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ReanimationHerz eines 24-Jährigen versagt plötzlich – Mutter und Nachbarin retten ihn

Lesezeit 5 Minuten

Dem 24-jährigen Jan Strick geht es wieder gut – trotz eines erlittenen Herzstillstands. Christine Strick (l.) und Nachbarin Daniela Kratz (2.v.l.) reanimierten ihn, als Freundin Michela Moranelli (r.) bemerkt hatte, dass ihr Freund nicht mehr normal atmete.

Kreis Euskirchen – Es ist mitten in der Nacht. Das Blaulicht des Rettungsdienstes blitzt durchs Dunkel der beschaulichen Wohnsiedlung. Drinnen im Haus kämpfen der Arzt und sein Team um das Leben von Jan Strick.

Sein Herz hat aufgehört im Takt zu schlagen. Geahnt hat das niemand. Mit 24 Jahren rechnet man nicht mit einem plötzlichen Herztod. Dass der Bürvenicher noch lebt, verdankt er auch der beherzten Reanimation durch Laien.

„Er hechelte komisch“, erinnert sich seine Freundin Michela Moranelli an diese Nacht. Sie ist nur zufällig aufwacht. Da stimmt was nicht, wird ihr schnell klar. Als sie ihren Freund schüttelt, kommt keine Reaktion.

Blau angelaufen

Die herbeigerufene Mutter Christine Strick wundert sich noch: „Ich hab gedacht, er macht Blödsinn und stellt sich nur so.“ Jan selbst bekommt schon lange nicht mehr mit, wie ernst die Situation ist.

Der 24-Jährige läuft blau an. Sein Puls ist nicht zu tasten. Dafür pocht er allen anderen bis zum Hals. Die Mutter beginnt mit der Herzdruckmassage. Die herbeigerufene Nachbarin hilft. Sie kennt Jan Strick schon „seit dem Windelalter“. Dass sie ihn mal reanimieren muss, damit habe sie nicht gerechnet.

Lucas

Mit einem zweiten RTW wurde „Lucas“ an den Einsatzort in Bürvenich gebracht. Das Gerät, das in einen Rucksack passt, ist eine mechanische Reanimationshilfe. Sie wird auf den Brustkorb des Patienten geschnallt und führt dann die Kompression des Thorax selbstständig durch. Stationiert ist das Gerät in der Rettungswache Mechernich. Lucas kommt in speziellen Fällen zum Einsatz, sagt Martin Fehrmann, Leiter der Rettungsleitstelle: „Es gibt Situationen, da kann er sinnvoll sein.“

So zum Beispiel wenn ein Patient mit einer Drehleiter aus den oberen Etagen eines Hauses transportiert werden müsse. Während der Patient festgeschnallt und vorsichtig heruntergefahren wird, kann mit Lucas weiter reanimiert werden. Im Fall des Bürvenichers Jan Strick wurde das Gerät eingesetzt, um ihn während der Fahrt zu reanimieren. (kir)

Daniela Kratz ist Intensivpflegefachkraft in Euskirchen. Sie zögert nicht lange. Eine Reanimation kann sein Leben retten. Sie drückt beherzt im Rhythmus auf den Brustkorb. Mindestens 100 Mal pro Minute. Die Mutter übernimmt die Mund-zu-Mund-Beatmung, um ihrem Sohn Sauerstoff „einzuflößen“. Die beiden halten durch, bis der Rettungsdienst eintrifft.

„Eine sofort eingeleitete Herzdruckmassage steigert die Überlebensrate dramatisch“, sagt der behandelnde Notarzt Marcus Münch. Mit jeder Minute, die verstreiche, sinke die Überlebenswahrscheinlichkeit um zehn Prozent. Nach nur zehn Minuten sei sie nahezu Null.

Wer wartet, bis der Rettungswagen eintrifft, verschenkt wertvolle Zeit. Hört das Herz auf zu schlagen, liegt die lebensrettende Hilfe in den Händen der Umstehenden. Sie werden zu einem wichtigen Teil der Rettungskette.

Dass – wie in Bürvenich – jemand sofort reanimiere, sei selten, sagt Prof. Dr. Carsten Zobel, Chefarzt der Kardiologie im Marienhospital Euskirchen, wo Jan Strick weiter behandelt wird. Leider gebe es viele Menschen, die sich Wiederbelebungsmaßnahmen nicht zutrauten.

Angst vor Fehlern

Die Angst, Fehler zu machen, spiele oft eine große Rolle. „Sie können nichts falsch machen. Die Herzdruckmassage ist eine der einfachsten medizinischen Maßnahmen. Auf die Mitte des Brustkorbs feste drücken – das bekommt jeder hin“, macht der Kardiologe Mut.

In Skandinavien sei die Reanimationsbereitschaft bei den Bürgern erstaunlich hoch. Deutschland weise dagegen eine extrem niedrige Quote auf. „Manche Umstehenden packen heute lieber ihr Handy aus und filmen, anstatt zu reanimieren“, so Zobel. Der Kardiologe rät, schon Kinder ab der 7. Klasse an die Reanimation heranzuführen, um Hemmschwellen erst gar nicht aufkommen zu lassen. Sicher ist, es kann jedem passieren, jederzeit und überall. Das Tückische: Der plötzliche Herzstillstand tritt oft ohne Vorwarnung ein.

Infos zur Herzdruckmassage

Wer die Herzdruckmassage üben möchte, kann das beim Mechernicher Seminar: „Plötzlicher Herztod“, am Mittwoch, 20. September, ab 16.30 Uhr, im St. Elisabeth-Saal, Krankenhaus Mechernich.

In kleinen Gruppen von etwa 10 Personen kann man die Basis-Reanimations-Maßnahmen unter fachlicher Anleitung üben. Die erste Gruppe findet statt von 16.30 bis 17.30 Uhr und 17.45 bis 18.45 Uhr. Um Anmeldung wird gebeten unter 0 24 43/17-11 96.

Im Euskirchener Marienhospital werden am Samstag, 18. November, von 14-17 Uhr, Vorträge gehalten zum Thema „Das schwache Herz“ in Zusammenarbeit mit der Deutschen Herzstiftung. Zum Rahmenprogramm gehören die Messung von Blutdruck oder Cholesterin und Wiederbelebungsmaßnahmen. (kir)

Auch Jan Strick fühlt sich an diesem Tag nicht anders als sonst. Es gibt keine Signale, die ihn warnen. „Im Prinzip war alles wie immer“, sagt er. Ein bisschen Fitness-Training, mit den Liebsten gemeinsam am Tisch essen und Fernsehen schauen. Er lebt gesund, raucht nicht, trinkt nicht.

Engelbert Strick, der Vater des Geretteten, erlebt nur wenige Tage nach dem Schock mit seinem Sohn ein weiteres Drama. Ein dreijähriger Junge muss im Firmenicher Schwimmbad aus dem Wasser gezogen und wiederbelebt werden. „Jetzt reicht es“, beschließt er. Mit seiner Familie organisiert er eine eigene Reanimationsschulung im Sportheim, die ihnen kostenfrei zur Verfügung gestellt wird. 25 Teilnehmer – Familienmitglieder, Freunde und Mitbürger aus dem Ort – nehmen die Chance wahr, die Herzdruckmassage unter fachkundiger Anleitung zu üben.

Wenn auch rückblickend alles glücklich verlaufen ist – die Familie muss nach dieser Nacht noch lange zittern. Zehn Tage lang liegt Jan Strick im Koma. Niemand kann sagen, ob sein Gehirn geschädigt sein wird.

110 Minuten lang ist er in der Nacht reanimiert worden. Am Ende glauben alle an ein Wunder. Der 24-Jährige ist schon fast wieder ganz der Alte. Mit Spazierengehen, E-Biken-Fahren und gemächlichem Jogging macht er sich wieder fit.

Ursache unklar

Weshalb Jan Stricks Herz versagte, ist trotz vieler Untersuchungen nicht eindeutig herausgefunden worden. Jetzt trägt er einen Defibrillator, der ihm implantiert wurde. Schlägt sein Herz unregelmäßig, bringt das Gerät es mit Impulsen wieder in den richtigen Rhythmus und schlägt mit einem Pfeifton Alarm. „Als ich den ersten Tag zu Hause war, piepste es mitten in der Nacht. Ich dachte, das darf doch nicht wahr sein. Doch es war zum Glück nur unser Rauchmelder, der sich wegen einer leeren Batterie meldete“, kann Strick schon wieder schmunzeln.