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Massive BürgerprotesteStadt will Bad Münstereifeler Nutria-Familie töten

Lesezeit 4 Minuten

In Deckung zu gehen, wird den Nutrias an der Erft nichts nutzen. Die Stadt will sie einfangen und töten.

Bad Münstereifel – Traurig und ohne Hoffnung verlassen die Nutria-Freunde den Rats- und Bürgersaal. Das Schicksal der possierlichen Tiere ist besiegelt. Die aus acht Tieren bestehende Familie, die sich an der Erft mitten in Bad Münstereifel niedergelassen hat, soll getötet werden. Es gebe keine Alternative, sagte die Verwaltung in der Sitzung des Stadtrats.

Sie beruft sich auf ein Schreiben der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises Euskirchen. Darin ist zu lesen, dass Nutrias, die vor mehr als 100 Jahren aus Südamerika einwanderten, zu den „invasiven und gebietsfremden Arten“ gehörten. Zucht, Transport und Freisetzung seien damit verboten.

Kastration scheide aus

Daher scheide auch eine Kastration und spätere Umsiedlung aus, so Ordnungsamtschef Kurt Reidenbach. Mit der EU-Verordnung, die am 16. September 2017 als nationales Gesetz in Kraft trat, solle vermieden werden, dass diese Tierarten für die heimische Flora und Fauna gefährlich werden. Die Nutrias dürften auch nicht in private Hände abgegeben werden.

Der Bauausschuss hatte bereits mit einer Gegenstimme die Verwaltung beauftragt, zur „Abwehr von Gefahr durch Bauten und Höhlen an der Erftmauer“ und wegen der „Ortshygiene“ die Nutrias mit Lebendfallen zu bejagen – um die Tiere später zu töten.

Daraufhin hatten Bürger und Tierschützer mobil gemacht. Sie wiederholten im Rat ihre Angebote, etwa die Kosten für eine Kastration zu übernehmen. Die Tiere täten keiner Menschenseele etwas und würden Besuchern wie Bürgern viel Freude bereiten, sagten sie. Auch eine Unterschriftenliste, in der eine Umsiedlung der Tiere gefordert wird, änderte nichts.

Thomas Bell (Linke) warf ein: „Eine konkrete Anordnung oder rechtliche Verpflichtung zur Tötung gibt es aber nicht durch das Schreiben der Unteren Naturschutzbehörde.“ Er warf der Verwaltung vor, keine konkrete Prüfung durch Fachleute vorgenommen zu haben. Er fragte: „Sind die Gefahren nur vorgeschoben oder auch tatsächlich vorhanden?“

Diskussion um Höhlen und Gänge

Hans-Georg Schäfer, Technischer Betriebsleiter, gab zu: „Wir wissen nicht definitiv, welche Schäden sie anrichten oder nicht.“ Nach einem Einsatz von Kameras werde man Genaueres wissen. Zurzeit dürften die Schäden nicht besonders groß sein. Es gehe vielmehr darum, künftige Schäden zu vermeiden. „Die Nutrias sind leider zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort“, so Schäfer.

Harald Krauß (CDU) hatte sein Wissen aus dem Internet. Er empfahl allen, „mal Nutrias zu googeln“. Man könne überall lesen, dass sie unangenehme Eigenschaften hätten, wie zum Beispiel das Graben von Gängen: „Im Moment stellen sie vielleicht keine große Gefahr dar, aber in drei bis vier Jahren vielleicht, wenn dann 100 bis 200 Tiere hier herumrennen.“

Die Tiere bauten keine weitläufigen Höhlen oder Gänge, sondern eher eine „Einbahn-Straße“, hielt Brigitte Pelzer dagegen. Im Internet gebe es viele widersprüchliche Angaben zu Nutrias. Daher müsse man doch erst klären, was wahr sei, bevor man „eine Handvoll Tiere, die so viel Freude bereiten“ töte. Auch Tierschützer Thomas Müller bat um Zeit, um weitere Informationen sammeln zu können.

Doch am Beschluss wollte der Stadtrat nicht rütteln. Man habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, sagte Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian: „Wir haben uns mit dem Ansinnen, das über alle Kanäle einging, noch mal intensiv auseinander gesetzt und auch Alternativen geprüft.“ Die sehe die Stadt aber nicht.

Reaktionen

Auch am Tag nach dem Beschluss wird die demnach unausweichliche Tötung der Nutrias weiter heiß diskutiert – im Ort, aber auch in den sozialen Netzwerken.

So schreibt Manuela Bleses, eine der Tierfreundinnen, die sich für die Nutrias einsetzen, in der Facebook-Gruppe „Pro Nutria Bad Münstereifel“, dass das Landesumweltamt die Sache durchaus anders sehe als die Untere Naturschutzbehörde des Kreises Euskirchen. Nach einer EU-Verordnung seien lokale mechanische Schutzmaßnahmen wie etwa Drahtgeflechte zum Schutz technischer Bauwerke „wo immer möglich“ dem Fallenfang oder der Bejagung vorzuziehen.

Grünen-Ratsfrau Sabine Terspecken postete in der Gruppe: „Dies war keine Sternstunde der Demokratie. Schade, dass Münstereifel so wenig für Fortschritt in puncto Natur- und Tierschutz über hat.“

Auch Tierschützerin Martina Patterson kann es nicht verstehen. „Da wird einfach ein Beschluss in Wild-West-Manier gefasst“, sagte sie am Telefon. Und zwar ohne stichfeste Untersuchungen und Dokumentation durch Fachleute. Sie ist enttäuscht, schließlich müsse auch ein Stadtrat sich an das Tierschutzgesetz halten.

„Es ist nicht nachvollziehbar, warum hier Leben ausgelöscht werden soll. Wieder einer jener Momente, in denen ich mich schäme, der Spezies Mensch anzugehören“, heißt ein Post auf der Seite des TSV Mechernich.

Der Tierschutzverein hatte zuvor gepostet: „Der Wille des Bürgers interessiert Sie anscheinend nicht, lieber Probleme lösen durch Töten! Töten!!“