AboAbonnieren

Euskirchener Schiedsrichter-Chef„Bestrafungen fallen oftmals zu harmlos aus“

Lesezeit 5 Minuten

Seit vier Monaten ist Uwe Stark der oberste Schiedsrichter im Fußballkreis Euskirchen.

  1. Uwe Stark ist seit vier Monaten Vorsitzender des Kreisschiedsrichterausschusses.
  2. Der Polizist leitet seit mehr als 30 Jahren Spiele.
  3. Er meint: „Schiedsrichter dürfen nicht zu Freiwild werden.“

Kreis EuskirchenHerr Stark, wie trifft man im Spiel unter Druck die richtige Entscheidung?Neben dem Fußball-Verständnis muss ein Schiedsrichter auch ein gerüttelt Maß an Menschenkenntnis und Lebenserfahrung mitbringen. Wenn diese Voraussetzungen stimmen, dann kann man auch im Spiel vorausschauen. Wenn man bereit ist für die Entscheidung, dann trifft man in der Regel auch eine gute Entscheidung. Wenn der Bauch und der Kopf das Gleiche entscheiden, dann ist es die beste Entscheidung.

Das klingt theoretisch gut. Und in der Praxis?

Ich habe in meiner aktiven Zeit gute Spiele gepfiffen, aber auch schlechte. Jeder Spieler hat das Recht, mal einen schlechten Tag erwischen zu dürfen. Schiedsrichter aber eben auch.

Druck, Belastung, Kritik: Wenn sich ein junger Mensch an Sie wendet und überlegt, eine Laufbahn als Schiedsrichter einzuschlagen, wie würden Sie ihm diese schmackhaft machen?

Schiedsrichter zu sein ist eine wundervolle Aufgabe. Es ist eine Lebensschule, die einen nicht loslässt. Man lernt, Verantwortung zu übernehmen, Entscheidungen zu fällen und zu ihnen zu stehen. Man lernt, Menschen zu führen und selbstkritisch mit seiner Leistung umzugehen. Ich hatte und habe immer sehr viel Freude an der Tätigkeit des Schiedsrichters.

Mit Unterbrechungen ist Uwe Stark seit 1991 Schiedsrichter.

Die Realität sieht manchmal anders aus. Auf den Sportplätzen zwischen Hellenthal und Weilerswist fehlen oftmals Schiris. Hat der Kreis ein Nachwuchsproblem?

Wir haben zu wenige Schiedsrichter. Das ist zweifelsohne so. Immer weniger Spiele können besetzt werden. Negativschlagzeilen im Amateur- und Profibereich führen allerdings zu der Frage, warum man den Job machen soll.

Wie viele Schiedsrichter gibt es im Fußballkreis Euskirchen?

Um die 100 Schiedsrichter sind wir. Darunter sieben für die Bezirksliga, einmal Landesliga, einer für die Verbandsliga und einer für die Regionalliga. Wir besetzen Assistenten bis einschließlich Landesliga. Aber es sind zu wenige. Einige Schiedsrichter fallen altersbedingt weg. Junge Leute befinden sich in der beruflichen Ausbildung. Manche spielen lieber selbst noch, als zu pfeifen. Uns fehlt im Kreis der Mittelbau, die Altersgruppe zwischen 22 und 40 Jahren. Wir stehen leider vor einem Dilemma. Ich mache deshalb Werbung für unseren Schiedsrichter-Lehrgang im September.

Vita und Lehrgang

Werdegang von Uwe Stark

Von 1991 bis 1996 war Uwe Stark Schiedsrichter in der Kreisliga A und in der Bezirksliga. Wegen seines Schichtdienstes bei der Polizei unterbrach er diese Tätigkeit aber. Seit 2004 leitet er wieder Fußballspiele in der Kreisliga A.

Seit 15 Jahren ist Stark im Kreis-Schiedsrichterausschuss. Sechs Jahre hat er Spiele im Junioren- und neun Jahre im Seniorenbereich (Frauen und Männer) angesetzt. Seit April ist Stark Vorsitzender des Schiedsrichterausschusses. (küp)

Schiedsrichter-Lehrgang

„In den Farben getrennt, in der Sache vereint. Werde Schiedsrichter.“ So lautet das Motto des Fußballkreises Euskirchen. Der neue Lehrgang für Schiedsrichter startet am Samstag, 17. September, im Berufsbildungszentrum in Euenheim. Weiter geht es sonntags (18. und 25. September). Laut Uwe Stark gibt es noch freie Plätze. Anmeldung online. (küp)

Nachwuchs-Schiedsrichter zu generieren und zu halten, damit sie nicht nach ein paar Einsätzen wieder abspringen, das ist eines Ihrer Ziele als „Schiri-Chef“. Hat die Corona-Pandemie Einfluss auf den Nachwuchs?

Corona hat vielen gezeigt, dass man die Sonntage auch anders nutzen kann. 19 Euro Spesen und 30 Cent Spritgeld pro Kilometer locken keinen hinterm Ofen hervor.

Haben Sie Wertschätzung als Schiedsrichter erfahren?

Ich habe mal ein Spiel geleitet, bei dem war ein Zuschauer nicht mit meiner Leistung zufrieden und lief mir mit einem Schirm hinterher. Ich bin in die Kabine geflüchtet. Wertschätzung sieht anders aus (lacht). Mein Heimatverein SSV Lommersum bindet mich ein wie jedes andere Mitglied auch. Das ist zum Beispiel wertschätzend. Ein Fair-Play untereinander aber auch.

Inwieweit sind Sie enttäuscht, dass es trotz der offenen Kommunikation immer wieder zu Verbalattacken kommt?

Wir dürfen die Dinge auch nicht schlechter reden, als sie sind. In den meisten Fällen ist der Umgang miteinander ausgezeichnet. Dennoch: Schiedsrichter dürfen nicht zu Freiwild werden.

Spiele, in denen Schiedsrichter angefeindet und sogar bedroht werden, gibt es auch im Fußballkreis Euskirchen. Das ist keine Werbung und keine Motivation für den Nachwuchs.

Das ist richtig. Natürlich habe ich jetzt auch das Spiel in Euskirchen vor Augen, wo einer unserer Kollegen angegriffen wurde. Aber die wenigsten Schiedsrichter werfen das Handtuch wegen Anfeindungen. Das wissen wir.

Sie sind Polizist. Haben tagtäglich mit Recht und Ordnung zu tun. Also ein berufsbedingtes Gespür für brenzlige Situationen, aber auch ein ausgeprägtes und neutrales Gerechtigkeitsempfinden. Ist Ihnen die Bestrafung von Aggressoren im Fußball bei uns zu lasch?

Die Bestrafungen fallen oftmals zu harmlos aus. Und uns als Kreis-Schiedsrichterausschuss ist das auch zu wenig. Die Sportgerichtsbarkeit sollte ein deutlich intensiveres Zeichen setzen.

Zum Beispiel?

Durch Ausschluss. Gewalt, egal ob bei Spielern und Schiedsrichtern, hat nichts auf unseren Sportplätzen zu suchen. Dabei wirkt nicht nur die persönliche Gewalterfahrung abschreckend. Ich kann mich als Schiedsrichter auch unsicher fühlen, wenn ich sehe, wie die Spieler miteinander umgehen.

Es gibt Vereine, die in diesem Zusammenhang vermehrt im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung stehen. Geht man als Schiedsrichter überhaupt vorurteilsfrei auf den Platz?

Ich glaube schon, dass es einen Schiedsrichter beeinflusst.

Können Sie sich eigentlich noch an die letzte Rote Karte erinnern, die sie vergeben haben?

(überlegt) Nein. Ich habe wenige Platzverweise vergeben.