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„Lernfördernd“Tiergestützte Pädagogik an der Gesamtschule Blankenheim ist ein voller Erfolg

Lesezeit 5 Minuten
Kinder, die im Kreis in einer Hütte sitzen, halten Meerschweinchen auf den Armen.

Tiere machen Schule: An der Gesamtschule Eifel gibt es am Standort Blankenheim ein offenes Klassenzimmer.

Laut Lehrerin Iris Lange geht es nicht nur ums Schmusen. Es geht vielmehr auch um den liebevollen Umgang mit den Tieren.

Cindy, Grace, Lulu, Lotta und Cookie sind Musterschüler. Sie sind bereits im Klassenzimmer und warten aufgeregt auf Lehrerin Iris Lange. Noch größer ist allerdings die Sehnsucht nach den Schülerinnen und Schülern der Gesamtschule Eifel in Blankenheim.

Cindy, Grace, Lulu, Lotta und Cookie sind nämlich keine echten Schüler, sondern Kaninchen. Sie gehören zum festen Bestandteil der Gesamtschule und sind aus dem Alltag der Schüler nicht mehr wegzudenken – genau wie Mathematik, Deutsch und Fremdsprachen.

Zwei Jungen streicheln einen Hasen, den einer der Kinder auf dem Arm hat.

An der Gesamtschule Eifel haben mehr als 20 Meerschweinchen und mehrere Kaninchen ihr Zuhause.

Ob die Kinder lieber mit Cookie und Lotta schmusen, als eine Kurvendiskussion zu führen – diese Frage stellt sich auch in Blankenheim nicht wirklich. Doch es geht laut Lehrerin Iris Lange nicht nur ums Schmusen. Es geht vielmehr auch um den liebevollen Umgang mit den Tieren. Und das ist keine einseitige Angelegenheit: Die Schüler profitieren, indem sie unter anderem ihre sozialen Kompetenzen verbessern oder ihr Selbstbewusstsein stärken.

Gesamtschule Eifel erhielt 70.000 Euro aus EU-Programm

Aus einem EU-Programm hat die Gesamtschule Eifel aufgrund ihres Engagements 70.000 Euro für die tiergestützte Pädagogik erhalten. „Wir sind neben einer Förderschule die einzige weiterführende Schule im Kreis Euskirchen, an der die tiergestützte Pädagogik angewendet wird“, berichtet Schulleiterin Eva Balduin.

Deshalb gehören auch zwei Hunde, zahlreiche weitere Kaninchen und mittlerweile mehr als 20 Meerschweinchen zum Personal der Gesamtschule – Tendenz steigend. „Zwei Meerschweinchen sind schwanger“, berichtet Schülerin Lea stolz. Und als der Reporter Lehrerin Lange auf die Hasen anspricht, wird dieser streng, aber freundlich korrigiert. „Das sind doch keine Hasen. Das sind Kaninchen. Hasen haben längere Ohren als Kaninchen“, ruft ein Schüler aus dem Hintergrund.

Schulgarten wurde in Streichelzoo verwandelt

Während es an einigen Schulen ein grünes Klassenzimmer gibt, verfügt die Gesamtschule in Blankenheim über ein offenes Klassenzimmer: ein etwa 30 Quadratmeter großes überdachtes Freigehege, das hinter der Schule am Waldrand liegt.

Ein Mädchen mit Brille und Armbanduhr füttert ein Meerschweinchen, das in ihrer offenen Sweatshirtjacke Platz findet.

Die Kinder kümmern sich sorgfältig um die Tiere.

Während der Bauarbeiten packten auch immer wieder Eltern mit an und verwandelten den ehemaligen Schulgarten in einen kleinen Streichelzoo, der so viel mehr ist: nämlich auch Zufluchtsort mit therapeutischer Wirkung und Seelenpflaster. „Wenn ich mal eine schlechte Note geschrieben habe, besuche ich die Kaninchen“, sagt ein Schüler. Auch beim Stress im Elternhaus werden nach Angaben der Schulleitung die Tiere immer wieder aufgesucht.

Lehrerin Lange lernt seit zehn Jahren einige Schüler hier ganz anders kennen als im normalen Klassenverbund. „Kinder, die in der Klasse eher auffällig sind, verhalten sich hier anders, für sich geborgen und vermitteln den Tieren Geborgenheit“, sagt die Pädagogin. Temperamentvolle Kinder, die nicht so zärtlich seien, würden im Kontakt mit den Kaninchen ganz neue Seiten ihrer Persönlichkeit kennenlernen.

Durch die Tiere und das Konzept, kann ich mir nicht vorstellen, irgendwo anders zu arbeiten.
Tanja Tschernoster, Lehrerin in Blankenheim

Doch mit Meerschweinchen und Kaninchen ist die Eifeler Tierwelt nicht komplett. Zudem kommen nämlich noch Pferde und Ponys von einem Reiterhof und aus der Elternschaft zum Einsatz. Und vor allem Schulhunde. Die werden teilweise sogar zur Leseförderung eingesetzt – nein, die Hunde lesen den Schülern nicht vor, aber sie sind tierisch gute Zuhörer.

„Kinder, die Hemmungen haben, vor einer großen Klasse vorzulesen, lassen diese fallen, wenn Skully seine Ohren spitzt. Er schläft nicht ein, sondern freut sich. So verbinden die Schülerinnen und Schüler das Lesen mit etwas Positivem“, sagt Besitzerin und Sonderpädagogin Regina Kappenstein, die vor allem in kleinen Gruppen mit Schülern arbeitet und dabei Skully als positiven Verstärker nutzt. Kollegin Tanja Tschernoster sagt: „Das ist unheimlich lernfördernd. Durch die Tiere und das Konzept, kann ich mir nicht vorstellen, irgendwo anders zu arbeiten.“

Ein Mädchen legt einem Hund ein Halsband an.

Auch Schulhunde kommen an der Gesamtschule zum Einsatz.

Ein eingespieltes Team an der Gesamtschule sind auch Schülerin Jana und Collie Emmie. Gefühlt jede große Pause verbringen die Siebtklässlerin und ihre tierische Freundin miteinander. „Ich mache mit ihr beispielsweise Tricks und gehe eine Runde mit ihr spazieren“, sagt Jana. Einfach Pfote zu geben, ist dem Duo zur Begrüßung zu einfach – Emmy kann nämlich Ghetto-Pfote, die Tierversion der Ghetto-Faust, geben.

Familie „beschwert“ sich

Maximal fünf Kinder kümmern sich pro Pause um Emmie, die Schulleiterin Balduin gehört. Sie sei erst recht spät auf den Hund gekommen – zum Ärger ihrer Kinder. „Sie haben sich beschwert, dass ich erst einen Hund geholt habe, als sie aus dem Haus waren“, sagt Balduin schmunzelnd. Die tiergestützte Pädagogik habe zu Beginn auch schon mal für Stirnrunzeln bei dem einen oder anderen Kollegen hervorgerufen.

Mittlerweile seien aber längst alle Kollegen und vor allem die Eltern vollends von dem Langzeitprojekt überzeugt. So überzeugt, dass vor Corona sogar ein Konzept für ein Lehrerausbildungszentrum für tiergestützte Pädagogik an der Gesamtschule in Blankenheim angedacht war. Dann kam die Pandemie und die Pläne landeten in der Schublade. Ganz verworfen sei das Thema aber noch nicht, sagt Schulleiterin Balduin.


Emmy, Lucky und Insekten

Auch an der Grundschule in Kall werden Tiere regelmäßig in den Unterricht eingebunden – genauer gesagt die Hunde Emma und Lucky. Mit Kunststücken und Clownereien bringt Emma die Schulgemeinschaft oft zum Lachen, sagt Katrin Hilgert, Lehrerin und Besitzerin des ausbildeten Schul- und Therapiehunds. Emma ist dabei seit sie Welpe berichtet Hilgert: „Die Kinder übertragen viele ihrer Gefühle auf das Tier.“

Alle Kinder der Grundschule werden grundsätzlich auf den Umgang mit den Hunden in der „Hundestunde“ vorbereitet. Dort lernen sie die Hunde kennen. Und die Regeln im Umgang mit ihnen. „Die Hundestunde ist ein Highlight für alle. Wegen den Folgen der Flut können wir sie allerdings nur eingeschränkt umsetzen“, sagt Leiterin Marianne Rütt.

Wie an der Gesamtschule Eifel in Blankenheim, berichten auch die Beteiligten in Kall dennoch vom „durchweg positiven Effekt“, den die Tiere auf die Kinder haben – beispielsweise im Bereich der Psyche, der sozialen Entwicklung und Konzentration.

Am Gymnasium am Turmhof in Mechernich (GAT) sind die Tiere teilweise deutlich kleiner. Dort gibt es die Tierforscher-AG unter der Leitung von Biologielehrer Andreas Maikranz. Die Schüler von der fünften Klasse bis in die Oberstufe beobachten immer freitags aber nicht nur Insekten, sondern kümmern sich auch um die Fische im Flur der Schulverwaltung. Und die Schildkröten, die am GAT ihr eigenes kleines Reich haben.

Die Serie

Sind Schulen im Kreis Euskirchen eine Problemzone oder ein Wohlfühlort? Welche Herausforderungen gilt es für sie derzeit zu meistern, und wie steht es um die Digitalisierung an den Schulen? Und was ist eigentlich ein Bündelungsgymnasium? Sind Hauptschulen nötig? Fragen, die die Redaktion in mehreren Teilen beantwortet und dabei einen größeren Blick übers Vokabelheft hinaus wirft.