Mordfall Claudia RufWie es mit dem Massen-DNA-Test jetzt weitergeht
- Vor 23 Jahren verschwand Claudia Ruf beim Gassigehen mit dem Nachbarshund, zwei Tage später wurde sie ermordet aufgefunden.
- Bis heute ist der Fall ungelöst und die Suche nach dem Täter erfolglos.
- Die Ermittler wollen nun mit DNA-Tests einen Durchbruch erzielen.
- Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um den neuen Ermittlungsansatz.
Euskirchen/Grevenbroich – Ihr Name hat sich ins Gehirn der Ermittler eingebrannt – selbst bei denjenigen, die vor 23 Jahren noch nicht im Dienst waren: Claudia Ruf. Der Name des Mädchens aus Hemmerden-Grevenbroich, das am 11. Mai 1996 vom Gassi gehen mit dem Nachbarshund „DJ“ nicht nach Hause zurückgekehrt war und zwei Tage später auf einem Feldweg bei Oberwichterich ermordet gefunden wurde, steht für die bisher ergebnislose, aber nie eingestellte Suche nach dem Täter. Jetzt gibt es einen neuen Ansatz, der den entscheidenden Durchbruch bringen soll. Das haben Polizei und Staatsanwaltschaft am Freitag in Grevenbroich verkündet.
Welche neuen Erkenntnisse gibt es?
Jahrelang waren die Ermittler davon ausgegangen, dass ein durchreisender Täter Claudia Ruf zufällig bemerkte und kurzentschlossen entführte. Jetzt schätzen Profiler des Landeskriminalamtes NRW (LKA) die Tat anders ein. Sie sprechen mittlerweile von einer Nahraumtat. Das heißt: Die Ermittler gehen davon aus, dass der Täter am 11. Mai 1996 mit hoher Wahrscheinlichkeit entweder in Hemmerden gewohnt oder zumindest einen starken Bezugspunkt dorthin hatte.
Haben die Ermittler einen Tatverdächtigen?
Die Verantwortlichen ließen sich bei der Pressekonferenz nicht vollends in die Karten schauen. Reinhold Jordan, Leiter der Bonner Mordkommission, verriet aber: „Wir wissen jetzt, warum der Täter das Mädchen genau dort auf dem Feldweg abgelegt hat. Aus ermittlungstaktischen Gründen kann ich darauf aber nicht weiter eingehen.“
Team aus Profilern, Psychiatern und Wissenschaftlern
Seit mehr als einem Jahr werden alte Ermittlungsakten aus den Archiven der Kreispolizeibehörden beim Landeskriminalamt (LKA) digitalisiert. Im Fokus stehen dabei mehr als 900 sogenannte Cold Cases, also kalte Fälle, bei denen eine heiße Spur fehlt.
„Bereits in der Aufbauphase der Cold-Cases-Datenbank konnten in einigen, wenigen Fällen Tatzusammenhänge erkannt und Wiederaufnahmen von Ermittlungen initiiert werden“, sagt LKA-Sprecher Frank Scheulen. Die Fälle reichen bis in die 1970er Jahre zurück.
Das Profiler-Team des LKA besteht aus elf Ermittlern, bei denen es sich ausschließlich um erfahrene Kriminalbeamte handelt, die zuvor über viele Jahre in Tötungs- und Sexual-Delikten ermittelt und in Mordkommissionen gearbeitet haben.
Eine Vorerfahrung sei zwingend notwendig, um die „kalten Fälle“ wieder öffnen zu dürfen, heißt es beim LKA. Unterstützt werden die Fahnder von Wissenschaftlern des kriminaltechnischen Instituts und Massendatenanalysten sowie externen Profis wie Rechtsmedizinern und forensischen Psychiatern. „Wir wollen diese Fälle mit den Mordermittlern der Polizeibehörden klären“, erläutert Andreas Müller, Chef der LKA-Profiler. In der neuen Datenbank können Mordermittler und LKA-Experten mögliche Tatzusammenhänge recherchieren, Tatabläufe rekonstruieren und Motive herleiten. (tom)
LKA-Experte Andreas Müller ergänzte: „Es gibt etwas, was nur der Täter und wir wissen. Das wird den Druck auf ihn erhöhen.“ Er sei sicher, dass die Elfjährige vor 23 Jahren noch in der Nacht aus Hemmerden tot in einem Auto weggeschafft worden sei.
Die sofort eingeleitete Fahndung dürfte den mutmaßlichen Mörder in die Enge getrieben haben, so Müller: „Dann hat er eine Entscheidung getroffen. Und wir wissen mittlerweile, warum er so reagiert hat.“
Wie geht die Spurensuche weiter?
1600 Männer, die damals 14 bis 70 Jahre alt und in Hemmerden gemeldet waren, werden zu einem erneuten Massenspeicheltest aufgerufen. Zunächst werden von der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach aber nur die 800 Männer zur Speichelprobe gebeten, die aktuell immer noch in Hemmerden leben. Sollten diese Tests ergebnislos verlaufen, sollen weitere 800 Männer ihre Probe abgeben, die mittlerweile nicht mehr in dem kleinen Ort bei Grevenbroich wohnen. Die Teilnahme an den DNA-Reihenuntersuchungen, wie die Gen-Tests offiziell heißen, ist freiwillig.
Was ist das Besondere an diesem DNA-Massentest?
Zum ersten Mal wird eine wichtige Gesetzesnovelle genutzt. Dabei geht es um die sogenannten Beinahetreffer. Ermittler können über DNA-Spuren auch mögliche Verwandtschaftsgrade ermitteln.
Das heißt konkret: Eine abgegebene DNA-Probe kann auch einem Verwandten, beispielsweise dem Sohn oder dem Großvater zugeordnet werden. Diese Technik gibt es zwar schon länger, bis 2017 durften Wissenschaftler ihre Erkenntnisse allerdings nicht an die Ermittler weitergeben. Das ist jetzt per Gesetz erlaubt worden.
Können alte DNA-Proben verwendet werden?
Nein! Dirk Porstendörfer vom LKA und DNA-Experte erklärte: „Wir haben die Speichelproben aus den Tests von 2010 und 2018 nicht mehr. Nach dem Abgleich mit der tatrelevanten DNA müssen die Proben vernichtet werden, wenn keine Übereinstimmung gegeben ist.“
Wie lange wird die Auswertung der DNA-Tests dauern?
„Wahrscheinlich werden wir erst in zwei, drei Monaten Ergebnisse haben. Es kommt ja äußerst selten vor, dass gefühlt ein ganzes Dorf zur Speichelprobe gebeten wird“, so Porstendörfer.
Was unternehmen die Ermittler noch?
Mit einer zwölfseitigen Broschüre, die vom LKA erstellt worden ist, wenden sich die Ermittler an die Menschen. Die Broschüren werden ab dem heutigen Samstag von Polizeibeamten des Rhein-Kreises Neuss an die Haushalte verteilt. Zudem gibt es eine Internetseite (bonn.polizei.nrw/mkruf) und ein Hinweistelefon (02131 300-25252). „Jeder Hinweis ist wichtig für uns“, so Jordan. Für Tipps, die zur Festnahme des Mörders führen, hat die Staatsanwaltschaft eine Belohnung von 5000 Euro ausgesetzt.
Was sagt der Vater des ermordeten Mädchens?
Die Ermittler veröffentlichten bei der Pressekonferenz am Freitag eine Video-Botschaft von Claudias Vater mit einem emotionalen Appell: „Bitte helfen Sie der Polizei. Bitte helfen Sie mir.“ Es bestehe jetzt die Chance, das traurige Schicksal seiner Tochter doch noch aufzuklären. „Er muss sich endlich erklären. Er hat sich lange genug hinter uns allen verstecken können“, sagte der Vater, der berichtete, sein Haus in Hemmerden gebaut zu haben, weil er dachte, dass seine Kinder dort behütet aufwachsen könnten. „Das war leider nicht so.“
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Was sagen die verantwortlichen Ermittler?
Reinhold Jordan war schon vor 23 Jahren Leiter der Mordkommission: „Auch wenn mein Haar inzwischen schütter geworden ist – ich bin guter Hoffnung, dass wir die Tat noch aufklären können.“ Friedhelm Hinzen, Abteilungsleiter der Polizei des Rhein-Kreises Neuss, fügte hinzu: „Die Nachricht war damals ein Schock für die gesamte Region. Dieser Mord ist nie vergessen worden. Die Menschen wollen Gewissheit haben.“
Der Leitende Bonner Kriminaldirektor Norbert Wagner betonte, man werde alles tun, um den Fall zu lösen. „Auch wenn wir nach 23 Jahren wieder Wunden aufreißen werden. Das wird es wert sein“, so Wagner.