Hitlergruß gezeigtUnbelehrbarer Straftäter zum 27. Mal verurteilt
Euskirchen – Das Leben von Karl-Heinz M. (Name geändert) ist ein Trümmerhaufen. Er ist Analphabet, mittlerweile 27-mal als Straftäter verurteilt worden, hat mehrfach im Gefängnis gesessen und bezieht Hartz IV. Seine Frau und seine zwei erwachsenen Kinder, die in seinem Haushalt leben, gehen wie er keiner Arbeit nach. Allein seine jüngere Tochter, die noch Schülerin ist, hat so etwas wie einen geregelten Tagesablauf.
Am Amtsgericht Euskirchen wurde der 45-Jährige jetzt wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte angeklagt, nachdem er am Rosenmontag wieder einmal mit dem Gesetz in Konflikt geraten war. „Ich müsste Sie eigentlich direkt wieder in den Knast schicken“, sagte Richter Malte Theis. „Darin sehe ich aber keinen Sinn.“
Also verhängte Theis gegen M. – wie von der Staatsanwaltschaft beantragt – eine viermonatige Bewährungsstrafe und gab ihm auf, einen Sozialtrainingskursus zu absolvieren, um seine ständigen Aggressionen in den Griff zu bekommen. Der Verurteilte muss sich zudem weiter der Aufsicht einer Bewährungshelferin unterstellen und regelmäßig zum Drogen-Screening.
An jenem Karnevalstag hatte M. in dem Euskirchener Ortsteil, in dem er wohnt, zunächst mit Schnaps und Bier am Rande des Rosenmontagszuges und dann bei Bekannten gefeiert, als seine Tochter ihn nach Hause rief. Die Kinder eines Nachbarn waren weinend auf die Straße gelaufen, es hatte eine Schlägerei gegeben.
Als M. eintraf, sah er noch zwei Männer, die offenbar flüchteten. Er ging zu besagtem Nachbarn, unterdessen trafen mehrere Streifenwagen ein. „Ich gehe hier weg, damit habe ich nichts zu tun“, habe er zu seinem Bekannten gesagt. Schon im nächsten Moment seien Polizisten an ihm vorbei in die Wohnung gelaufen. Einer habe zu ihm gesagt: „Stehen bleiben und Schnauze halten!“
So etwas lasse er sich nicht bieten, erklärte M.: „Ich habe einen Mund und keine Schnauze. So spricht man nicht mit einem Menschen. Darüber habe ich mich extrem aufgeregt.“ Kurz darauf hätten sich mehrere Beamte auf ihn gestürzt. Die Folgen waren ein Rippenanbruch und eine Knieverletzung.
Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft hatte M. die Polizisten provoziert, indem er „Heil Hitler“ rief und den Hitlergruß zeigte. Als die Beamten ihn aufforderten, damit aufzuhören, er aber den verbotenen Gruß wiederholte, erklärten sie ihm, ihn in Gewahrsam zu nehmen. M. ließ sich davon aber nicht beeindrucken, sodass die Einsatzkräfte ihn festnahmen, woraufhin er sich körperlich zur Wehr setzte und versuchte, nach den Polizisten zu schlagen, wie er vor Gericht gestand. Auch das Zeigen des Hitlergrußes gab er zu.
Seit 1994 ist M. immer wieder wegen unterschiedlicher Straftaten verurteilt worden: Drogendelikte, Diebstahl, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Körperverletzung, Beleidigung, fahrlässige Trunkenheit im Verkehr.
Erst zweieinhalb Monate vor der Auseinandersetzung mit der Polizei war M. aus der Haft entlassen worden. Dennoch habe er mit seinem Verhalten die nächste Festnahme herbeigeführt, warf Theis ihm vor, wobei er einräumte, dass der Polizeibeamte sich mit „Schnauze halten“ im Ton vergriffen habe. Theis riet dem Angeklagten, ein Anti-Aggressionstraining zu absolvieren, sich einer Selbsthilfegruppe für Alkoholiker anzuschließen, seine Drogensucht zu bekämpfen, sich in Demut zu üben und sich „nicht immer als Opfer zu fühlen“. Alles dies sei nur mit großer Disziplin möglich: „Sie sind ganz unten. Und der Weg nach oben dauert lange.“
M. hatte vorher gesagt, er werde überall betrogen und schlecht behandelt. Zwischendurch kamen ihm – ohne dass er schauspielerte – die Tränen, und er gewährte Einblicke in ein verpfuschtes Leben. Es gebe Tage, da habe seine Familie „nichts zu fressen“. Dann durchforste er Sperrmüll nach verwertbaren Gegenständen, „um wenigstens ein bisschen Geld zu haben“.
Auf den Vorschlag der Anklagevertreterin, es doch mit Arbeit zu versuchen, sagte der 45-Jährige: „Ich fühle mich nicht wohl unter Menschen. Arbeiten wird bei mir nicht funktionieren.“