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Altar mit Fäkalien beschmiertKirchen als Drogen-Treff missbraucht

Lesezeit 4 Minuten

Die Herz-Jesu-Kirche bleibt wie die Martinskirche und St. Matthias wegen Vandalismus und Drogenkonsum bis zum Ende der Sommerferien zeitweise geschlossen.

Euskirchen – Empört und fassungslos reagieren die Euskirchener, die vor der verschlossenen Herz-Jesu-Kirche stehen. Während eine ältere Dame nur den Kopf schüttelt, spricht ihr Mann aus, was wohl die meisten Kirchgänger am Donnerstag denken. „Das kann doch nicht wahr sein“, ärgert sich der Kreisstädter, der mit seiner Frau eigentlich eine Kerze anzünden und ein stilles Gebet sprechen wollte.

Doch die Nebeneingänge und die Glastüren hinter dem Hauptportal des Gotteshauses sind versperrt. An allen Türen prangt unübersehbar auf orange-farbenem Papier der Hinweis, dass „wegen fortgesetztem Vandalismus und Drogenkonsum“ die Kirchen geschlossen bleiben. Nicht nur die Herz-Jesu-Kirche wird nur noch während der Mess- und Gebetszeiten geöffnet, sondern auch die Martinskirche und die Kirche St. Matthias im Euskirchener Süden.

„Das wird zunächst bis zum Ende der Sommerferien der Fall sein“, berichtet Jürgen Mausolf, Verwaltungsleiter der Stadtpfarrei St. Martin, auf Anfrage. Dabei handele es sich um eine vorläufige Vorsichtsmaßnahme. „Am Ende der Ferien setzt sich der Kirchenvorstand zusammen und berät darüber, wie wir weiter vorgehen werden“, so Mausolf.

Altar wurde mit Fäkalien beschmiert

Es sei sicher, dass die Kirchen dann wieder geöffnet sein werden, da geschlossene Kirchen tote Kirchen seien: „Dennoch war der jetzige Schritt nötig, weil sich die Leute nicht mehr sicher gefühlt haben.“ In den vergangenen Wochen sei es vermehrt zu Vandalismus gekommen.

Unter anderem sei der Altar der Kirche St. Matthias mit Fäkalien beschmiert worden. „In den dunklen Ecken der Herz-Jesu-Kirche treiben sich zudem seit Jahren komische Gestalten herum“, so Mausolf. Wie der Verwaltungsleiter berichtete, stehe der Kirchenvorstand im ständigen Austausch mit den Mitarbeitern der Suchtberatung der Euskirchener Caritas.

Gewalttat in der Kirche

Aktuell sind die katholischen Kirchen in Euskirchen zeitweise geschlossen. Am 10. Oktober 2002 war die Herz-Jesu-Kirche schon einmal geschlossen gewesen. Eine 34-jährige Polizistin hatte in dem Gotteshaus eine 48-jährige zweifache Mutter aus Erp mit bloßen Händen erwürgt. Die Polizistin und ihr Opfer waren mutterseelenallein in der Kirche.

Das Obduktionsergebnis ergab damals: Die 48-Jährige starb durch „einfache körperliche Gewalt im Halsbereich“. Für die Gutachter war klar, dass die Polizistin zum Zeitpunkt der Tat schuldunfähig war. Für die Tötung konnte sie folglich nicht bestraft werden. Das Schwurgericht in Bonn lehnte auch den Antrag der Staatsanwaltschaft ab, die Polizistin in eine psychiatrische Klinik einzuweisen. (tom)

Bernhard Becker, Leiter des Caritas-Fachbereichs Sucht- und Wohnungslosenhilfe, bestätigt: „Es gibt in der Tat Klientel, das sich gerne in den Euskirchener Kirchen aufhält und auch Probleme bereitet.“ Es seien Menschen, die sich bewusst nicht helfen lassen möchten und wohl auch in Gotteshäusern Drogen konsumierten, so Becker: „Wir sprechen die Personen immer wieder an. Sie kennen unsere Angebote wie Notschlafstelle und Tagesstätte. Wir kommen aber nicht an sie heran.“

Die Zahl derer, die sich bewusst gegen professionelle Hilfe entschieden, werde immer größer. Im vergangenen Jahr seien es 25 Menschen gewesen, die aus funktionierenden Einrichtungen rausgeflogen seien. „Was mir Sorge bereitet, ist der Fakt, dass die Zahl weiter steigen wird. Für sie brauchen wir ein Konzept“, sagt der Experte.

Auch vor der Martinskirche sorgen die Hinweisschilder für Kopfschütteln. Überraschend kommen sie für eine Euskirchenerin aber nicht. „Hier an der Kirche treiben sich Junkies herum. Die tummeln sich geradezu auf dem Spielplatz am Annaturmplatz. Und die Stadt schaut tatenlos zu“, ärgert sie sich.

Evangelische Kirche bleibt geöffnet

Silke Winter, Pressesprecherin der Stadt Euskirchen, erklärt: „Die Mitarbeiter des Ordnungsamtes schauen an den Plätzen regelmäßig nach dem Rechten und zeigen Präsenz, es besteht auch Kontakt mit der Caritas.“

Zudem stehe das Ordnungsamt im regelmäßigen Austausch mit der Polizei, denn die Mitarbeiter des Ordnungsamtes können Vandalismus- oder Drogendelikte nicht selbst ahnden. Dies sei Aufgabe der Polizei. Die evangelische Kirche ist weiter geöffnet, Probleme habe es in den vergangenen Jahren aber auch dort immer wieder gegeben, weiß der Euskirchener Pfarrer Frank Thönes zu berichten: „Es hat Diebstähle und mutwillige Zerstörungen gegeben. Zudem sind der Eingangsbereich und Toiletten beschmiert worden.“

Dennoch wolle man nicht vom Konzept der offenen Kirche abrücken, so Thönes weiter. So seien vor allem Kerzenleuchter gestohlen worden. Aktuell gebe es aber keine berichtenswerte Probleme, so der Pfarrer. Der Euskirchener Polizei liegen laut Sprecher Franz Küpper keine aktuellen Erkenntnisse über Vandalismus in den katholischen Kirchen vor. Auch eine Strafanzeige sei seitens der Stadtpfarrei nicht gestellt worden.