Mit einem Kindergarten auf einem Bauernhof geht die Gemeinde Dahlem neue Wege. Vor der Inbetriebnahme waren aber viele Hürden zu nehmen.
Kita mit 100 KühenGemeinde Dahlem hat Kindergarten auf einem Bauernhof in Betrieb genommen
Mit knapp zweijähriger Verspätung ist der erste „Bauernhof-Naturkindergarten“ im Kreis Euskirchen auf dem Hof der Landwirtsfamilie van Kann bei Dahlem an den Start gegangen. Derzeit zehn Kinder zwischen zwei und sechs Jahren lernen unter Anleitung eines sechsköpfigen Betreuerinnenteams spielend das Leben auf dem Bauernhof und viel Natur drumherum kennen.
Ein Kälbchen braucht auch mal frisches Wasser, im Stall muss gefegt werden, und ab und an bekommen selbst niedliche junge schwarzbunte Rindviecher die Klauen geschnitten. Zehn Kinder aus dem Gemeindegebiet Dahlem wissen mittlerweile, dass auch das zum Leben auf einem Bauernhof dazugehört.
Nicht aus einem einmaligen Besuch im Stall, sondern aus den 35 Wochenstunden in dem „Bauernhof-Naturkindergarten“, der auf dem Hof von Michael und Verena van Kann am 1. August seinen Betrieb aufgenommen hat.
Der alte Melkstall wurde umgebaut zum Domizil für die Kinder
Es war allerdings keine leichte Geburt, bis es so weit war und sich Theresa Neubusch und ihre vier Kolleginnen sowie Verena van Kann – sie ist selbst Erzieherin und im Team dabei – an die Betreuungsarbeit machen konnten. Was nicht unbedingt an den nötigen Umbaumaßnahmen im ehemaligen Melkstall auf dem Bauernhof an der Gemarkung Fuchskaul oberhalb von Dahlem lag.
Dort wurde nicht mehr benötigtes Melkgerät abtransportiert, ausgediente Boxenmauern und Gitter abgebaut, und auf rund 100 Quadratmetern alles für einen schönen neuen Gruppenraum und einen Ruheraum unter dem Schrägdach vorbereitet. Dazu kamen den Anforderungen der Landesunfallkasse entsprechende kindgerechte Sanitäranlagen, ein Büroraum und eine kleine Küchenecke.
Die Probleme beim Bezug des nach Abzug der üblichen Pauschalen am Ende rund 100 000 Euro teuren Kindergartens im alten Stall – Träger ist die Gemeinde Dahlem, die den van Kanns eine Miete für die Nutzung zahlt – lagen vor allem im notwendigen vorgeschalteten Genehmigungsverfahren.
So hatte Straßen NRW als Träger öffentlicher Belange das Fehlen einer Linksabbiegespur von der am Bauernhof vorbeiführenden Landstraße auf den Hof und dort nötige Parkplätze sowie eine separate Zufahrt zum geplanten neuen Kindergarten angemahnt. Es fehle an der Stelle auf der L 110 zudem ein Tempolimit. CDU-Ratsherr Werner Lorse aber fand den Fehler: „Straßen NRW hat seinen Einspruch nach drei Monaten abgegeben, einen Monat zu spät. Dadurch war er unwirksam, das hat uns die Landesregierung bestätigt“, so Lorse.
Eltern mussten zwei Jahre lang vertröstet werden
Und dann kam Corona – und der Mangel an Handwerkern und Baustoffen. Der hat beim neuen Kindergarten zu absurden Dingen geführt: „Wir haben damals in unserer Not die Fenster sogar bei einem Unternehmen in Thüringen bestellt. Die lieferten aber nicht. Schließlich fanden wir einen Anbieter aus Rheinland-Pfalz“, so Bürgermeister Jan Lembach.
Die Folge des ganzen Hin und Her: Eltern, die ihre Kinder schon längst für das Experiment auf dem Bauernhof angemeldet hatten, mussten zwei Jahre lang vertröstet werden. Heute ist vor dem Bauernhof ein Tempolimit verhängt (Tempo 70), und auf dem Bauernhof selbst wurden Parkplätze angelegt, auch ein Behindertenparkplatz. Die Linksabbiegespur auf der L 110 wurde nicht gebaut.
Ein Experiment ist das Ganze dabei natürlich nicht im Hinblick auf die Qualifizierung des sechsköpfigen Betreuerinnenteams aus Erzieherinnen, Heilpädagogin und anderen Fachkräften. Verena van Kann hat sogar ihre Bachelorarbeit zu alternativen Kindergartenkonzepten geschrieben. „Ein Experiment war es für die Gemeinde als Träger, weil uns schlicht für diese Form des Kindergartens die Vorbilder fehlten“, so Bürgermeister Lembach.
Zwischenzeitlich wurde zwar ein dem Bauernhofkindergarten ähnliches Konzept auf Haus Bollheim bei Zülpich verwirklicht, und es gibt viel Fachliteratur seitens der verschiedenen Trägervereine für neue Kita-Modelle – doch der Kindergarten auf dem Bauernhof ist etwas Besonderes.
Dort bieten Michael und Verena van Kann an, was andernorts so nicht zu finden ist. Zum Hofbesitz gehören ja nicht nur die verschiedenen Ställe oder die kleinen Aufzuchtboxen für die Jungtiere unter den 100 Stück Milchvieh samt Nachzucht. Dazu kommt die Grünlandbewirtschaftung.
Michael van Kann fährt mit dem Bulldog über seine Äcker. Unweit gibt es zudem ein kleines Waldstück, in dem sich die Kinder schon ein Tipi für den nächsten Sommer angelegt haben. Dort plätschert auch der Luttersbach durchs Gelände, an dem sich natürlich wunderbar spielen lässt.
„Im kommenden Frühjahr werden wir auch Gemüse in Hochbeeten am Rand des Spielplatzes anbauen“, so Verena van Kann. Trotz der langen Verzögerungen ist sie vom Kindergartenprojekt auf ihrem Hof überzeugt: „Ich finde es gut, einmal eine andere Kindergartenform als die bekannte anzubieten.“
Die kleinen Pioniere – bezogen darauf, dass sie die erste Gruppe vor Ort sind – tummeln sich unterdessen gut behütet auf dem Gelände. „Nein, die stören den Ablauf auf dem Hof nicht. Wir besprechen täglich, worauf die Kinder achten müssen, wann sie in welche Hofbereiche dürfen, oder in welche an diesem Tag eher nicht“, so van Kann.
Täglich geht es für die Kinder an die Stiefelwaschanlage
Eines allerdings gilt jeden Tag: Die Stiefelwaschanlage wird benutzt. Denn blitzsauber bleiben die Kinder, die das liebe Vieh und ganz viel Natur kennenlernen, garantiert nie.
Derzeit sind es zehn, ab dem kommenden Jahr werden es 18 sein. Bei 20 liegt die Zulassungsgrenze. Bei schönem Wetter wird es 2024 auch einen „Tag der offenen Tür“ auf dem neuen Bauernhof-Naturkindergarten der Gemeinde Dahlem geben.