Bedeutsames UrteilDeutschland hat zu wenig gegen Nitrate im Grundwasser unternommen
Kreis Euskirchen – Wenn man zurzeit durch die Eifel und die Zülpicher Börde fährt, wird man abschnittsweise immer mal wieder mit derb riechender Landluft konfrontiert. Selbst am hochsommerlich warmen Mittwoch dieser Woche hatte ein Landwirt zwischen Keldenich und Zingsheim Gülle ausgefahren. Es stank bestialisch.
Möglicherweise wird der Gesetzgeber, was den Einsatz von natürlichem und künstlichem Dünger anbelangt, noch restriktiver vorgehen müssen als bisher. Denn am Donnerstag wurde bekannt, dass der Europäische Gerichtshof Deutschland dafür verurteilt hat, zu wenig gegen Nitrate im Grundwasser unternommen zu haben. Wie die Richter feststellten, hätte Deutschland zusätzliche oder verstärkte Maßnahmen einleiten müssen, um seine Gewässer zu schützen.
„Das ist eine sehr erfreuliche Nachricht“, befand Dr. Katharina Schmidt-Loske, Biologin aus dem Münstereifeler Höhenort Houverath. Sie kämpft seit einigen Jahren dafür, dass der Einsatz von Gülle auf Feldern und Wiesen so eingeschränkt wird, dass keine negativen Folgen für die Natur entstehen.
„Wir haben in der vergangenen Woche noch eine Demonstration mit rund 70 Teilnehmern in der Grafschaft gehabt, um auf die Problematik aufmerksam zu machen“, berichtete Schmidt-Loske am Donnerstag. Für sie steht fest, dass die Überdüngung mit Gülle die Ursache für die teilweise zu hohen Nitratwerte im Grundwasser sind.
Eigentlich fällt im hiesigen Raum seit Jahren weniger Gülle an, weil die Viehbestände kleiner geworden sind. Doch wie von vielen Bürgern glaubhaft versichert wird, finden immer noch Gülletranfers von Holland oder dem Münsterland in die Eifel statt. „Teilweise wird das Zeug mittlerweile nachts ausgebracht“, so Schmidt-Loske.
Nicht unglücklich über das Urteil
Über das Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist auch Oliver Müller, der Geschäftsführer des Verbandwasserwerks Euskirchen, nicht unglücklich. Er hat in seinem Einzugsbereich einige Bereiche, in denen die Nitratwerte problematisch sind. „Die Nitrate haben sich durch Denitrifizierung in Eisen und Sulfat umgewandelt“, berichtete Müller auf Anfrage.
Das Wasserwerk ist seit einiger Zeit gezwungen, diesen Verunreinigungen durch verbesserte Filtration, Vermischung von Wasser unterschiedlicher Quellen und Bohrung neuer Quellen zu begegnen. Müller setzt nach wie vor auf eine bessere Zusammenarbeit mit den Bauern, deren Düngepraxis als Verursacher der erhöhten Nitratbelastung im Grundwasser gilt.
Gülledüngung muss eingeschränkt werden
„Durch das Urteil sind der Gesetzgeber und die Behörden gezwungen, die Gülledüngungen massiv einzuschränken“, freute sich Katharina Schmidt-Loske. Bisher habe die Bauern-Lobby immer dafür gesorgt, dass die geplanten Gesetzesänderungen nicht in vollem Umfang umgesetzt wurden. Das galt beispielsweise für die Ausbringung der Gülle mit so genannten Pralltellern, was erst seit 2016 nicht mehr zulässig ist, in anderen Ländern schon früher verboten war.
Greenpeace hat sich zum fraglichen Thema auch geäußert: „Laut Düngeverordnung darf ab 2017 auf Ackerland in Deutschland von Oktober bis Ende Januar keine Gülle ausgebracht werden. Im Vergleich zu den europäischen Nachbarländern sind die deutschen Sperrzeiten für das Ausbringen der Gülle sehr moderat. In den Niederlanden und Belgien gelten laut Branchenmagazin Topagrar weit strengere Vorschriften. So gibt es absolute Nährstoff-Obergrenzen für die Düngung mit Gülle und Mineraldünger, abhängig von der Bodenbeschaffenheit.“
Gülle nach Deutschland bringen ist günstiger
Die Sperrfristen, so Greenpeace weiter, für die Ausbringung von Gülle begännen direkt nach der Ernte der Vorfrucht im Sommer. Deshalb müssten niederländische Bauern teure Lagerkapazitäten für sieben Monate vorhalten – in Deutschland seien es nur vier. Trotz längerer Transportwege sei es für die niederländischen Bauern günstig, die Gülle nach Deutschland zu bringen. Mehr als 2,2 Millionen Tonnen dieses Tierdungs wurden laut der niederländischen Behörde Rijksdienst voor Ondernemend Nederland (RVO) 2016 exportiert. Dass davon ein Teil auf Flächen im Kreis Euskirchen gelandet ist, dürfte unstrittig sein.
Laut Greenpeace zahlen niederländische Landwirte für die Abfuhr von überschüssigem Wirtschaftsdünger zwischen 18 und 25 Euro pro Kubikmeter an die Abnehmer.
Und was sagt die Bauernschaft zur Entscheidung aus Brüssel?
„Das geht nicht einfach von heute auf morgen“
„Wir haben das Problem erkannt und gehen es gemeinsam mit der Politik an, doch das geht nicht einfach von heute auf morgen“, erklärte Bernhard Conzen vom Rheinischen Landwirtschafts-Verband. Die Verarbeitung und Freisetzung von Stoffen im Boden sei ein dynamischer Prozess. Bis Resultate sichtbar seien, könnten je nach Bodenbeschaffenheit Jahre vergehen.
Kreislandwirt Hans-Josef Schorn war gestern für die Redaktion nicht zu erreichen, von der Landwirtschaftskammer in Düren wollte sich niemand zum Thema äußern.