„Eine Sensation“Archäologen finden 3000 Jahre alte Knochen in Euskirchener Baugebiet
Euskirchen-Kuchenheim – Christos Vangeltzikis überlegt nicht lange. „Das ist eine kleine Sensation“, sagt der Archäologe. Mehr als zwei Monate hat er mit seinen Kollegen im Neubaugebiet zwischen der Verdistraße und der L210 gegraben, gekratzt, fotografiert und dokumentiert. Und die Experten haben eine spektakuläre Entdeckung gemacht: Zwei komplett erhaltene menschliche Skelette förderten sie ans Tageslicht. Die Knochen könnten den Experten zufolge knapp 3000 Jahre alt sein.
Das sei „schon recht gut“, sagt Vangeltzikis. Doch das wirklich Aufregende ist ein weiterer Schädel, der zwischen den beiden Skeletten lag – ohne Torso und Extremitäten, dafür aber mit einem etwa einen Meter langen, einige Zentimeter breiten Gegenstand. „Wir gehen fest davon aus, dass es ein Schwert ist“, sagt Vangeltzikis. Gewissheit soll eine Röntgenuntersuchung der aufwendig in einem zusammenhängenden Block abgetragenen Erde bringen.
Skelette stammen aus der Eisenzeit
Ausgrabungsleiterin Alexandra Schubert ergänzt: „Die Datierung der Drei ist leider noch unklar, wir werten gerade sowohl die Funde aus, die über den Bestattungen lagen, als auch die Funde aus der Bestattung selber. Die Reinigung hat aber gerade erst begonnen.“
Doch nicht nur das Körpergrab entdeckten die Experten der Fachfirma „archaeologie“. Auch Urnen legten sie frei – inklusive kalzinierter Knochen, die bei der Verbrennung von Lebewesen entstehen. Zudem entdeckten die Archäologen mehrere 100 Verfärbungen im Boden. „Es steht fest, dass hier in der Eisenzeit, also zwischen 800 und 300 vor Christi Geburt, eine Siedlung war“, so Vangeltzikis. Die Siedlung selbst habe vermutlich zwei Phasen, von denen die ältere sich in die ausgehende Hallstatt-Zeit datieren lasse, die jüngere vermutlich in die späte Latènezeit.
Wie viele Menschen dort gelebt haben, wie viele Häuser errichtet gewesen waren, könne er noch nicht sagen. Dafür seien auch noch zu viele Fragen offen. „Das Körpergrab befand sich dort, wo auch Häuser gestanden haben. Wahrscheinlich war es viele, viele Jahre vorher eine Grabstätte und später erst Teil einer Siedlung“, so der Experte. Das Erdniveau sei in diesem Bereich vor mehr als 1000 Jahren wahrscheinlich auch noch 60, 70 Zentimeter höher gewesen. Schließlich hätten die Pfosten tief in der Erde stehen müssen.
Spurensuche im Neubaugebiet
An der Stelle, wo schon bald Einfamilienhäuser entstehen, standen laut Vangeltzikis vor etwa 2500 Jahren Ständerbauten. Von den Holzpfählen ist heute nichts mehr übrig. Sie sind nur an den kreisrunden, dunklen Verfärbungen im Boden zu erkennen. Und mehr als ein paar schwarze oder rotbraune Flecken sind tatsächlich nicht zu sehen. Die schwarzen Verfärbungen stammen laut den Experten von Holzkohle, die rotbraunen sind Brandlehm. Die Verfärbungen müssen – wenn sie einmal freigelegt sind – möglichst schnell dokumentiert werden, da die Sommerhitze den Boden schnell austrocknet und die Spuren somit unkenntlich werden. „Wir arbeiten immer gegen die Zeit“, sagt Vangeltzikis, der seine Arbeit am liebsten so erklärt: „Wir versuchen, aus ganz wenigen Infos so viele Erkenntnisse wie möglich herauszuholen.“
Es sei zu erwarten gewesen, dass man fündig werde, so Vangeltzikis. Bereits seit Jahrzehnten stehe das Areal bei Archäologen auf dem Zettel, zumal vor zwei Jahren bei ersten Bodenuntersuchungen des Neubaugebiets in diesem Bereich schon Hinweise auf Siedlungen entdeckt worden waren. Auch damals legte man ein Körpergrab frei, das aber nicht so gut erhalten war. Und noch eine Gemeinsamkeit gibt es: 2019 und 2021 wurden Teile einer Fibel, einer Art Sicherheitsnadel, mit der Kleider, Umhänge und Mäntel zusammengehalten wurden, gefunden.
„Als wir das Grab entdeckt haben, ging es bis in die Abendstunden“
Bereits in den 1980er Jahren waren in der Nähe, nördlich der B56, geschätzt 700 Reihengräber aus der merowingischen Zeit dokumentiert worden. Nun wird also wieder dokumentiert in Kuchenheim. Morgens um 6.30 Uhr hatten die Archäologen in den vergangenen Wochen mit der Arbeit begonnen. „Als wir das Grab entdeckt haben, ging es bis in die Abendstunden“, sagt Vangeltzikis. Dennoch sei man nicht ganz fertig geworden. Also wurden die menschlichen Überreste mit einer Plane und einem Metallzaun bedeckt, um sie vor neugierigen Blicken zu schützen. Später wurde mit Holz ein Kasten um das vermeintliche Metall-Objekt gebaut und die Zwischenräume mit Sand verfüllt.
„Schließlich haben wir den Boden von unten abgeschnitten und Millimeter für Millimeter ein Brett drunter geschoben“, so Vangeltzikis. Das ganze Objekt sei von den Mitarbeitern der Fachfirma abtransportiert worden. Später komme es zum Depot Meckenheim des LVR-Landesmuseums Bonn, teilte der Archäologe mit.
An einem Tag seien ein paar Kinder zur Grabungsstätte gekommen. Eigentlich seien Gäste während der Arbeit eher störend, aber in dem Fall habe man gerne eine Ausnahme gemacht. „Wir haben unsere Aufgaben erklärt und an unbedenklichen Stellen mit ihnen zusammengearbeitet“, sagt Vangeltzikis. Am Ende habe man den Kindern ein paar römische Keramikscherben mitgegeben. Die Römer seien etwa 50 nach Christus im Rheinland angekommen. Im aktuellen Fall liege der Fokus aber auf den Funden aus der Eisenzeit.
Historie: Funde in der Eifel
2003 wurden bei Bodenuntersuchungen in Vernich drei Sarkophage entdeckt. Im Bodensediment der Steinsärge, die auf 211 bis 222 n. Chr. datiert wurden, fanden sich Fragmente und Mikrofasern von Textilien, die in der Römerzeit im Rheinland eher unbekannt waren. Allerdings wurde die ungesicherte Fundstelle über Nacht von Unbekannten geplündert.
2008 stieß ein Landwirt bei Pesch beim Pflügen auf ein Fränkisches Steinplattengrab. Neben dem Skelett waren drei Waffen als Grabbeigaben enthalten.
Seit 2009 wird regelmäßig am Steinrütsch Nettersheim gegraben. Dort wurde der römische Vicus Marcomagus, ein spätantikes Kastell, entdeckt.
2017 entdeckten Archäologen in Zülpich in einem römischen Sarkophag aus dem 3. Jahrhundert besondere Grabbeigaben – eine Art antike Beauty-Ausstattung. Das Außergewöhnliche war die Menge und Auswahl der Dinge, die der Toten beigelegt worden waren.
2017 wurden in Hausweiler Bodenverfärbungen entdeckt. Dort, wo künftig 80 Einfamilienhäuser entstehen sollen, standen vor etwa 2500 Jahren Ständerbauten im Fachwerkbaustil.