Kriegsbriefe LiebenderSchwestern aus Euskirchen veröffentlichen Briefe ihrer Eltern
Euskirchen – „Ja, die Corona-Zeit ist schon schlimm. Wirklich schlimm. Aber ich und viele meiner Generation haben Zeiten gekannt, die noch wesentlich furchtbarer waren“, sagt Gudrun Kaumann-de Munoz. Und diejenigen, die den Zweiten Weltkrieg als Kinder oder Jugendliche erlebt haben, werden dieser Aussage vorbehaltlos zustimmen.
Die pensionierte Lehrerin aus Odendorf – sie unterrichtete unter anderem Spanisch am Emil-Fischer-Gymnasium in Euskirchen – hat jüngst mit ihrer Schwester Herta Kaumann-Harsch ein Buch unter dem Titel „Kriegsbriefe“ veröffentlicht, in dem die intensive Korrespondenz ihrer Eltern während der Jahre 1943 bis 1945 dokumentiert wird.
Damals dachte noch niemand an moderne Kommunikationsmöglichkeiten wie Whatsapp oder Handy. Um irgendwie mit ihren Lieben daheim in Verbindung zu bleiben, blieb den deutschen Wehrmachtssoldaten nur die Feldpost. Und die funktionierte offenbar in dieser Zeit ziemlich gut. Heinrich Kaumann, der Vater von Herta und Gudrun, war von Mai 1942 an in der Sommeroffensive im Kaukasus eingesetzt, deren Ziel die Einnahme der Ölfelder von Baku war.
Kosename „Peter“
Als Beamter der Heeresverwaltung war er verantwortlich für die Versorgung einer Gebirgsdivision. Heinrich Kaumann schrieb seiner Frau Hildegard, die er mit dem Kosenamen „Peter“ anredete, mehrmals in der Woche.
In den Briefen mischen sich vermeintlich banale Alltagsdinge mit großbürgerlich geprägten Gedanken über Literatur und Kunst, umklammert stets vom Blick auf die militärische Großwetterlage. Man gewinnt beim Lesen rasch den Eindruck, dass Kaumann seine Aufgaben als Soldat gewissenhaft erledigte. Er freute sich über Beförderungen und seinen Heimaturlaub, genoss daneben auch die Schönheit der Landschaften, durch die ihn der Krieg führte. Aber er machte sich natürlich auch Sorgen um seine Familie daheim, deren große Wohnung in Berlin ausgebombt wurde und die in der Ortschaft Werder im Umland der Hauptstadt einen neuen Unterschlupf fand.
Die Schwestern Kaumann haben die Briefe ihrer Eltern im Buch allerdings nicht einfach nur chronologisch aufgeführt, sondern sie durch Kommentare in einen historischen Kontext gestellt, was den Kriegsverlauf, das Weltgeschehen oder die Heimatfront anbetrifft.
Keine traumatischen Erfahrungen
Heinrich Kaumann, das legen seine Briefe nahe, gehörte nicht zum Fußvolk der Wehrmacht und musste nie die traumatischen Erfahrungen von Frontsoldaten machen. Er geriet 1945 in amerikanische Gefangenschaft.
Sein letzter Vorgesetzter im Krieg, Gerhard Loosch, holte ihn 1951 an das „Amt Blank“, die Vorläuferbehörde des Bundesverteidigungsministeriums, wo er zum Schluss die Abteilung Unterkunft, Liegenschaften und Bauwesen leitete. Kaumann starb 1989 in Bonn.
„Bei der heutigen Betrachtung entsteht ein tief beunruhigendes Gefühl wegen der kaum fassbaren, ja grotesken Widersprüchlichkeit zwischen den in den Briefen enthaltenen Äußerungen und der horrenden Grausamkeit der Geschehnisse, mitten in denen der Briefschreiber zwangsweise selbst in gewissen Sinne auch Opfer, vor allem aber auch Mittäter wird“, heißt es im Pressetext zur Buchveröffentlichung wörtlich.
Die „Kriegsbriefe“ belegen ohne Zweifel, dass es Heinrich Kaumann wie auch seiner Familie zu Hause vor allem darum ging, die große Völkerschlacht irgendwie zu überleben und einfach das Beste aus der jeweiligen Situation zu machen.
Sie sind allerdings auch ein Zeugnis einer tief empfundenen Liebe zwischen zwei Menschen, die das Schicksal für mehrere Jahre auseinander gerissen hat.
Heinrich Kaumann – Kriegsbriefe 1943-1945 an seine Frau, herausgegeben von Herta Kaumann-Harsch und Gudrun Kaumann-de Munoz, zu beziehen in jeder Buchhandlung über Books on Demand, Norderstedt, ISBN 21500986, 274 Seiten, 32,99 Euro.