FeuerwehrGeringer Frauenanteil bei Einsatzkräften im Kreis Euskirchen
Kreis Euskirchen/Simmerath – Die erste Leiterin einer Freiwilligen Feuerwehr in Nordrhein-Westfalen kommt aus der Eifel. Nicole Mahr, 46 Jahre, lebt in Simmerath-Eicherscheid und wird ab Dezember die Feuerwehr der Gemeinde Simmerath leiten – die größte in der Städteregion Aachen.
Mahr ist auch von Beruf Feuerwehrfrau. 1999 hat sie ihre Ausbildung beim damaligen Kreis Aachen begonnen, heute leitet die Brandamtfrau die Arbeitsgruppe Brandschutz in der Städteregion Aachen. 2013 wollte sie ihrer Leidenschaft auch in der Freizeit nachgehen und trat der Freiwilligen Feuerwehr Simmerath bei. Nun soll sie diese leiten.
Sowohl in ihrer beruflichen Laufbahn als auch bei der Freiwilligen Feuerwehr sei sie stets eine von wenigen Frauen, wenn nicht sogar die einzige Frau gewesen. „Kritische Blicke hatte ich am Anfang“, berichtet sie: „Aber die waren schnell weg.“ Trotzdem. Auch heute noch sind Frauen in der Feuerwehr die klare Minderheit. Nur etwa fünf Prozent der rund 500 Mitglieder in der Gemeinde Simmerath seien Frauen, schätzt Mahr.
Im Kreis Euskirchen sieht es ganz ähnlich aus: Nach Angaben von Kreisbrandmeister Peter Jonas waren zum Jahresende 2021 lediglich 281 Frauen in den Einsatzabteilungen der elf Kommunen tätig. Zum Vergleich: Mit 2789 sind es fast zehnmal so viele Männer.
Die ranghöchste Feuerwehrfrau im Kreis ist Stephanie Mandl. Die 56-Jährige ist Brandoberinspektorin in der Löschgruppe Zingsheim, der zweithöchste Dienstgrad bei den Freiwilligen Feuerwehren in NRW. Darüber kommen nur noch die Gemeinde- oder Stadtbrandinspektoren.
Mandl ist seit 1998 dabei. Als 32 Jahre alte Quereinsteigerin kam sie damals zur Feuerwehr. „Ich wollte immer“, sagt sie. Doch die Löschgruppe Marmagen habe sie damals nicht so recht gewollt. Als sich ihr die Gelegenheit bot, den Löschgruppenführer aus Nettersheim zu fragen, ergriff sie diese.
„Ich hatte eine Tagesverfügbarkeit von 100 Prozent und einen Lkw-Führerschein – zwei Tage später war ich in der Löschgruppe“, erinnert sie sich.
Bei den Kameraden nie unwillkommen gefühlt
Damals sei eine Frau bei der Feuerwehr durchaus sehr ungewöhnlich gewesen. Aber sie habe sich davon nicht beirren lassen. Klar, am Anfang hätten ihre Kollegen schon mal geguckt. Doch sie habe sich nie unter Druck gesetzt oder unwillkommen gefühlt.
„Ich kann nicht sagen, dass man mir das Gefühl gegeben hat: ,Du musst erstmal zeigen, ob du das kannst.’“ Im Gegenteil. Für sie sei es eher problematisch gewesen, dass manch einer der Kollegen zu viel Rücksicht auf sie genommen habe.
Nettersheims Wehrleiter René Schreiber kann sich aber schon an die ein oder andere eigenartige Situation erinnern. Bei einem Einsatz sei Mandl beispielsweise zum Absperren der Straße eingeteilt worden – obwohl sie eine der Ranghöchsten vor Ort war. „Das ist eine der einfachsten Tätigkeiten“, so Schreiber. Damals sei sie gerade erst Zugführerin gewesen, erinnert sich Mandl. Heute würde sie das nicht mehr mit sich machen lassen.
Selbstbewusst auftreten, das ist ihre Devise: „Die weiblichen Mitglieder müssen es selber als normal ansehen.“ Wenn es um einen gleichberechtigten Umgang gehe, seien alle gefragt.
„Unabhängig, ob Frau, ob Mann, es geht nur zusammen“
Mahr und Mandl sind in ihrer Haltung ähnlich. Die Diskussion um Frauen in der Feuerwehr geht ihnen eher auf die Nerven. Man fokussiere sich dabei auf ein vermeintliches Problem, sagt Mandl. Dabei gebe es kein Problem mit Frauen in der Feuerwehr. Es gehe um die Sache, nicht um das Geschlecht.
„Feuerwehr ist Teamarbeit. Unabhängig, ob Frau, ob Mann, es geht nur zusammen“, so Mahr.
Kreisbrandmeister ist unzufrieden
„Da ist noch Luft nach oben“
Zufrieden ist Kreisbrandmeister Peter Jonas mit dem Frauenanteil in den Feuerwehren im Kreis nicht: „Über die Jahre hinweg ist es mehr geworden, aber da ist noch Luft nach oben.“ Auch er sieht Gründe dafür in der Erziehung – und der vielleicht doch etwas konservativeren Einstellung auf dem Land. Kritisch schaut er aber auch auf die eigene Institution. Beispielsweise gebe es in einigen Gerätehäusern nur eine Umkleide für alle. So etwa trage dazu bei, ob man sich wohl und willkommen fühle. In den Jugendfeuerwehren liegt der Anteil mit 22 Prozent weiblicher Mitglieder deutlich höher. Jonas sieht zwei Ansatzpunkte. Zum einen müssten mehr Mädchen und Frauen direkt angesprochen werden. Am häufigsten rekrutiere man Mitglieder für die Feuerwehr im Eins-zu-eins-Gespräch. Und wenn erst einmal in einer Löschgruppe ein paar Frauen da seien, kämen meist auch schnell noch mehr dazu. „Die bleiben nicht alleine“, sagt Jonas. Zum anderen müssten die Frauen selbst mutiger werden. Er fordert: „Frauen, traut euch!“
Doch warum ist der Anteil der Frauen in Freiwilligen Feuerwehren immer noch so gering? In den Augen der beiden Feuerwehrfrauen liegt das nicht an den Wehren oder Löschgruppen. Klar gebe es auf dem Land vereinzelt noch sehr konservative Meinungen, sagt Mandl.
Die Männer kriegen ja auch mal einen blöden Spruch
Auf dem Tisch vor ihr im Gerätehaus Zingsheim liegen Werbebierdeckel. Darauf abgebildet: Eine knapp bekleidete Feuerwehrfrau, die sich an einem Hydranten räkelt. „Daran darf man sich nicht stören“, sagt Mandl und lacht. Natürlich gebe es hier und da auch mal blöde Sprüche. „Man darf dann nicht beleidigt sein, sondern schlagfertig“, ist ihre Einstellung dazu. Zumal in der Feuerwehr in Sachen Sprüchen jeder sein Fett wegbekomme – auch die Männer.
Für sie und Mahr ist klar, dass der niedrige Frauenanteil viel mehr mit den Frauen selbst zusammenhängt. „Der fehlende Mut“, benennt Mahr einen Grund, dass sie so wenige Kameradinnen hat. Es gebe viele Frauen, die wollten, aber sich nicht trauten. „Die Jungs machen es uns ja vor. Die probieren einfach aus.“
Sie will Frauen ermutigen und hofft, in der Rolle der Wehrleiterin andere Frauen motivieren zu können. Es sei feststellbar, dass es Frauen leichter falle, in eine Löschgruppe einzutreten, wenn dort schon Frauen vertreten sind.
Mandl kann dem nur zustimmen. Gerade bei jungen Frauen, die aus der Jugendfeuerwehr kommen, sei das ausschlaggebend. Wenn dann eine von zwei Freundinnen nicht weitermachen wolle, gehe auch die andere. „Dafür braucht man eine gewisse Lebenserfahrung und Charakterstärke, um das alleine durchzuziehen“, so Mandl.
Klischee: Lieber Puppenwagen als ein Feuerwehrauto
Einen anderen Grund für den geringen Frauenanteil sehen Mandl und Mahr in der Erziehung. Nach wie vor gebe es gesellschaftliche Vorstellungen darüber, was ein Mädchen – oder ein Junge – zu mögen habe und was nicht, sagt Mandl. Überspitzt formuliert: Mädchen sollen lieber mit dem Puppenwagen spielen, als mit dem Feuerwehrauto. „Das ist vielleicht nicht mehr so wie vor 30 Jahren, aber immer noch spürbar“, sagt auch Mahr.
Diese Vorurteile, da sind sich beide Frauen einig, gelte es abzubauen. Nur gehe das leider nicht von heute auf morgen. Solange wollen die beiden weiter demonstrieren, dass Frauen in der Feuerwehr ganz selbstverständlich sind.
Verstärkung suchen die Feuerwehren im Kreis immer. 115 Löschgruppen gibt es im Kreis Euskirchen. Wer Interesse hat, mitzumachen – ob Frau oder Mann – meldet sich am einfachsten bei den örtlichen Gruppen.