TätigkeitsverbotUngeimpfte Pflegekraft klagt erfolgreich gegen den Kreis Euskirchen
Kreis Euskirchen/Aachen – Sechs Jahre hatte eine Frau aus dem Kreis Euskirchen als Pflegeassistentin in einem Seniorenpflegeheim gearbeitet – bis das Gesundheitsamt mit Schreiben vom 1. August 2022 und nach Anhörung ihres Arbeitgebers ein Tätigkeits- und Betretungsverbot gegen sie verhängte. Dagegen ging die 42-Jährige jetzt mit Erfolg juristisch vor.
Der Kreis hatte den Bescheid damit begründet, dass das Heim die Assistentin beim Gesundheitsamt gemeldet habe, weil sie weder einen Impf- oder einen Genesenennachweis vorgelegt habe noch ein ärztliches Zeugnis darüber, dass sie wegen einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus geimpft werden könne. Zu einem entsprechenden Anhörungsschreiben der Behörde vom 23. Juni, so hieß es weiter, habe sie keine Stellungnahme abgegeben. Die Verbote seien erforderlich, um vulnerable Personen im Heim zu schützen.
Bescheid des Kreises Euskirchen war rechtswidrig
Die Pflegeassistentin und ihre Rechtsanwältin Tanja Hennigfeld-Lafrentz reichten am 29. August beim Verwaltungsgericht Aachen Klage gegen den Bescheid ein. Jetzt hob die 7. Kammer des Gerichts den Bescheid als rechtswidrig auf. Der Vorsitzende Dr. Frank Schafranek sagte, der Kreis habe die Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes trotz eindeutiger Sach- und Rechtslage nicht befolgt.
Das Seniorenheim, in dem die Klägerin arbeitete, ist im Kreis Euskirchen ansässig. Wie Hennigfeld-Lafrentz vor Gericht erklärte, hatte die Einrichtung im Rahmen der Anhörung durch den Kreis vor der Verhängung des Betretungs- und Tätigkeitsverbotes sinngemäß mitgeteilt, auf die Mitarbeiterin verzichten zu können. Zeitgleich jedoch habe das Heim per Stellenausschreibung Pflegeassistentinnen und -assistenten gesucht.
Amtliches Schreiben laut Anwältin verschollen
Das Schreiben, das der Kreis laut Verwaltungsakte am 23. Juni an die Pflegeassistentin schickte, war bei ihr nach Angaben der Anwältin nicht angekommen. Darin teilte das Gesundheitsamt der Frau mit, dass sie bis dato keinen Immunitätsausweis und keine Impfunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt habe, sodass man beabsichtige, ein Betretungs- und Tätigkeitsverbot zu verhängen. Man gab ihr die Gelegenheit, sich bis zum 11. Juli zu der Angelegenheit zu äußern.
Die Anwältin erklärte, der Bescheid wäre selbst dann rechtswidrig gewesen, wenn ihre Mandantin das Schreiben erhalten, aber nicht darauf reagiert hätte. Denn der Kreis habe es zunächst versäumt, die Klägerin unter Fristsetzung aufzufordern, besagte Nachweise vorzulegen.
Weniger strenge Maßnahmen nicht geprüft
Im Rahmen der Anhörung, so Hennigfeld-Lafrentz, hätte die Behörde dann darlegen müssen, auf Basis welcher Erkenntnisse sie die Voraussetzung für die Verhängung eines Betretungs- und Tätigkeitsverbotes als gegeben ansehe. Paragraf 20 a des Infektionsschutzgesetzes, auf den der Kreis sich stütze, enthalte „Kann“-Bestimmungen, sei also eine Ermessensvorschrift. Die Behörde müsse daher zwingend prüfen, ob es ein milderes Mittel gebe, um dem Gesetzesziel, dem Schutz der vulnerablen Personen, gerecht zu werden.
Der Verbleib des amtlichen Schreibens blieb ungeklärt. Ein Vertreter des Kreises sagte: „Wenn Post nicht zu uns zurückkommt, gehen wir davon aus, dass sie wie vorgesehen in den Briefkasten geworfen worden ist.“ Sein Kollege ergänzte: „Erhalten wir eine Rückmeldung, treten wir in einen Dialog ein. Bleibt die Rückmeldung aus, erlassen wir einen Bescheid.“
Kreis Euskirchen hätte nicht nach Aktenlage entscheiden dürfen
Mit der Methode, nach Aktenlage zu entscheiden, habe das Gesundheitsamt es sich „zu einfach gemacht“, schrieb eine Richterin den Kreisvertretern ins Stammbuch. Dies war nicht der einzige Fehler, den die Behörde sich anlasten lassen musste. Kurioserweise war es der Kreis selbst gewesen, der der Pflegerin einen Alternativvorschlag unterbreitete, und das zwei Wochen nach deren Klageerhebung. Am 13. September bot er ihr an, auf die Durchsetzung des angedrohten Verbots zu verzichten, wenn sie Basisschutzmaßnahmen gegen das Coronavirus ergreife: das Tragen einer FFP-2-Maske im Dienst und tägliche Selbsttestungen.
Der Kreis, so die Kammer, habe damit eingeräumt, dass er Mittel für ausreichend halte, die weniger einschneidend seien als ein Tätigkeitsverbot. Daraus ergebe sich die Frage, warum er die milderen Schritte – Maske und Tests – nicht zuerst in Betracht gezogen habe. Das Amt habe seinen Ermessensspielraum nicht genutzt und sich allein auf die Meldung des Heims über fehlende Nachweise berufen, anstatt Prüfungen vorzunehmen.
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Wie Hennigfeld-Lafrentz erklärte, hat das Heim ihrer Mandantin seit August kein Gehalt mehr gezahlt. Die Pflegeassistentin habe die Angabe des Arbeitgebers, dass sie entbehrlich sei, zum Anlass genommen, das Arbeitsverhältnis zu kündigen.