Traum verwirklichtZwei Blankenheimer kauften sich eine Drehleiter der Feuerwehr
Blankenheim/Dollendorf – „Wir sind Feuerwehr-verrückt“, gestehen die beiden Dollendorfer Christoph Schmitz und Michael Müller. Die Konsequenz: Sie haben sich ein ausgemustertes Feuerwehrauto gekauft, das auch bei leidenschaftlichen Sammlern eher selten anzutreffen sein dürfte: eine Drehleiter. Im Dorf heißt es jetzt: „Die sind bekloppt!“ Oder: „Toll!“
Die beiden sitzen in Müllers Wohnzimmer und wissen, dass ihr Projekt bei vielen Menschen für Verwunderung sorgen dürften. Schon seit 2017 haben sie dafür gespart. Das Ersparte haben die 29-Jährigen in den Kauf der 30-Meter-Drehleiter gesteckt, die von der Feuerwehr in Rente geschickt wurde. „Aber voll funktionsfähig ist“, wie Michael Müller versichert.
Beide arbeiten beruflich als Feuerwehrleute
Nun muss man wissen, dass die beiden Kameraden nicht nur seit 2006 in den gemeinsamen Jahren bei der Jugendfeuerwehr in Dollendorfer und seit elf Jahren in der Einsatzabteilung, sondern auch beruflich mit großen roten Autos zu tun haben. Müller ist bei der Werkfeuerwehr von Evonik in Niederkassel beschäftigt, Schmitz bei der Feuerwehr in Frechen.
Der Traum von der eigenen Drehleiter war für sie das höchste der Gefühle. Und aus dem Traum wurde Realität: Ihre Drehleiter steht nun vor der großen Scheune nebenan.
Früher im sächsischen Vogtland eingesetzt
Sie haben das gute Stück – Baujahr 1993, mit 264 PS im V8-Deutz-Motor – eines schönen Tages im Kleinanzeigen-Markt im Internet entdeckt. Dort bot ein Händler aus Werl bei Dortmund das Teil für rund 17.000 Euro an, Abholung vorausgesetzt. Ein Schnäppchenpreis.
„Der hatte die Leiter von der städtischen Feuerwehr in Klingenthal im sächsischen Vogtland. Dort war sie im Zuge einer Neubeschaffung ausgemustert worden“, so Michael Müller. Das Fahrgestell hatte sogar noch eine gültige TÜV-Plakette.
Müller und Schmitz zögerten nicht lange und machten sich am 20. August 2021 auf den Weg nach Werl. Beide haben den Lkw-Führerschein bei der Feuerwehr gemacht. Also ging es ohne Blaulicht und mit Tempo 80 über die A1 nach Dollendorf.
Doch dann zeigte die deutsche Bürokratie, was sie kann, wenn jemand meint, eine Feuerwehr-Drehleiter privat nutzen zu wollen. Das Blaulicht musste abmontiert, alle Feuerwehrschriftzüge entfernt und die die Fahrzeugabmessungen signalisierenden Katzenaugen durch zwischenzeitlich andere vorgeschriebene Warnmittel ersetzt werden.
Nun eine „selbstfahrende Arbeitsmaschine“
Müller und Schmitz müssen jährlich Unfallverhütungsprüfungen absolvieren. Alle sieben Jahre steht für die Leiter eine Hydraulikprüfung an. Ein fehlender Nachweis über den verbauten Motor musste in der Schweiz beschafft, ein Abgastest gemacht, der TÜV erneuert und eine Zusatzprüfung für die Leiter von einem Sachverständigen durchgeführt werden. Kurz: Aus einem Fahrzeug der Feuerwehr wurde eine „selbstfahrende Arbeitsmaschine“, grünes Kennzeichen inklusive.
Nur feuerwehrrot ist das gute Teil nach wie vor, daran hat sich keine Behörde bislang gestört. Genauer: in einem der für Einsatzfahrzeuge vorgeschriebenen Farbtöne Feuerrot (RAL 3000), Verkehrsrot (3020), Leuchtrot (3024) oder Leuchthellrot (3026). Die Leiter umlackieren in ein schönes Pink oder cooles Anthrazitgrau? Undenkbar für Müller und Schmitz.
Privatdrehleiter im März endlich zugelassen
Die ganzen Genehmigungen haben sie alles in allem ein halbes Jahr gekostet. Und gratis sei das auch nicht gewesen, sagt Schmitz. Im März war ihre Privatdrehleiter endlich zugelassen. Das alles haben sie zwar auch getan, „damit die Leute was zu reden haben“, grinst Michael Müller.
Andererseits: Geld verdienen wollen sie schon mit ihrer 30-Meter-Arbeitshilfe. „Die Betriebskosten und auch der Kaufpreis sollen irgendwann wieder reinkommen“, hofft Christoph Schmitz.
Auf Festen in der Eifel die Attraktion
Also haben sie ihre MS Service GbR angemeldet – als Dienstleister für Fälle, in denen es mal hoch und schwierig wird. Zum Beispiel für die Baumpflege, Regenrinnenreinigung oder Dacharbeiten. Weitere Einsatzmöglichkeiten sind denkbar.
Im Umkreis von 50 Kilometern wollen sie das Hilfsmittel über ihre Internetseite anbieten. Erste Aufträge aus der Region gab es schon. Auf Feuerwehr- oder Dorffesten sind sie gerne die Hauptattraktion und fahren die Gäste im selbstverständlich von der zuständigen Prüfstelle abgenommenen Korb in luftige Höhen.
Dann sitzen Müller oder Schmitz an der Steuerung und können nur zu gut nachempfinden, was für normale Bürger selten möglich, für sie aber Berufsalltag und Leidenschaft ist: einmal oben im Drehleiterkorb zu stehen. „Wir haben beide 24-Stunden-Schichten, danach einen Tag frei, den können wir für die Vermarktung der Leiter nutzen“, so Schmitz.
Zu Bränden dürfen sie nicht ausrücken
Nur, was sie grundsätzlich den Kunden, ob Hausbesitzer, Kommunen oder Firmen, für ihre Dienste in Rechnung stellen sollen, ist bisher ungeklärt. Man könne ja nicht den Meter gereinigter Regenrinne abrechnen, sagt Müller. Also werde im Einzelfall im Gespräch mit dem Auftraggeber entschieden. Vorbilder auf diesem semiprofessionellen Drehleiterdienstleistungsmarkt jenseits des professionellen Kranverleihs gibt es eben keine.
Würden sie ihre Leiter für ihre eigene Löschgruppe nutzen wollen, müssten sie erst einen Antrag bei der Bezirksregierung stellen und weitere regelmäßige Sonderprüfungen für Gerät und Betreiber absolvieren. Das wollen sie erst einmal nicht. Brennt es in Dollendorf oder in der Gegend, muss eine reguläre Drehleiter der Feuerwehr ran. Die kommt wie bisher aus Jünkerath, Schleiden oder Mechernich. Die aus Dollendorf bleibt in der Garage.