Blicke in ferne Galaxien sind im Astropeiler Stockert möglich. Die einst geheime Anlage kann heute besichtigt werden.
FührungenDer Astropeiler bei Bad Münstereifel war eine geheimnisvolle Anlage
Der Zielpunkt liegt in weiter Ferne: zwischen Eidechse, Kassiopeia und Kepheus inmitten der Milchstraße. Auf dem Schaubild, das Thomas Buchsteiner den Besuchern im Steuerraum des Astropeilers Stockert präsentierte, simulierte ein kleiner gelber Punkt unser Sonnensystem.
„Unsere Sicht innerhalb der Milchstraße ist mit der einer Ameise zu vergleichen, die sich auf einer Fahrradspeiche befindet“, erläuterte Buchsteiner die Perspektive, die sich auf dem großen Monitor darstellte. „In einer Richtung sieht sie die Radnabe, in der anderen Richtung die Felge.“
Bei Bad Münstereifel sind Einblicke in ferne Galaxien möglich
Mit dem Blick in die ferne Galaxie eröffnete die historische Radiosternwarte auf dem Stockert den Besuchern im Rahmen des Aktionstages „Zu Gast in der eigenen Heimat“ eine neue Dimension. Während die Erwachsenen im Steuerungsraum zwischen Schaltern, Hebeln, Monitoren und Diagrammen die Funktionsweise des 25-Meter-Teleskops rund um Doppler-Effekt, Megahertz und 21-cm-Linie des Wasserstoffs erklärt bekamen, gab es für die Kinder einen ganz anderen Ausflug in die Sternenwelt.
Im Märchenzelt auf dem Gelände rund um die 1956 erbaute Anlage sorgte Antje Meincke mit ihren Erzählungen für Spannung. Dabei fielen immer wieder glitzernde Sterne „vom Himmel“.
„Die Kinder haben die Sterne spontan in die Luft geworfen“, so die Märchenerzählerin, die mit vielen liebevollen Accessoires den jungen Besuchern eine Welt zum Anfassen bot. Die Geschichte vom mutigen Indianerjungen, der einen großen Bären überlistete, lieferte hingegen die Erklärung, wie das gleichnamige Sternenbild seinen Platz am Himmel fand.
Elke Fischer erlebte ihre Kindheit im einst geheimen Astropeiler Stockert
Auch Miriam wusste die Anwesenden zu unterhalten. Die fünfjährige Mechernicherin, die zum ersten Mal zu Besuch beim Astropeiler war, fesselte das Publikum mit der Geschichte von „Schneeweißchen und Rosenrot“ der Brüder Grimm.
Den Astropeiler selbst als Spielplatz zu erleben, davon kann Elke Fischer ein Lied singen. Die 66-Jährige ist gemeinsam mit ihrer Schwester Antje Meincke auf dem Stockert groß geworden. „Unser Vater hat 1956 als technischer Leiter hier angefangen, und wir haben direkt daneben gewohnt“, so Fischer.
Während Vater Gerhard Fischer sich am damals ersten frei beweglichen Radioteleskop mit Messungen aus dem Weltall beschäftigte, stellte sich die Realität auf Erden für die Töchter anders dar. „Hier war alles abgesperrt und geheim“, erinnert sich Fischer an ihre Kindheit. „Wir konnten keine Freunde nach Hause einladen, im Dorf und in der Schule galten wir als die Teufelskinder.“
Im Gegensatz zur Schwester, die sich mit dieser Situation nicht anfreunden konnte, war für Fischer die Isolation aufgrund von Gerüchten rund um Strahlungen und Verschwörungstheorien in Ordnung. „Ich kenne jeden Winkel und jede Schraube in dem Gebäude“, so Fischer, für die das Motto „Zu Gast in der eigenen Heimat“ aufgrund ihrer Lebensgeschichte einen besonderen Hintergrund hat. Fischer, die nach einer Zeit in Bonn mittlerweile wieder in der Nähe ihres Elternhauses in Eschweiler lebt, ist aktives Mitglied im Verein Astropeiler Stockert, der sich ehrenamtlich um die Radioastronomieanlage kümmert, die seit 2005 im Besitz der Nordrhein-Westfalen-Stiftung ist.
Heute kümmert sich ein Verein um die Radioastronomieanlage
„Man muss keinen wissenschaftlichen Hintergrund haben, um im Verein aktiv zu werden“, betonte Walter Grode. Gemeinsam mit Kevin Schmitz befand er sich auf dem Weg zur Arbeitsbühne der Teleskopschüssel, von wo aus Wartungsarbeiten ausgeführt werden.
Doch nicht nur das Innenleben des Gebäudes eröffnet ungeahnte Einblicke, atemberaubend ist der Ausblick, der aus der Vogelperspektive Ortschaften wie Nöthen und Mechernich oder auch das Siebengebirge wie Spielzeuge erscheinen lässt. „Ich liebe die Aussicht bei Sonnenuntergang“, schwärmte Schmitz, der im Verein für den IT-Bereich zuständig ist.
„Bei uns kann man aber auch Unkraut jäten“, ergänzte Grode, der sich um die Teleskoptechnik kümmert, schmunzelnd. Denn die 190 Mitglieder erhalten und warten die gesamte Anlage mitsamt Außenbereich, entwickeln die Instrumentierung und die Software weiter und ermöglichen so einen dem Stand der Technik entsprechenden Beobachtungsbetrieb. „Außerdem bekommt man Zugang zu allen Bereichen“, so Schmitz, während er die Aussicht auf die eigene Heimat genoss.
Von Mai bis Oktober werden sonntags Führungen angeboten
Der Verein Astropeiler Stockert hat das Ziel, die Radioastronomieanlage auf dem Stockert auf ehrenamtlicher Basis zu erhalten und weiter zu entwickeln. Dabei werden die Instrumente auf aktuellem und modernen Stand betriebsbereit gehalten, ohne die historische Struktur zu beeinträchtigen. So entsteht eine interessante Mischung aus alter und neuer Technik.
Außerdem liefert der Verein im Rahmen der Möglichkeiten Beiträge zu aktuellen wissenschaftlichen Fragestellungen. Wesentliche Zielsetzung ist auch, für Universitäten und Schulen die Anlage für Ausbildungszwecke zur Verfügung zu stellen und entsprechende Programme zu entwickeln. Ein besonderes Anliegen ist es, die Bedeutung der Astronomie der Öffentlichkeit nahezubringen und das Verständnis zu fördern, dass Grundlagenforschung generell ein unverzichtbarer Bestandteil einer modernen Gesellschaft sein sollte.
Der Verein versteht sich auch als ein Kristallisationspunkt für andere Amateure, die in der Radioastronomie tätig sind sowie für Funkamateure. Konferenzen, Vortragstätigkeiten, Seminare und sonstige Fortbildungsveranstaltungen gehören daher zum Feld der Aktivitäten.
Von Mai bis Oktober bietet der Verein jeden Sonntag um 14 Uhr eine Führung durch die Anlagen an, bei Interesse können nach Absprache auch individuelle Besichtigungstermine vereinbart werden.