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Nach mehr als 100 JahrenFeinkostgeschäft Mülhens muss schließen

Lesezeit 4 Minuten

Ein Bild aus guten Zeiten: Das Feinkostgeschäft Mülhens war an der Euskirchener Bischofstraße die Anlaufstelle für Gourmets. Nach 70 Jahren schließen Annemie und Lutz Mülhens ihr Geschäft nun. Damit endet der Betrieb, den vor mehr als 100 Jahren Everhard Mülhens gegründet hatte.

  1. Nach mehr als 100 Jahren schließt das Feinkostgeschäft Mülhens in Euskirchen.
  2. Lutz Mühlens' Vater schmuggelte früher Soldaten im Milchwagen in die Kaserne.
  3. Die Sanierung der Bischofstraße leitete das Aus des Geschäfts ein.

Euskirchen – Jetzt ist Schluss. Nach mehr als 100 Jahren schließt an diesem Donnerstag das Feinkostgeschäft Mülhens an der Bischofstraße in Euskirchen. Ein letztes Mal werden Annemie und Lutz Mülhens die markante grüne Markise herausfahren und in ihrem Laden stehen.

Das Geschäft habe ihr Leben geprägt, sagt der 76-Jährige. Dort seien Freundschaften zu Kunden entstanden. Dort sei gelacht und getratscht worden. Vor allem aber seien dort Dinge verkauft worden, die speziell waren. Es gab würzigen Käse, edlen Schinken, ausgefallene Nudeln – schlicht alles, was das Feinschmeckerherz begehrt.

Ein schleichender Abschied

In den vergangenen Tagen lagen in der Theke immer weniger Produkte. Seitdem die Zeichen auf Abschied standen, sei nichts mehr nachbestellt worden. „Die vergangenen Wochen hatten mit dem ursprünglichen Laden nichts mehr zu tun“, stellt Annemie Mühlen enttäuscht fest und zeigt ein Foto aus besseren Zeiten. Ein Foto, auf dem die 73-Jährige hinter all den Flaschen in der Auslage kaum zu erkennen ist.

Dass sich das Kapitel nun schließt, habe sich angekündigt, sagt Lutz Mülhens: „Die Sanierung der Bischofstraße und des Viehplätzchenviertels hat uns das Genick gebrochen. Zwei Jahre waren wir praktisch für unsere Kunden nicht zu erreichen.“

Seit 70 Jahren befindet sich das Geschäft an der Bischofstraße. Seine Geschichte geht auf den Großvater von Lutz Mülhens zurück. Der verkaufte in Euskirchen frische Milch mit dem Pferdewagen oder, wenn Schnee lag, mit dem Hundeschlitten – mehr als 100 Jahre ist das her. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Ladenlokal eröffnet.

Mit dem Rad Milch ausgeliefert

„Als ich das Geschäft damals kennengelernt habe, lagen immer die großen Käseräder im Fenster“, erinnert sich Annemie Mülhens. Ihr Vater, so erzählt sie, sei Steuerberater gewesen und habe alle Milchhändler in der Kundschaft gehabt – so lernte sie Lutz Mülhens kennen.

Erst war der Laden der Mülhens ein Molkerei-Fachgeschäft, in dem Sahne, Quark, Butter, Käse und Milch verkauft wurden. An diese Zeit könne er sich noch gut erinnern, erläutert Lutz Mülhens. Jeden Morgen sei er um 4 Uhr aufgestanden und habe mit dem Betriebsfahrrad die Milch zu Bäckereien und Konditoreien ausgefahren. „Der Fahrradkorb am Lenker war so schwer, dass ich das Rad gar nicht abstellen konnte – es wäre sofort umgefallen“, erzählt der 76-Jährige. Deshalb stand er jeden Morgen vor den Bäckereien und musste rufen, bis jemand kam und die Milchkanister entgegennahm.

Soldaten geschmuggelt

Everhard Mülhens, Lutz Mülhens’ Vater, belieferte unter anderem das Krankenhaus und die Kaserne in Euskirchen. Für die belgischen Soldaten war der Milchhändler oft die letzte Rettung. Hatten sie zu lange gefeiert oder ein Mädchen besucht und deshalb verpasst, zum Zapfenstreich wieder in der Kaserne zu sein, drohte ihnen die Arrestzelle. Der Milchhändler nahm sie dann in den frühen Morgenstunden auf seinem Wagen, versteckt zwischen den Milchkannen, mit in die Kaserne, wo sie sich ungesehen auf ihre Stube stehlen konnten.

Ein Bild aus guten Zeiten: Das Feinkostgeschäft Mülhens war an der Euskirchener Bischofstraße die Anlaufstelle für Gourmets. Nach 70 Jahren schließen Annemie und Lutz Mülhens ihr Geschäft nun. Damit endet der Betrieb, den vor mehr als 100 Jahren Everhard Mülhens gegründet hatte.

Das Verhältnis zwischen dem Milchhändler und den Kunden, so erinnert sich Lutz Mülhens, sei generell ein sehr persönliches gewesen. Bei den täglichen Ausfahrten wurde viel erzählt und auch so manches Problem gewälzt. Diese Ära der Milchhändler aber fiel dem Fortschritt zum Opfer. „Für uns Milchhändler war es tödlich, als die Verpackung aufkam“, berichtet der Euskirchener.

Auf Feinkost umgesattelt

Während die anderen Händler ihre Geschäfte nach und nach aufgeben mussten, sattelte Mülhens kurzerhand um und setzte auf Feinkost. Von Anfang an bemühte man sich darum, stets sehr gute und ausgefallene Waren etwa aus Italien, aber auch aus anderen europäischen Ländern zu importieren. Damit ist jetzt – genau 70 Jahre, nachdem das Ladenlokal an der Bischofstraße bezogen worden ist – Schluss.

„Wir haben uns über die Zukunft noch keine Gedanken gemacht. Natürlich ist es eine komische Situation, dass wir nun aufhören“, sagt Annemie Mülhens und schaut noch einmal auf das Foto, das jetzt acht Jahre alt ist. (mit tn)

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