Der SC Roitzheim kämpft ums Überleben. Und das, obwohl der Verein kurz vor dem Aufstieg steht und nun mit einem besonderen Projekt aufwartet.
Aufstieg, Livestream und mehrMit welchem Partner der SC Roitzheim das Überleben sichern will
Doppelpass auf einem nicht vorhandenen Platz? Vergiss es! Dem SC Roitzheim fehlt seit der Flutkatastrophe am 14. Juli 2021 die sportliche Heimat. Der Kunstrasenplatz war von den Wassermassen völlig zerstört worden.
Ein Neubau an alter Stelle neben der Erft war schnell vom Tisch. Ein Neubau an anderer Stelle im Ort – jenseits der Bahnlinie in Richtung Kuchenheim – gut eineinhalb Jahre später ebenfalls. Nun wird nicht in Richtung Kuchenheim, sondern direkt in Kuchenheim ein Kunstrasenplatz für Roitzheim gebaut. Wenn alles gut läuft, hat der SC in zwei Jahren wieder eine sportliche Heimat – wenn auch in einem anderen Dorf.
SC Roitzheim steht vor dem Aufstieg, kämpft aber ums Überleben
Bis dahin wird es ein Kampf ums Überleben für den Verein, auch weil viele Beteiligte schon jetzt Durchhalteparolen ausrufen. Und die Folgen der Flut auch im sportlichen Bereich spürbar waren. So wechselte die C-Jugend des SC Roitzheim vor der Saison komplett zu SW Stotzheim. Der Grund: die fehlende Perspektive auf eine sportliche Heimat.
Dem SC bleiben aktuell nur eine Bambini-Mannschaft und eine F-Jugend. „Es ist nicht einfach, neue Kinder für den Verein zu begeistern“, sagt Marc Forst, Trainer der F-Junioren. Der Aufwand sei aktuell schon groß. Beim Blick auf die Sportplätze, die der SCR bespielt, glaubt man das dem Übungsleiter sofort.
Jugendabteilung des SC Roitzheim verliert ein komplettes Team wegen der Flut
Im Sommer trainiert seine Mannschaft in Billig auf dem Rasenplatz, im Winter auf dem Kunstrasen in Stotzheim, gespielt wird dann aber auf dem Kunstrasen in Flamersheim. „Was den Materialtransport angeht, ist das schon komplex“, sagt Forst. Die Eltern würden das ganze vorbildlich mittragen. „Und den Kindern ist es letztlich egal, wo wir spielen“, berichtet der Coach.
Für politische Machtspiele – Sportplatz in Kuchenheim hier, Sportplatz in Roitzheim da – hätten die Kinder keinen Sinn. Glücklicherweise. Und auch die Trainer versuchen sich möglichst wenig Gedanken über die aktuelle Situation zu machen – für sie steht die Ausbildung der Kinder im Vordergrund.
Und die Senioren? Was hatten die Verantwortlichen für große Ziele. Mit dem neuen Kunstrasenplatz sollte es bis zum 100. Geburtstag im Jahr 2028 in die Bezirksliga gehen. Seitdem kamen und gingen die Trainer. Vor allem aber warf die Flut den Verein um Lichtjahre zurück. Von der Bezirksliga spricht niemand mehr. Dafür aktuell jeder von der Kreisliga A. Die ist zum Greifen nahe. Ein Sieg fehlt noch – im Aufstiegsspiel am 18. Juni gegen die Sportgemeinschaft 92 aus der anderen B-Staffel.
Fitnessstudio „Das Gym“ hat beim SC Roitzheim große Pläne
Ein Aufstieg kommt nie zu früh, dieser vielleicht schon. Denn auch bei den Senioren ist Überleben angesagt – wie im gesamten Verein. Und während ein Teil des Klubs schon mit großer Vorfreude auf den 18. Juni blickt, hat der SC Roitzheim parallel einen anderen Rettungsanker ausgeworfen. Helfen soll nämlich ein besonderes Projekt. Die zweite Mannschaft wird in der kommenden Saison eine Art Betriebsmannschaft sein. Das Fitnessstudio „Das Gym“ steigt beim SCR ein – mit allen Rechten und Pflichten.
„Wir haben alle mega Bock auf das Projekt“, sagt Michael Schlögel, Geschäftsführer des Gyms. Als Trainer hat Schlögel Timo Eschweiler vom TuS Ülpenich verpflichtet. Unterstützt wird er von Dominik Hochgürtel. Der ist nicht nur Stammgast im Fitnessstudio, sondern kennt auch den SC Roitzheim ziemlich gut und spielt aktuell in der ersten Mannschaft in der Kreisliga B.
„Das Gym“ verpflichtet namhafte Spieler
Wer nun aber denkt, dass die „Betriebsmannschaft“ nur ein bisschen unter Wettbewerbsbedingungen kicken will, der hat sich getäuscht. „Wir wollen mindestens oben mitspielen“, sagt Coach Eschweiler. Hochgürtel äußert sich noch offensiver. Er wolle aufsteigen, sagt er im Gespräch. Rein von den Namen her hat das Team dieses Ziel definitiv auf dem Fuß.
So werden unter anderem Markus und Thomas Klöcker (SSV Lommersum/TuS Dom-Esch), Sebastian Roth (SW Stotzheim), Dominik Rang (SW Stotzheim) und Vitali Knaub (SC Roitzheim(SSV Weilerswist) für das Gym auflaufen.
Spannend wird es, wie Eschweiler aus den Akteuren eine Mannschaft formen und wie der mitunter hohe Altersunterschied auf und neben dem Platz funktionieren wird. Doch Eschweiler dürfte routiniert genug sein, um auch das hinzubekommen.
Neben allem sportlichen Ehrgeiz soll das Miteinander, das Happening im Vordergrund stehen. „Wir wollen die Spiele zu einem Familienevent machen. Eintritt wird man nicht zahlen müssen“, erklärt Schlögel.
Verletzte Spieler werden professionell betreut
Auch Kaffee, Kuchen und die berühmte Stadionwurst soll es geben – und auch die kostenfrei. Und wer mal nicht auf den Sportplatz kann, der wird sich die Spiele im Livestream im Internet anschauen können. Nicht minder professionell sollen Vorbereitung und Nachbereitung ablaufen.
„Wir werden im Winter, aber auch im Sommer immer mal wieder neue Reize beim Training setzen“, erklärt Eschweiler. Dabei sollen auch die Fitnesstrainer des Gyms einbezogen werden. Gleiches gilt auch für den Fall, wenn sich ein Spieler verletzen sollte. „Natürlich erstellen wir dann einen professionellen Reha-Plan“, so Schlögel.
Und die Stadt Euskirchen? Die treibt mit dem SC Roitzheim den Neubau des Platzes in Kuchenheim voran. „Wir sind aktuell in Gesprächen mit dem Verein über die Gestaltung des Platzes mit Nebenanlagen“, sagt Tim Nolden, Pressesprecher der Stadt Euskirchen. Im Zuge der Gespräche werde gemeinsam der Zeitplan erstellt. Zuständige politische Gremien seien der Ausschuss für Kultur, Freizeit und Sport und gegebenenfalls der Rat.
Timo Eschweilers wehmütiger Abschied aus Ülpenich
„Das war kein einfacher Schritt“, sagt Timo Eschweiler. Der leidenschaftliche BVB-Fan hört nach zehneinhalb Jahren als Trainer beim TuS Ülpenich auf. Einen Nachfolger gibt es noch nicht, wahrscheinlich wird es aber eine interne Lösung geben.
Als Vorsitzender des TuS Ülpenich will Eschweiler aber weitermachen. „Das ist alles abgesprochen und der TuS ist meine Heimat“, sagt Eschweiler, der in der kommenden Spielzeit die Reserve des SC Roitzheim trainieren wird.
Mit ihm wechselt auch Bruder Phil zum SC Roitzheim. Damit verliert der TuS gleich zwei Identifikationsfiguren. Die Eschweilers haben zusammen 338 Spiele für Ülpenich absolviert und führten den Verein auch durch eine tiefe sportliche Krise. In der vergangenen Saison war Ülpenich ohne Sieg abgestiegen und anschließend mit Elsig und Nemmenich eine Spielgemeinschaft eingegangen.
„Der Schritt war richtig“, meint Timo Eschweiler: „Auch wenn wir personell bedingt im Laufe der Saison die Reserve vom Spielbetrieb zurückziehen mussten.“ Es sei durchaus denkbar, dass in der neuen Spielzeit die SG wieder mit zwei Teams an den Start gehen wird. (tom)