Vor der KomplettleerungFische aus dem Steinbach-Stausee werden gerettet
Euskirchen-Kirchheim – Wofür die Profis normalerweise Wochen, wenn nicht sogar Monate Vorlaufzeit haben, musste jetzt in 48 Stunden erledigt sein: Erst am Montag, als die Steinbachtalsperre gesichert war, wurden die Mitarbeiter eines Fischzucht- und Gewässerökologiebetriebes in Lohmar zum Arbeitseinsatz verpflichtet. Dort mussten gestern die verbliebenen Fische vor dem Komplettablass aus dem Staubecken geholt werden.
Aber was ist schon normal in diesen Tagen? Auch nicht das Leeren der Steinbachtalsperre, deren 23 Meter hohe, 15 Meter breite und 240 Meter lange Mauer weiter auf Risse und Stabilität überprüft werden muss. Dass da Bedarf besteht, haben die dramatischen Bilder der vergangenen Tage gezeigt, als Teams des Technischen Hilfswerks und der Feuerwehr – im Einsatz waren Aktive nicht nur aus Euskirchen, sondern auch aus dem Ruhrgebiet und vom Niederrhein – erfolgreich den kritischen Vollstau mit mehr als 1,2 Millionen Kubikmeter Wasser abpumpten.
Bewegungskontrolle mit Laserstrahlen
Am Mittwochvormittag lagen noch die Schläuche am Staubeckenrand, als Rolf Stupp, Einsatzleiter der Feuerwehr Euskirchen, mit Talsperrenwärter Carsten Bönsch und Fischereiexperte Andreas Pilgram aus Lohmar die von Prismen überwachte und mit Flatterband gesperrte Mauerkrone betraten. Die Bewegungskontrolle mit Laserstrahlen hatte einen guten Grund: Zur Luftseite hin ist die Wand unter dem Asphaltbelag teilweise unterspült, es klaffen äußerlich gut sichtbare, große Rinnen im Wandaufbau.
Pilgram, Bönsch und Stupp müssten dennoch auf den Weg, weil es darum ging, den restlichen Fischbesatz aus der Talsperre abzufischen und ihn in Wasserkanistern zu verfrachten. Nur: Wie hoch war der Schlamm oberhalb des 800er-Abflussrohrs, das zum Grundablass auf der Luftseite führt? Im Schlick würden die Abfischer in wenigen Stunden ihre Arbeit tun müssen, bevor die Talsperre trockengefallen ist und ein Fischsterben drohte. Also brauchte Andreas Pilgram, Inhaber der Fischzucht und Gewässerökologe, genaue Werte und erst mal den Augenschein vor Ort.
Schwierige Fisch-Rettungsaktion
Es war ein Rennen gegen die Zeit, denn der Grundablass war während der Fisch-Rettungsaktion weiter geöffnet. „Wir könnten den Grundablass natürlich schließen, doch dann kriege ich ihn nicht mehr auf. Wir haben keinen Strom mehr und der Kontrollgang ist überflutet. Ihn von Hand aufzudrehen ist zu gefährlich“, so Talsperrenwärter Carsten Bönsch.
Pilgram nickte und begutachtete von der Staumauer aus die kleine „Pfütze“ oberhalb des mit Sieben geschützten Grundablasses, wo sich langsam ein Strudel bildete. „Da werden 80 Prozent der noch vorhandenen Fische stehen. Denen müssen wir erst mal mit einem Oberflächenfilter Sauerstoff bringen. Dafür brauche ich jetzt eine 220-Volt-Leitung“, so Pilgram und blickte zu Einsatzleiter Stupp.
Abseilung von Talsperrenwand
Doch jetzt war erst mal Matthias Wolterings Wagemut gefragt. Pilgrams Mitarbeiter eilte zu seinem Wagen, schnappte sich Wathose, Messlatte, Sicherungsleinen und ein kleines Schlauchboot, das er sich wie einen Rucksack über die Schultern hängte. Er wird sich an der Talsperrenwand abseilen lassen, die Sicherung übernahm die Feuerwehr. Auf einem Arbeitsponton sollte er zum Grundablass paddeln und die Wassertiefe sowie die Schlammhöhe auf dem Grund messen.
Woltering legte die Arbeitskleidung an, die Sicherungsweste mit den Karabinerhaken für das Rettungsseil, kletterte über das Absturzgeländer und langsam die Talsperrenwand hinab. Unterdessen hatten Gregor Potschka und Matthias Kürten gegenüber an der Sohle der Luftseite der Talsperrenmauer, ihre Arbeit schon getan. Die beiden Azubis von Andreas Pilgram hatten über den kräftig strömenden Ausfluss des Grundablasses ein Zugnetz gespannt. Fische, die durch das Sieb oben am Ablass rutschten, sollten hier gefangen werden. Auf dem Hänger am Ufer standen fünf Wasserkanister für jeweils bis zu 150 Kilo Fische, Sauerstofftanks sorgten für die nötige Luftzufuhr.
Weiterhin viel Achtsamkeit
Was da auf die beiden Azubis zuschwimmen würde? Bisher nur kleine und größere Steine, von denen die schwersten aus dem Netz herausgeholt wurden, bevor es reißen konnte. Matthias Woltering hatte mittlerweile seinen Job beendet und kletterte wieder die Talsperrenwand auf der Wasserseite nach oben. „Wir haben Glück: Es stehen nur fünf bis zehn Zentimeter Schlamm um den Grundablass.“ Dort sei das Wasser noch 2,20 Meter tief.
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Gegen Mittag machten sich Pilgram, Wolterding, Protschka und Kürten wieder auf den Heimweg nach Lohmar. „Wir haben um die 400 Kilo Fische rausgenommen“, so Pilgram am Nachmittag. Er habe nicht damit gerechnet, da der Großteil wohl doch mit der Hochwasserwelle abgedriftet sei. Das vierköpfige Team aus Lohmar macht Feierabend. Auf der Talsperrenmauerkrone ist weiterhin große Achtsamkeit gefragt. Die Laserüberwachung bleibt aktiv. An eine Freigabe des Überwegs ist noch lange nicht zu denken.