noch eine Outdoor-Küche, in der sie auch Kurse abhält. Ihre Begeisterung für Wildpflanzen ist ansteckend. Beim Spaziergang durch ihren Garten bleibt sie immer wieder stehen, zupft hier ein Blättchen ab, zeigt dort auf einen Busch. Eines wird dabei schnell klar: Unkraut gibt es hier nicht.
Mehr Informationen rund um Wildpflanzen und heimische Kräuter gibt es beim Eifeler Kräutertag, der am Sonntag, 21. Mai, im Ortskern von Bad Münstereifel und am Kloster in Nettersheim stattfindet. Der Eintritt ist frei.
Offene Gärten
Wer auch einmal durch Yvonne Hillbrandts Garten schlendern möchte, hat dazu im Juni und im September Gelegenheit. Denn Hillbrandts Garten ist einer von fünf Gärten im Kreis Euskirchen, die an dem Projekt „Offene Gartenpforte Rheinland 2023“ teilnehmen.
Rund 100 private Gärten im südlichen Rheinland gibt es an vier Wochenenden von Mai bis September zu bestaunen. Der Eintritt ist frei. Allerdings hat nicht jeder teilnehmende Garten an allen vier Wochenenden geöffnet. Weitere Informationen gibt es auf der Website.
Rezept für Eifeler Wildkräuterpastete
Zutaten: drei Hand voll Wildkräuter (Brennnessel, Giersch, Melde, Gänsedistel, Franzosenkraut, Löwenzahn), 200 Gramm Schafskäse, drei Frühlingszwiebeln oder eine Stange Lauch, vier bis fünf Blätter Filo- oder Yufkateig, ein Ei, Olivenöl, Zitronensalz, Salz und Fenchelsamen.
Zubereitung: Die Kräuter waschen und hacken. Den Käse zerkrümeln. Mit zwei Esslöffeln Olivenöl Kräuter, Ei und Frühlingszwiebeln gründlich mischen. Eine kleine Auflaufform ölen und mit dem Filoteig auslegen, dass er großzügig überlappt. Den Teig auf der Innenseite einölen und die Kräutermasse darauf verteilen. Ein weiteres Filoblatt obendrauf legen und die Ränder einklappen. Nochmals einölen. Mit einem scharfen Messer Portionen einteilen und bei 175 Grad etwa 50 Minuten backen.
Mehr Rezepte gibt es auf der Website.