Ehemaliger Schulleiter ist WeltmeisterKeldenicher Heinrich Latz rennt zu Gold
Corona-Infektion, Sehnenanriss, Gegenwind, suboptimale Bedingungen – Heinrich Latz ließ sich von keiner Widrigkeit aufhalten und wurde nun Weltmeister. Mit 70 Jahren. Über eine ziemlich unangenehme Leichtathletikdisziplin: die 400 Meter. „Wenn ich erzähle, dass das meine Lieblingsdisziplin ist, werde ich immer etwas befremdlich angeschaut“, sagt der ehemalige Leiter des Hermann-Josef-Kollegs in Steinfeld.
„Ich habe aber eine relativ gute Grundschnelligkeit und eine relativ gute Ausdauer. Und man sagt mir nach, dass ich einen leichtfüßigen Stil habe. Vielleicht kommt eins zum anderen", so Latz.
Das war auch im finnischen Tampere der Fall – auch wenn im Vorfeld nicht viel auf einen solchen Erfolg hingedeutet hatte. Das Sportfest in Troisdorf im April sollte der Einstieg in das Abenteuer einer Seniorenweltmeisterschaft für den Sportler des Teams Voreifel sein.
Kein guter Start in die Vorbereitung
Etwa 30 Meter nach dem Start des 100-Meter-Laufs verletzte sich Latz an der Adduktorenmuskulatur. Nun war für mehrere Wochen kein Lauftraining mehr möglich, bevor Latz wieder vorsichtig mit Athletik- und Rehatraining beginnen konnte. „An diese mehrwöchige Pause schloss sich nahtlos eine Covid-19-Infektion an“, berichtet Latz im Gespräch mit dieser Zeitung: „Nachdem ich endlich wieder trainieren durfte, gab es zunächst viel Frust und Enttäuschung, da von der guten Form des Frühjahrs nichts mehr zu spüren war“, so der Leichtathlet.
Weit weg von der Bestform
Weit weg von der Bestform ging es zur World Athletics Championship nach Finnland. Dort wurden die 4600 Athleten von hochsommerlichem Temperaturen und einem Chaos bei der Registrierung empfangen. Nach dem Aufwärmprogramm für den 100-Meter-Vorlauf erfuhren Latz und sein Teamgefährte, Dr. Ernst Slany, dass sie nicht auf der Startliste berücksichtigt waren und ein Start im Kurzsprint nicht möglich war. Aus der Not machten sie eine Tugend: Das höhere Verletzungsrisiko über die 100 Meter entfiel und die nun freien Tage wurden zur Vorbereitung genutzt. Und Latz setzte nach seinem Halbfinal-Aus über 200 Meter voll auf die Karte Staffel.
Neun Sekunden Vorsprung
„Staffeln sind der einzige direkte Mannschaftswettkampf in der Leichtathletik. Das Team und das Wir-Gefühl stehen im Vordergrund“, so Latz, der schon in seiner Jugend begeisterter Leichtathlet war, mit 19 wegen des Studiums aber aufhören musste. Diesem sportlichen Hobby geht er seit seiner Pensionierung wieder mit großem Elan nach. „Ich trainiere praktisch jeden Tag“, sagt der Keldenicher, der seine sportliche Heimat in Zülpich gefunden hat: „Der TuS ist der beste Verein, um meiner Leidenschaft nachzugehen.“ Das Feuer für diese Leidenschaft auf der Tartanbahn hat sein alter Schulfreund Herbert Mussinghoff entfacht, der selbst als Senior in der Leichtathletik von Erfolg zu Erfolg eilt.
Bei der 400-Meter-Staffel gruppierten sich neben Latz mit Zygmunt Bogdan und Gert Brenner zwei weitere starke Läufer um den überragenden Weltmeister über 400 Meter, Karl Dorscher. Bogdan lief im Finale mutig und schnell an und sorgte bereits für einen klaren Vorsprung, den Gert Brenner ausbaute. Latz übernahm den Stab und vergrößerte die Führung mit einem kontrollierten lockeren Lauf bis zur Stabübergabe an Karl Dorscher, der den Sieg in gewohnt souveränem Stil mit 4:33,88 Minuten mit neun Sekunden Vorsprung vor den USA ins Ziel brachte.
Erfolg ist endlich angekommen
„Es hat eine Woche gedauert, bis ich das Erreichte so wirklich realisiert hatte. Aber nun ist es angekommen“, sagt Latz, der bereits weitere Ziele vor Augen hat. Der nächste Wettkampf, den der Senior bestreiten will, ist die Offene Meisterschaft in Tschechien. Dann stehen die Deutschen Meisterschaften und die Offenen Meisterschaften in Österreich auf dem Programm. Im kommenden Jahr will Latz bei der WM in Polen für Furore sorgen – am liebsten wieder auf seiner Lieblingsstrecke über 400 Meter.
Und dann hat der ehemalige Schulleiter noch einen Appell an andere Senioren: „Wenn man älter wird, sollte man Sport machen, um fit zu bleiben. Das zeigen Untersuchungen immer und immer wieder. Und ich kann das nur bestätigen. Man muss aber ja nicht gleich so bekloppt sein wie ich.“