Gerhardt-GrundschuleIm früheren Euskirchener Gymnasium schlummert ein Schatz
Euskirchen – Lange Zeit schlummerte im ehemaligen Gymnasium an der Billiger Straße ein wahrer Schatz, wenn man so will. Die Aula, so heißt es in einer Bewertung das LVR-Amtes für Denkmalpflege, sei ein „äußerst seltenes Beispiel eines repräsentativen Saalbaus“. Von der Besonderheit war allerdings lange Zeit nichts zu erkennen. Denn als in den 1950er-Jahren eine Zwischendecke eingezogen wurde, verschwand der imposante offene Kielbogenzierdachstuhl aus dem Blickfeld.
Der dem damaligen Zeitgeist geschuldete Eingriff in die Architektur ist mittlerweile rückgängig gemacht worden. Besagte Decke wurde entfernt, ebenso die Empore und die Wandbekleidungen, die man ebenfalls in die Aula eingebaut hatte. Die Maßnahmen gehören zu der denkmalgerechten Sanierung, die die Stadtratsfraktionen beschlossen haben, damit der Raum bald wieder in alter Pracht erstrahlt.
Gebäude wird komplett saniert
Das Vorhaben ist Bestandteil der Komplettmodernisierung, die im früheren Kaiserin-Auguste-Victoria-Gymnasium in vollem Gange ist. Die Kosten – unter anderem für eine Asbestsanierung – summieren sich nach jetzigem Stand auf knapp 5,8 Millionen Euro. Nach den Sommerferien soll die evangelische Paul-Gerhardt-Grundschule, die noch an der Kölner Straße residiert, in den repräsentativen Bau aus dem Jahr 1906 einziehen.
Deren Gebäude muss ebenfalls saniert und von Asbest befreit werden. Anschließend wird es im Zuge eines großen Ringtauschs der Gesamtschule zugeschlagen, die ihren Hauptsitz auf der anderen Seite der Kölner Straße hat. Wenn sie die Räume der Paul-Gerhardt-Schule übernimmt, ist sie nicht mehr auf das „Gelbe Haus“ an der Ursulinenstraße angewiesen.
Dort zieht dann die Abendrealschule mit ihrem Vormittagszweig ein, die einige Zeit im alten Gymnasium untergebracht war, bevor sie mit Beginn der Asbestsanierung für eine Übergangszeit in das frühere Verwaltungsgebäude des Wasserversorgungsverbandes Euskirchen-Swisttal an der Roitzheimer Straße wechselte.
Geld von der Stiftung Denkmalschutz
Zurück zur Aula: Die Sanierung kostet nach derzeitiger Schätzung etwa 750.000 Euro. Das Land Nordrhein-Westfalen beteiligt sich mit 137.000 Euro aus seinem Denkmalförderprogramm, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) mit 100.000 Euro. Wolf Werth, bei der DSD Ortskurator Euskirchen/Eifel, überbrachte Bürgermeister Uwe Friedl am Mittwoch einen symbolischen Fördervertrag über diesen Betrag. Er ist für restauratorische Putz- und Malerarbeiten gedacht.
Mit Friedl waren der Technische Beigeordnete Oliver Knaup, der Leiter des Stadtbetriebs Zentrales Immobilien-Management, Günter Schikorra, dessen Stellvertreterin Renate Schulz und Corinna Relles von der Unteren Denkmalbehörde in die Schule gekommen.
Sie hörten erfreuliche Neuigkeiten von Wolf Werth. Er sagte: „Unsere Fördermittel und die des Landes sind angesichts der Gesamtkosten vergleichsweise gering. Ich könnte mir aber vorstellen, dass es zu Folgezahlungen kommt. Die Stadt hat ja jetzt bei uns den Fuß in der Tür.“
Vor 112 Jahren gebaut
Legt man die Zahl über dem Haupteingang zugrunde, ist 1906 das Baujahr des denkmalgeschützten Backsteinbaus an der Billiger Straße. 1907 nahm dort das Kaiserin-Auguste-Victoria-Gymnasium den Betrieb auf.
1937 wurde die Schule nach dem in Euskirchen geborenen Chemie-Nobelpreisträger von 1902, Emil Fischer, benannt. Damit verhinderte man, dass das Gymnasium in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur den Namen einer Nazi-Größe erhielt, wie es in der „Emil“-Schulchronik heißt. (ejb)
Die Aula ist nach Werths Angaben das zwölfte Objekt im Kreis Euskirchen, für das die Stiftung Geld zur Verfügung stellt, und gleichzeitig das erste in der Euskirchener Kernstadt. Für den Erhalt von Denkmalen greift sie auf Spenden und auf Mittel zurück, die West-Lotto mit der Glücksspirale erwirtschaftet.
Suche nach Spezialfirmen
Werth erzählte, dass er schon immer beeindruckt von dem Gymnasialkomplex gewesen sei, der aus Schulgebäude, Direktorenvilla und Turnhalle besteht. Die Paul-Gerhardt-Schule soll zwar mit Beginn des neuen Schuljahres ihren Betrieb in der Billiger Straße aufnehmen, die Aula wird voraussichtlich aber erst im Herbst 2019 fertig sein. „Die Voraussetzung dafür ist, dass wir rechtzeitig Firmen finden, die auf Denkmalrestaurierungen spezialisiert sind.“
Schon jetzt, nach dem Ausbau der Zwischendecke, ist „die enorme Höhe“ des Kielbogendachstuhls erlebbar, wie die Stadt es in der Beschreibung des Denkmals formuliert. Unterhalb des Bogens erkennt man eine noch zugemauerte Öffnung. Dahinter befindet sich die Sangesempore. Gut denkbar, dass dort künftig wieder Chöre auftreten.