Seit 21 Jahren BürgermeisterDer Macher verlässt das Rathaus
Euskirchen – Dr. Uwe Friedl war gerade in sein Amt als Euskirchener Bürgermeister eingeführt worden, als er schon seine Schlagfertigkeit unter Beweis stellte. Dorothee Kroll (Bündnis 90/Die Grünen) rechnete dem Stadtrat mit Blick auf die Wahlbeteiligung vor, der CDU-Mann könne sich nur auf das Votum von 24 Prozent der Gesamtbevölkerung stützen. „Wie viel Promille der Stimmen haben die denn dann bekommen?“, kommentierte Friedl das Zahlenspiel der Grünen, deren Fraktion damals mit einem Wahlergebnis von 5,6 Prozent zu einem Duo zusammengeschrumpft war. Er selbst hatte als Neuling in der Stadt gegen Amtsinhaber Kurt Kuckertz (SPD) 59,3 Prozent geholt.
An jenen Tag im Ratssaal erinnert noch heute eine Flasche, die in Friedls Büro auf der Fensterbank steht. Sie trägt als Datum den 12. September 1999, den Tag des Wahltriumphs, und war ein Geschenk des damaligen CDU-Fraktionschefs Thomas Huyeng. Er übergab Friedl zur Amtseinführung nicht nur besagte Flasche, in die er Veybachwasser abgefüllt hatte, sondern auch eine Zuckerrübe und eine Einmalwindel aus dem Hause Procter and Gamble – allesamt „typische Besonderheiten der Stadt“, wie Huyeng sagte.
Auf seinem Schreibtisch hat Friedl andere Objekte platziert, die ihm wichtig sind, darunter eine Marionette aus Charleville-Mézières, die für das renommierte Puppentheaterfestival in Euskirchens französischer Partnerstadt steht.
Man könnte auch sagen: Die Marionette passt gut zu Friedl, weil er einer ist, der gern die Fäden in der Hand hält, ein selbstbewusster Macher mit Scharfsinn und beachtlicher Auffassungsgabe, einer, der gerne Regie führt.
Im Euskirchener Rathaus ist das 21 Jahre so gewesen. Jetzt steht der Abschied des Bürgermeisters bevor, an diesem Montag leitet er zum letzten Mal eine Sitzung des Stadtrates.
In Euskirchen hat der 65-Jährige eine Ära geprägt, wobei er sich bei vielen Projekten auf einen Rat stützen konnte, in dem seine Partei, die CDU, dominierte. In seiner Amtszeit erhielten die Achse zwischen Bahnhof und Herz-Jesu-Vorplatz und der Platz am Gardebrunnen ein neues Gesicht; Parkhotel und Veybach-Center entstanden, ebenso die Kulturmeilen Kölner und Kommerner Straße, die Freizeitanlage Erftaue und der Kulturhof in der Wilhelmstraße. Auch mit der Kulturnacht – sozusagen ein Kind Friedls – kann sich die Stadt schmücken. Viele Dörfer entwickelten sich zum Positiven.
2015 kam die Therme der Firma Wund hinzu. „Das war ein Glücksfall für uns“, sagt Friedl und fügt hinzu: „Ohne Josef Wunds tödlichen Unfall stünden da jetzt vermutlich Baukräne, um an der geplanten Erweiterung zu arbeiten.“ Nun dauere es eben länger mit der Expansion.
Während der langen Planungsphase hatte Friedl immer daran geglaubt, dass das große Freizeitbad eines Tages gebaut werden würde – anders als so manche Kritiker, die unkten, Wunds Badewelt sei eine Nummer zu groß für die Stadt.
Widerstände überwinden
„Im Stadtrat habe ich die meisten meiner Ziele durchgesetzt, auch wenn es einige Male Widerstände zu überwinden galt, sowohl aus der Politik als auch aus der Bevölkerung“, resümiert der Bürgermeister und nennt als weiteres Beispiel die Umsiedlung des Stadtmuseums aus Haus Bibo und Dickem Turm an die Wilhelmstraße.
„Friedl fährt die Kultur an die Wand“, habe es öfter geheißen. Heute seien alle froh über den Kulturhof, der neben dem Museum auch die Stadtbibliothek beherbergt. Der einzige Wermutstropfen, so der Verwaltungschef: „Die erhoffte Belebung rund um diesen Standort ist bisher ausgeblieben.“
Mit welchen Enttäuschungen musste er in seiner Zeit als Stadtoberhaupt leben? Als Erstes fällt ihm die LEP-Fläche am Silberberg ein, wo Euskirchen – zunächst allein, später mit Weilerswist und dem Kreis – im Rennen um eine industrielle Großansiedlung mehrfach zweiter Sieger war. BMW, Haribo, Tesla – sie alle lobten die Bedingungen und das Engagement der beteiligten Verwaltungen, entschieden sich aber für einen anderen Standort.
Eine anspruchsvolle Aufgabe
Friedl gibt die Hoffnung aber nicht auf. Gleichzeitig weiß er, was es bedeuten würde, wenn es gelänge, ein Unternehmen mit vielen Hunderten neuen Arbeitsplätzen an Land zu ziehen: „Dann müsste die Stadt für weiteren Wohnraum und die entsprechende Infrastruktur sorgen – eine anspruchsvolle Aufgabe.“
Apropos Wohnen: Dass neu ausgewiesene Bauflächen in der Regel im Nu vergriffen sind, ist für Uwe Friedl der Beweis dafür, dass Euskirchen eine attraktive Adresse ist. Er selbst schätzt die Stadt, weil „hier alles vorhanden ist, was einen Wohnort lebenswert macht, zum Beispiel zahlreiche Kultur- und Freizeiteinrichtungen sowie Einkaufsmöglichkeiten“.
Die gute verkehrliche Anbindung an größere Städte und die Eifel als Erholungsgebiet sind für ihn weitere Argumente, in Euskirchen wohnen zu bleiben. Und überhaupt: „Aufgrund der vielen sozialen Kontakte ist Euskirchen unsere neue Heimat geworden.“
Nicht ausschließlich Erfolge
Friedl verhehlt nicht, dass in seiner Amtszeit nicht alle seine Vorhaben gelangen. Einige Stadt- und Ortsteile, allen voran Kuchenheim, leiden nach wie vor unter übermäßigem Verkehr, die City-Süd (Pendlerparkhaus inklusive) hat sich bisher nicht entwickelt wie gewünscht, wobei hier der Bau des neuen Rathauses den entscheidenden Impuls auslösen könnte. Die Arbeit des Integrationsrates lief oft unbefriedigend, das Kinder- und Jugendforum hat sich schon vor vielen Jahren aufgelöst, das Viehplätzchen-Viertel ist trotz Sanierung immer noch ein problematisches Quartier.
Um die Innenstadt zu stärken, hätte Friedl gerne einen Kaufpublikumsmagneten am Alten Markt gesehen – oder auch ein Einkaufszentrum („Klostergalerie“) anstelle des City-Forums. Die Mehrheit im Rat pochte aber auf den Erhalt der städtischen Veranstaltungsstätte, die Klostergalerie war damit vom Tisch.
„Dann ist das eben so. Das ist Demokratie“, lauten zwei typische Sätze des Bürgermeisters. Dennoch gab es auch immer wieder Momente, in denen er nachkartete, einen belehrenden Ton anschlug oder seine Widersacher stichelte, manchmal mit unüberhörbarem Genuss. Klar: Friedl war ja nie nur Verwaltungschef, sondern eben auch Politiker. Im Rat ging er keinem Konflikt aus dem Weg. „Ich bin keiner, der den Streit sucht, aber jemand, der eine Meinung hat und sie vehement vertritt. Will jemand mich vom Gegenteil überzeugen, muss er gute Argumente mitbringen.“
„ Es kann passieren, dass ich laut werde.“
Wenn sich in der Verwaltung eine Diskussion im Kreis drehe, „kann es passieren, dass ich laut werde“, sagte er einmal in einem Interview mit dieser Zeitung, als er gefragt wurde, ob er manchmal aufbrausend sei. Oft tue ihm das schon wenig später leid.
Streitgespräche fehlen auch zu Hause nicht. Die Ehefrau des Bürgermeisters, Regina Gomoll-Friedl, ist Mitglied der Grünen und unterstützte im jüngsten Wahlkampf deren Bürgermeisterkandidatin Stephanie Burkhardt. Es sei doch „nicht verwunderlich, wenn auch in einer Partnerschaft jeder eine eigene Meinung hat“, sagt CDU-Mann Friedl: „Kontroverse Diskussionen regen zum Nachdenken an und bringen neue Impulse.“
Bis Ende Oktober ist er noch im Amt. „Ich freue mich darauf, zumindest eine Zeit lang ohne Terminkalender zu leben.“ Seine Freizeit will er unter anderem mit Tennis, Wandern („Wir sind Eifelschleifen-Fans“) und seinem Enkel verbringen.
Seine Familie soll endlich mehr von ihm haben als in den zurückliegenden Jahrzehnten, in denen sie immer Verständnis dafür gehabt habe, dass der Job für ihn „weit oben stand“. Für diese Unterstützung sei er sehr dankbar.