Das Transient-Impulsfestival bescherte den Besuchern im Haus für Lehrerfortbildung in Kronenburg ein sehr spezielles Musikerlebnis.
Der Klang von Kunst und NaturMusikgenuss wird in Kronenburg zur Grenzerfahrung
„Nada Brahma – Die Welt ist Klang“, konstatierte einst der Musikjournalist Joachim Ernst Berendt. Und jeden Sonntagmorgen bringt der britische Radiosender BBC 3 in seinen „Sounds of Nature“ (Naturklänge) Aufnahmen natürlicher Geräusche in Beziehung mit klassischer Musik. In dieser Tradition ist in diesem Jahr das „Transient-Impulsfestival“ unterwegs, das unter dem Motto „…lebendig: Natur und Musik“ die Korrespondenzen zwischen den Klängen der Natur und Musik neu auslotet.
Zwei Abende bot das Ensemble des Festivals dem Publikum am Osterwochenende die Gelegenheit, das komplexe Geschehen, das die Initiatoren entwickelt hatten, im Haus für Lehrerfortbildung in Kronenburg live zu erleben. Dabei hatten Professor Jeremias Schwarzer, der die künstlerische Leitung hatte, sowie Folkert Uhde und Ilka Seifert, die für das Konzertdesign verantwortlich zeichneten, derart viele Bezüge geschaffen, dass der Kunstgenuss mitunter unter den verschiedenen Bedeutungsebenen zu ersticken drohte.
In Kronenburg gab es ständig neue visuelle Kontexte und Hörerlebnisse
In seinem Kern ist das Transient-Festival ein Konzert für Neue Musik, die in einer Performance in oder in Bezug zu einer Kunst- oder Videoinstallation gespielt wird. Ein reizvoller Ansatz, da Neue Musik, die, wie in Kronenburg, über zweieinhalb Stunden ohne Pause geboten wird, auch für erfahrene Konzertgänger zur Grenzerfahrung werden kann.
Doch da die Musik an vier verschiedenen Orten dargeboten wurde, gab es immer wieder neue visuelle Kontexte und Hörerlebnisse, immer wieder Bewegung und auch die Gelegenheit, kurz einmal auszusteigen und einen Moment die Ruhe zu genießen.
Es hatte etwas von einer geführten Wanderung, wie das Publikum vom Innenhof der Anlage, wo Maxine Troglauer mit der Bassposaune und dem Stück „Tammuz“ von Daniel Schnyder das Konzert eröffnete, in die aus Weidenstäben und anderen Materialen gebauten Installation „Im Pleiadengarten“ von Robert Eugler gingen, wo Nerus Estarellas Calderón am Klavier das „Konzert für einen neuen Wald“ von Thibault Bru und Guillaume Barth spielte.
Von dort ging es in die Videoinstallation der Dokumentarfilmerin Wiebke Pöpel, in der Schwarzer und die Percussionistin Vera Seedorf das Stück „Ryoanji“ von John Cage darboten, während sie dabei in der Projektion des Videos standen, das zeigte, wie die beiden bei einer Werkstattphase im vergangenen Herbst eben jenes Stück auf dem Kalvarienberg bei Alendorf spielten.
Hier war besonders augenfällig der Bezug zwischen Indoor und Outdoor gegeben, die Korrespondenz zwischen Natur und Musik, die sich selten so markant in die Konzertsäle der Welt fortsetzt.
Ähnlich auch bei „Maknongan“ von Giacinto Scelsi, das von Troglauer aus dem Innenhof des Lehrerbildungshauses heraus in den großen Galeriesaal hinein gespielt wurde, der von der Installation „Directions of Consciousness“ von Chiharu Shiota beherrscht wurde.
Sie hatte ein viele Quadratmeter großes, aus tausenden Fäden gesponnenen und an ein Fischernetz erinnerndes Geflecht, das von der Decke herab den Luftraum über den Musikern und dem Publikum ausfüllte. Lange, dunkle Fäden hingen bis auf den Boden, wo ein Hügel aus Gras die Verbindung zwischen Himmel und Erde symbolisierte.
In dieser Installation führten die Musiker auch „Chamollot“ von Samier Odeh-Tamimi auf, in dem der palästinensische Komponist die Gedichte von Selma Merbaum-Eisinger vertont hatte, die 1942 in einem Zwangsarbeiterlager der SS starb. „Mir war es wichtig, dieses Stück in Kronenburg zu spielen, in einem Haus, das für Nazikunst gebaut worden ist“, sagte Schwarzer.
Von Raum zu Raum, von Konzert zu Konzert zog der Tross der Zuhörer, immer begleitet von dem Plätschern der Klanginstallation von Vincent Stange, die omnipräsent das Geräusch von Wasser in die Räume brachte. Immer wieder sortierten sich die Musiker des Ensembles zu anderen Formationen, bis sie sich schließlich im Kreis unter der Installation von Shiota zu einer kollektiven Improvisation zusammenfanden.
Zuhörer trauten sich in Kronenburg kaum zu applaudieren
Ernst, meditativ und getragen war die Stimmung, schweigend, höchstens einmal flüsternd gingen die Menschen dann zum nächsten Aufführungsort und bemühten sich dabei, leise über die knarzenden Dielen zu schweben. So heilig wirkte alles, dass die Zuhörer sich nicht einmal trauten, den Musikern nach ihren ausgezeichneten Darbietungen zu applaudieren, was ansonsten im Konzertsaal nur zwischen den einzelnen Sätzen eines Stückes Usus ist, wo ein herzlich aufkeimender Applaus sofort mit fürchterlichen Grimassen zum Schweigen gebracht wird.
So durften die Freunde neuer Musik gespannt auf den Outdoor-Teil des Festivals sein, wenn die Stücke in der freien Natur dargeboten werden, wo der Wind die Töne verweht, und die Vögel, Kühe und Insekten lustig in den Vortrag mit einstimmen. Ein spannender Kontrast zu Kronenburg, denn schließlich gehört Lachen, Lärm und Lebensfreude genauso zur Kunst wie das meditative Schweigen.