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Haareschneiden mit vielen neuen RegelnFriseure dürfen am Montag wieder öffnen

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Stühlerücken ist auch in Zülpich bei Simone Spork angesagt, damit die Abstände eingehalten werden und das Infektionsschutzkonzept greift.

Kreis Euskirchen – Sechs Wochen durften die Friseure ihren Beruf nicht ausüben, die Salons blieben aufgrund der Corona-Krise geschlossen. Unverständnis oder Ärger hielten sich dabei in Grenzen. „Die Entscheidung der Bundesregierung zur Schließung der Friseurbetriebe wurde durchweg befürwortet, wobei der Schutz der Beschäftigten trotz aller negativen Begleiterscheinungen im Vordergrund stand“, beschreibt Obermeisterin Bernadette Hein aus Nettersheim die Stimmung in den in der Friseur-Innung Euskirchen organisierten Betrieben.

Ab dem 4. Mai dürfen die Kunden nun wieder bedient werden – es ist ein Montag, normalerweise der obligatorische freie Tag der Friseure. Doch in vielen Salons wird losgelegt: Zu groß ist die Vorfreude auf das Wiedersehen mit den Kunden, zu groß auch die Nachfrage.

Die Lage der Innungsbetriebe

45 Friseurbetriebe mit durchschnittlich vier Mitarbeitern und Auszubildenden sind nach Angaben von Obermeisterin Bernadette Hein aktuell in der Friseur-Innung Euskirchen organisiert.

Kurzarbeit hat gemäß Hein wegen der Schließungen fast jeder Betrieb für seine Mitarbeiter angemeldet. Kündigungen seien jedoch eher die Ausnahme: „Die Betriebe haben durchweg ein Interesse, ihre Beschäftigten zu halten.“ Der Innung ist bisher nicht bekannt, dass ein Betrieb Insolvenz anmelden musste.

Fragen zu Infektionsschutzgesetz und Kurzarbeit, der Beantragung von Soforthilfe und Darlehen zur Überbrückung des hundertprozentigen Umsatzrückganges standen während der Schließung auch für die Innung im Fokus. Hein: „Entsprechend der unterschiedlichen Finanzausstattung mussten sich einige Betriebe mit dem Thema Grundsicherung und Wohngeld auseinandersetzten, während andere ihre Rücklagen aufbrauchten und wieder andere in der glücklichen Lage waren, das Kurzarbeitergeld ihrer Beschäftigten aufzustocken.“ (rha)

Während der umfangreichen Vorbereitungen auf die Wiederöffnung standen in diesen Tagen die Telefone nicht still. „Die Terminvergabe ist gerade ein bisschen wie Tetris spielen. Ich muss gucken, dass es passt“, sagt etwa Simone Spork, die in Zülpich Sporks Stilwelt betreibt. Das bestätigt auch ihre Kollegin Kati Dinnebier-Dahmen aus Bad Münstereifel, die als mobile Friseurmeisterin tätig ist: Sie weiß, was ab Montag an Arbeit auf sie zukommt – freie Kapazitäten habe sie nicht mehr. Und Britta Franzen aus Hollerath hat vor, ihren Salon morgens früher zu öffnen und abends später zu schließen.

Aufwendige Maßnahmen

Denn ganz normal zum Alltag können die Friseure nicht zurückkehren, aufwendige Maßnahmen zum Infektionsschutz sind umzusetzen (siehe „Die Maßnahmen“). Mal flott zum Friseur gehen ist nicht möglich, da jedem Kunden die Haare gewaschen werden müssen.

Steigende Wertschätzung der Arbeit der Friseure erwartet Bernadette Hein.

Auch beim Friseurbesuch liebgewonnenes wie Getränke und Zeitschriften gibt’s aus Infektionsschutz-Gründen vorerst nicht. Denkbar sind durch die zahlreichen Regeln, die umzusetzen sind, auch finanzielle Auswirkungen. Hein: „Leider sind auch Preissteigerungen aufgrund der umzusetzenden Hygienemaßnahmen nicht auszuschließen.“

Die „Corona-Cuts“ retten

Auch „gesichtsnahe Dienstleistungen“, zu denen laut Hein etwa Kosmetik, Augenbrauen- und Wimpernfärben, Rasieren und Bartpflege zählen, dürfen nicht ausgeführt werden. Also wird in Sporks Stilwelt zunächst niemand in der Barber-Ecke, in der an zwei Plätzen Bärte in Form gebracht werden, Platz nehmen. „Ich kann verstehen, dass wir das noch nicht dürfen. Beim Bartschneiden sind wir 30 Minuten wenige Zentimeter vom Gesicht entfernt“, so Spork. Für Bartträger seien das gerade schwierige Zeiten – aber nicht nur für sie.

Die Maßnahmen

Sehr umfangreich ist das Maßnahmenkonzept zum Infektionsschutz für jeden Betrieb – so umfangreich, dass eine detaillierte Darstellung laut Innungs-Obermeisterin Bernadette Hein den Rahmen einer Berichterstattung sprenge.

Arbeitsplätze müssen nun so gestaltet werden, dass die Distanz von mindestens 1,5 Metern in alle Richtungen – inklusive Weg zum Waschbecken – eingehalten wird. Darüber hinaus ist die Liste lang. Hein: „Das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen und Einmal-Kundenumhänge sind Pflicht. Je Kunde sind gereinigte Arbeitsmaterialien zu verwenden. Händedesinfektion sowie der Wechsel von Einmalschutzhandschuhen und Mund-Nasen-Bedeckung sind zu beachten. Händedesinfektionsmittel, hautschonende Flüssigseife und Einmalhandtücher sind vorzuhalten. Die Räume sind ausreichend zu belüften. Kontaktflächen sind nach jeder Kundenbehandlung zu reinigen. Kundenkontaktdaten sind mit deren Einverständnis zu dokumentieren. Die Beschäftigten sind über die Präventions- und Arbeitsschutzmaßnahmen im Salon und für den Kundenkontakt zu informieren.“

Dass Kunden, die Covid-19-Symptome aufweisen oder Kontakt zu Erkrankten hatten, nicht zum Friseur gehen dürfen, dass die Husten-/Niesetikette zu beachten ist und man sich nicht die Hand gibt, ist logisch. Ungewohnt dürfte dagegen sein, dass Beratungen nur über Bande, sprich über den Spiegel stattfinden dürfen. (rha)

Manch einer hat die Zeit des Wartens nicht ausgehalten und sich selbst als Friseur versucht. Im Internet kursieren reichlich Bilder der völlig missratenen „Corona-Cuts“. Auch Britta Franzen hat einige Fotos von Kunden erhalten – meist von Jungs, deren Eltern ihnen die Haare geschnitten hatten. Sie und ihre Mitarbeiterin Andrea Wiesen haben sich übrigens solidarisch mit den Kunden gezeigt und nichts an ihren Haaren getan – vor der Öffnung am Montag holen sie das nach.

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Auch wenn sicherlich der eine oder andere „Corona-Cut“ gerettet werden muss, freuen sich die Friseure, wieder arbeiten zu dürfen. „Eine schöne Farbe und ein toller Schnitt werden in der Wertschätzung unserer Kunden nach dieser wochenlangen Abstinenz gestiegen sein“, so Bernadette Heins Einschätzung.