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Update

Elffacher Mordversuch
Lebenslang für Münstereifeler, der seine Familie töten wollte

Lesezeit 4 Minuten
Feuerwehrleute bekämpfen den Brand des Hauses, dessen Dach bereits zum Teil zerstört worden ist.

Das Haus in Holzem, das der jetzt verurteilte Mann in der Nacht zum 19. Juni 2024 in Brand gesetzt hatte. 

Der 34-jährige Angeklagte hatte versucht, seine Frau und drei Kinder zu töten. Danach steckte er ein Haus in Brand. Jetzt wurde er verurteilt.

Lebenslang wegen elffachen Mordversuchs, gefährlicher Körperverletzung und gefährlicher Brandstiftung. Äußerlich ohne eine Regung nahm der Angeklagte im Saal W 113 des Bonner Landgerichts das Urteil der 8. Großen Strafkammer zur Kenntnis, hörte dessen Begründung, für die sich die Vorsitzende Richterin Anja Johansson mehr als eine Stunde Zeit nahm, stützte gelegentlich den Kopf auf die rechte Hand, ansonsten schaute er konzentriert zum Richtertisch.

Diese scheinbare Gefühlskälte, mit der er auch das Unfassbare über sich ergehen lässt, scheint ein Charakterzug des 34-jährigen Bäckers zu sein, der am 19. Juni 2024 versucht hatte, seine gleichaltrige Frau und die drei gemeinsamen Kinder zu töten, und dann das Mehrfamilienhaus in Holzem angezündet hatte, in dem die Familie seit anderthalb Jahrzehnten lebte. Sieben weitere Bewohner gerieten in Todesgefahr, erlitten teilweise Rauchvergiftungen und wurden obdachlos.

Die Familie des Angeklagten lebte beengt

Der Angeklagte war direkt aus seinem Elternhaus mit seiner späteren Frau zusammengezogen. Sie bekamen drei Kinder, die heute 15, 13 und 10 Jahre alt sind. Zum Haushalt gehörten außerdem zwei Hunde, zwei Katzen, zwei Kaninchen und Schlangen. Man lebte beengt, die Jüngsten mussten im Wohnzimmer schlafen. Der Vater verdiente als Bäcker mit 3800 Euro netto nicht schlecht und hat sich, so die Richterin, „ein Bein ausgerissen, damit die Familie über die Runden kommt“.

Das Ehepaar vertrug sich, ab und zu gab es Streit. Dann soll sie auch laut geworden sein, doch er gab schnell klein bei. Es lief also eigentlich alles gut, wenn da nicht ab Mitte der 2010er-Jahre bei ihm der „Wunsch nach Unabhängigkeit und Abwechslung“ gewesen wäre. Diese Sehnsucht wurde größer, er vermochte sie aber nicht auszudrücken, weil er, so sein Verteidiger Albert Stumm, „seine Gefühle nicht lesen konnte“. Das Gericht sprach von „Gefühlsblindheit“.

Die Reaktion seiner Frau auf den Seitensprung machte den Mann krank

Im November 2023 lernte der Bäcker eine neue Frau kennen und beichtete den Seitensprung seiner Frau, die jedoch zu seiner Überraschung nicht die Scheidung verlangte, sondern eine Beziehung zu dritt vorschlug. Diese Reaktion und seine innere Zerrissenheit machten ihn krank, er brach auf der Arbeitsstelle zusammen.

Das Foto zeigt einen Bagger bei den Abrissarbeiten, der Dachstuhl des Hauses fehlt.

Das Gebäude in Holzem, das nach einer Messerattacke auf Frau und Kinder von dem Familienvater angezündet worden war, wurde abgerissen.

Die Wende kam wenige Wochen vor der Tragödie in Holzem. Der Angeklagte reiste mit einem Kumpel nach Mallorca. Während dieser Tour reifte nach Überzeugung der Kammer bei dem Angeklagten der Gedanke, seine Frau zu töten, um frei zu sein. Er mietete für sich eine Wohnung, kaufte am 15. Juni in Rheinbach ein Messer mit 22 Zentimeter langer und 3,5 Zentimeter hoher Klinge, dazu einen Zehn-Liter-Benzin-Kanister.

Sie kuschelten im Bett, dann stach der Münstereifeler zu

Am 17. Juni fuhr er zu einem Fortbildungsseminar nach Weinheim, füllte unterwegs den Kanister und kehrte in der Nacht zum 19. Juni vorzeitig nach Hause zurück. Seine Frau freute sich, sie kuschelten etwa eine Stunde im Ehebett. Dann stand er auf, holte das im Schrank versteckte Messer, legte sich wieder zu seiner Frau, küsste sie – und stach mit der Waffe zu. Sie wurde neunmal getroffen und ist seitdem schwer behindert.

Der 15-jährige Sohn wurde durch Hilferufe der Mutter geweckt. Als er ins Schlafzimmer eilte, muss nach Überzeugung der Kammer der Vater beschlossen haben, auch die Kinder zu töten. Erst stach er auf den Jungen ein, holte dann aus der Küche ein zweites Messer und verletzte damit die 13-Jährige, während die Jüngste, die in die Vorratskammer geflüchtet war, später durch das Feuer Brandverletzungen ersten und zweiten Grades erlitt. Während der Angriffe soll der 34-Jährige seiner Frau zugerufen haben: „Ich liebe dich doch!“

Mit Benzin steckte der Familienvater das Haus in Brand

Nachdem sich Mutter und Kinder im Schlafzimmer eingeschlossen hatten, lief der Angeklagte zu seinem Auto, holte den Kanister, kippte fünf Liter Benzin in den Flur der Wohnung, warf ein brennendes Streichholz in die Lache und flüchtete. Das Benzin-Luft-Gemisch verursachte eine heftige Explosion, das Feuer griff auf andere Räume über.

Im Treppenhaus stand Rauch, sodass die Nachbarn (bis auf vier Mieter der Kellerwohnung) nicht flüchten konnten. Einer rettete sich auf den Balkon, schloss dort mit seinem Leben ab und telefonierte noch einmal mit Verwandten. Der nebenan wohnende Bruder der schwer verletzten Mutter rettete sie und die Kinder mit einer Leiter aus dem brennenden Gebäude, die übrigen Bewohner rettete die Feuerwehr. Alle haben ihr Hab und Gut verloren, sie wohnen heute bei Verwandten oder Freunden. Der Sachschaden wird auf 800.000 Euro geschätzt.

Der Täter, der zurück nach Weinheim gefahren war und dort ausgecheckt hatte, stellte sich später auf einem Autobahnparkplatz der Polizei, der er die Tat sofort gestand.

Das Gericht sah bei ihm die Mordmerkmale der Heimtücke und Gemeingefährlichkeit verwirklicht. Deshalb komme eine zeitlich begrenzte Haftstrafe nicht in Betracht. Verteidiger Stumm glaubt dennoch, sie erreichen zu können. Er kündigte Revision beim Bundesgerichtshof an. Die Nebenklagevertreterin der Kinder, Sigried Aretz, nahm das Urteil zufrieden zur Kenntnis. Jetzt gehe es für die Kinder darum, das Drama aufzuarbeiten.