Innenstädte in der PandemieEuskirchens Shopping-Meile steht unter erheblichem Druck
Euskirchen – Leere. Die Fußgängerzonen wirken wie ausgestorben. Kaum jemand schlendert durch die Fußgängerzone und kauft zumindest in den Schaufenstern gedanklich ein. „Die Innenstädte werden nachhaltig gefiltert“, sagt Christian Lange. Er muss es wissen. Lange ist nicht nur Inhaber des gleichnamigen Schuhgeschäfts in der Euskirchener Fußgängerzone, sondern auch stellvertretender Vorsitzender des Einzelhandelsverbands Bonn, Rhein-Sieg und Euskirchen. Lange malt ein düsteres Bild: „Es gibt Unternehmen, die werden auch künftig Bestandteil der Innenstädte sein. Aber gibt es auch Unternehmen, die wackeln. Und wenn sie fallen, wird das Auswirkungen aufs Erscheinungsbild haben.“
Drei solcher Unternehmen sind Hussel, Pimkie und Douglas. Die Parfümerie-Kette hat angekündigt, europaweit 500 Filialen schließen zu wollen. Ob Euskirchen dazugehört, entscheidet sich wohl in dieser Woche. Gleiches gilt für Pimkie. Die Modekette will ebenfalls zahlreiche Filialen schließen. Und Hussel? Der zur Deutschen Confiserie Holding gehörende Fachhändler hat beim Amtsgericht Norderstedt in Schleswig-Holstein vorläufige Insolvenz in Eigenregie beantragt.
Der Einzelhandel sei seit Jahren im Wandel, so Lange. Der Online-Handel habe das Geschäft nachhaltig verändert. Die Corona-Pandemie und die Shutdowns haben „wie ein Brandbeschleuniger“ gewirkt. „Wir haben unsere Transformation schon abgeschlossen“, sagt Lange, der seit fünf Jahren nicht nur auf Beratung, sondern auch auf Online-Handel setzt. „Wir haben uns entschieden, Schuhe mit Service im Laden zu verkaufen und aus dem Keller heraus 1000 Paar Schuhe pro Monat zu verschicken“, so Lange: „Oben soll es Schuhhaus sein und im Keller soll das Geld verdient werden.“
Ein Prozess in der Transformation sei gewesen, so Lange, das Schuhhaus Bollig am Alten Markt zu schließen, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Und das seien E-Commerce und stationärer Handel samt Fachhändler-Beratung. Die sei beispielsweise von älteren Menschen, beim Kauf von Kinder- oder auch Wanderschuhen sehr gefragt.
Ein Modeschuh, der nicht viel kosten dürfe und kostenlos mit der Post geschickt werde oder ein Wanderschuh – das seien im wahrsten Sinne zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe. Man könne als Händler aber beides bedienen – das eine übers Internet, das andere über den stationären Handel. Das seien Dienstleistungen, die sich bereits vor der Pandemie entwickelt hätten. „Wir können nicht hingehen und so blauäugig sein, dass nach der Pandemie alles so sein wird wie vorher“, sagt Lange: „Es werden viele Geschäfte auf der Strecke bleiben, denen der Schritt zum Online-Handel einfach zu viel ist. Oder, weil sie keinen Spaß daran haben, Pakete zu packen und zu verschicken, weil sie all die Jahre ihr Geld anders verdient haben.“
Der Einzelhandel werde durch die Corona-Pandemie auf ein anderes Level gehievt. Lange: „Geschäfte, die auf Qualität und Beratung setzen, werden aus der Innenstadt nicht verschwinden. Außer sie haben sich falsch orientiert.“ Er freue sich, dass die Stadt sich verändere, vielleicht sogar weniger Einzelhandelsgeschäfte in der Innenstadt seien, dafür aber viele Geschäftstypen. Es werde individueller. „Die Fachgeschäfte werden die Pandemie überleben, nicht die Discounter. Die Discounter haben keine Chance, weil die Bewegung nicht da ist. Sie können derzeit keine Umsätze generieren“, so Lange. Wer als Fachgeschäft aber bereits auf Omni-Channel-Marketing gesetzt habe, werde gestärkt aus der Situation herausgehen.
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Omni-Channel? Von der Plakatwerbung zum QR-Code zur Website, von dort in die App und dann in die Filiale zum Kauf. Klingt nach einem rundum komfortablen Shopping-Erlebnis. Genau das ist das Ziel des Omni-Channel-Ansatzes. Doch was ist mit dem häufig geäußerten Vorwurf, dass sich potenzielle Kunden im Fachgeschäft beraten lassen und dann im Internet kaufen? „Drei Prozent kommen in den Laden, lassen sich beraten und bestellen im Internet“, berichtet Lange: „51 Prozent schauen zuerst im Internet, um dann im Fachgeschäft zu kaufen.“
Er freue sich darauf, wenn man wieder „normal“ shoppen könne. Es mache ihn regelrecht neugierig, was nach der Pandemie komme: „Ob wir eine Parfümerie-Kette, die es in vielen Städten gibt, auch in Euskirchen brauchen, weiß ich nicht. Das interessiert keinen mehr.“ Was interessiere, sei das Eventshopping. Die Verknüpfung beispielsweise aus Einkaufen und Essen gehen. Das sei etwas, was verstärkt nachgefragt werden wird. „Die Menschen werden in den nächsten fünf, sechs Jahren nicht mehr wegen des Shoppens in die Stadt kommen, sondern wegen der zahlreichen anderen Dinge, die es zu entdecken gibt“, so Lange: „Wer meint, dass wir ein Problem mit der Innenstadt haben, wenn der Kaufhof weg ist, der täuscht sich.“ Dann gebe es eben auf jeder Etage auf kleinem Raum zahlreiche Künstler, Individualisten, die ihre Waren anbieten. „Wir werden künftig eine ganz andere Struktur haben. Dann sind es die Profis, die Fachhändler, zu denen die Menschen gehen“, so der stellvertretende Vorsitzende des Einzelhandelsverbands.
Die Ideen seien da. Aber es sei offensichtlich, dass für einige Projekte in der Euskirchener Innenstadt nicht 6000 Euro Miete pro Monat gezahlt werden können. Auch in Köln machen sich laut Lange die Vermieter bereits Gedanken, ob die Mieten noch gerechtfertigt sind. Das sei in Euskirchen nichts anderes. „Das Verhältnis zwischen Miete und Nutzen stimmt nicht mehr“, sagt der Einzelhändler.