Der Flohmarkt in Kronenburg besticht dadurch, was alles verkauft wird. Er setzt sich aber auch positiv dadurch ab, was nicht angeboten wird.
Besonderes FlairWarnung vor Unwetter schreckte Flohmarkt-Fans in Kronenburg nicht ab
Wer zu den 75 Ausstellern auf dem traditionsreichen Flohmarkt im idyllischen Burgort Kronenburg geht, der hält es mit Picasso. Der sagte einmal: „Ich suche nicht, ich finde!“ An die 1000 Besucher sahen das am Sonntag im Prinzip genauso. Flohmarkt, das ist eine Mischung aus Entdeckerlust, Schnäppchenjagd und einem Schuss Irrationalem.
„Es guckt einen irgendwann was an, und dann kauft man es“, sagt Michael aus Jülich am Verpflegungsstand der Landfrauen. In diesem Moment ist es die gute, stärkende Brennnesselgemüsesuppe, die ihn sichtlich zufrieden stimmt. Um ihn herum wuselt es an Findenden auf der Suche.
„Das ging schon um 9 Uhr los. So früh, weil viele wegen der Unwetterwarnung wohl auch früher wieder fahren wollen“, so Bernd Fahling. Er ist Vorstandsmitglied des den Flohmarkt seit Jahrzehnten ausrichtenden Musikvereins Kronenburg. „Ja, die Brennnesseln gehen einfach am besten“, freut sich im Hintergrund Gertrud Sieberath, Ortsvereinsvorsitzende der Rescheider Landfrauen. Auch hat sie ein paar Tipps parat: „Zehn Zentimeter die ersten jungen Triebe im frühen Frühjahr abschneiden, dann blanchieren, einfrieren. Und dann zur Suppe aufkochen.“
Auch die Schnibbelbohnensuppe sei ein Renner. Das ist in diesem Jahr so und das war in den vergangenen 24 Jahren so. Seitdem bieten die Frauen beim Flohmarkt aus der Garage am Nordtor heraus ihre kleinen, regionalen Speisen an. Daran vorbeiströmen sprichwörtlich Kind und Kegel aus dem gesamten Kreisgebiet, den rheinland-pfälzischen Nachbarkreisen Vulkaneifel und Bitburg-Prüm, aus Ostbelgien und aus Köln.
Seit 25 Jahren in Kronenburg der Hit: die Brennnesselgemüsesuppe
„Alles wie immer“, sagt Bernd Fahling. Allerdings: Mit 75 Verkaufsständen hat man sich derzeit eher beschränkt verglichen mit den bis zu 120 in Vor-Corona-Zeiten. Laut Fahling könne man bis auf 90 hochgehen, dann sei aus Platzgründen Schluss. Die Verkaufspavillons werden größer, die Stände tiefer. „Platz für einen Tapeziertisch haben wir aber immer noch“, verspricht Fahling.
„Ich würde sagen: von edel bis fast alles zu verschenken“, urteilt wenig später ein Mann unter einem leuchtend gelben Riesensombrero. Da hat offenbar gerade etwas ganz Spezielles seinen Besitzer gefunden. Zwischen Nippes aller Art, überraschend viel Kinder- und Babymode, alten Ferngläsern und Mikroskopen, Porzellanfigürchen, die garantiert weder von den berühmten Manufakturen KPM oder Meissen sind, hat Reinhard Houben, seines Zeichens wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagfraktion und auf Verwandtenbesuch in Kronenburg, seinen Kauf des Tages gemacht.
Auch politische Prominenz genoss das Stöbern an Kronenburger Burg
In „schönstem Ambiente“ mit Kopfsteinpflaster, bis zu 300 Jahre alten Häusern entlang der Gassen im Schatten der Ruine der Kronenburg, wie es alle Flohmarkt-Fans zu schätzen wissen. „Beim Geschirr wird gerne angefasst, aber kaum gekauft.“ Das hat unterdessen Ulrich Böttger, Dahlemer Grünen-Ratsherr und Anwohner am Burgbering, als einen Teil der Flohmarkt-Soziologie festgestellt. Man will ein Service „für gut“ im Schrank haben. Aber es soll vollständig und am liebsten neuwertig sein.
Neuware aber ist auf dem Flohmarkt verpönt, was viele Besucher gut finden. Keine Handy-Hüllen, keine Portemonnaies, keine Anbieter-Rufe. Dennoch, eine gesunde Skepsis ist angebracht. Das kennt auch Ingrid aus Hürth, die nach Jahren auf dem Dorf in Auw des Lebens im Alter zuliebe ihr Häuschen verkaufen und zurück ins Rheinland will. Also wird das Inventar vertingelt. Wer tingelt, der verhökert eben auch immer ein kleines Stück persönlicher Geschichte mit.
Handy-Hüllen und Portemonnaies sind beim Flohmarkt verpönt
„Die Figur hier, das wäre doch was. Damit können Sie bei Ihrer Frau nichts falsch machen, die kann auch Schmuck drum hängen“, wirbt sie bei männlicher Laufkundschaft. Die kann sich offenbar nicht so recht vorstellen, was sie meint.
Wie überall gilt auch an ihrem Stand: Es geht um den Sinn für Dinge, von denen man nicht wusste, dass man sie sinnvoll finden würde. Picasso entdeckte so mal auf einem Schrottplatz in einem alten Fahrradsattel und einer Lenkstange einen Stierkopf.
Dem Finden kann mithilfe des Gewissens auf die Sprünge geholfen werden. Man kann etwa mit einer Spende für ein Buch aus einer der Kisten des Rotary-Club Eifel-Daun ein Hilfsprojekt in der Region unterstützen. Oder man hilft Monique Kremer aus Luxemburg. Sie trödelt zugunsten ihres Vereins Katzenherz. Im Dreiländereck Deutschland-Luxemburg-Belgien sollen die Mitglieder bei Kosten für den Tierarzt oder Katzenfutter unterstützt werden.
Auf dem Kronenburger Flohmarkt flanieren die Kenner und Liebhaber des Schönen auf den Tischen und des wirklich Schönen drumherum. Das genießt auch Dorothée aus Köln und wirft einen langen Blick auf die leuchtend weiße Bügelwäsche von anno dazumal in reiner Baumwolle. Alles Handarbeit, ist sie sicher.
„Sehen Sie die Spitze und die Kreuzstiche“, sagt sie und deutet kennerhaft auf Nachthemden, Tischdecken, Bettbezüge. Und dann hat es auch bei ihr Klick gemacht: Ein weißes Nachthemd. Zu welchem Zweck? „Als Deko im Landlust-Stil vor unserer Sauna.“ Sinn ist eben, wo man ihn findet.
Für solche Feinheiten hat Monika Hahn-Heimerich am Sonntag eher wenig Zeit. Sie steuert den Shuttle-Bus im Zehn-Minuten-Takt vom Parkplatz in Kronenburgerhütte zum Burgbering und zurück. Dienstschluss sollte um 18 Uhr sein.
Doch schon um 16 Uhr setzte das angesagte Unwetter ihren Fahrten ein Ende und wurde der Flohmarkt vorzeitig geschlossen. Bis dahin aber hatte sie bei den Rückfahrten lauter Überzeugte: Die hatten das Nicht-Gesuchte gefunden. Vielleicht schon jetzt von nur noch zweifelhaftem Wert — aber zu diesem Preis...