Wegen CoronaEuskirchener Unternehmer-Paar droht Kampf aus Hartz IV zu verlieren
Euskirchen – Diese grauen Umschläge kennen Sylvia Holler und Calogero Navarra noch von früher. Schon damals verhießen sie selten etwas Gutes. Damals, als sie sich noch gar nicht kannten. Er war arbeitslos, krank und hoffnungslos; sie war arbeitslos, alleinerziehend und ebenfalls hoffnungslos. Als sie sich um die Jahrtausendwende kennenlernten, schmolzen auch die staatlichen Zuwendungen etwas zusammen – Beziehungsstatus: Bedarfsgemeinschaft. Da gibt es Abzüge bei Hartz IV.
Am meisten habe es sie gestört, überhaupt auf Hilfe angewiesen zu sein. „Wir wollten da raus“, erinnert sich Sylvia Holler: „Dann lieber zwölf Stunden am Tag arbeiten.“ Und sie kamen da raus. Mit dem Startkapital, das seine Mutter ihnen zur Verfügung stellte, trauten sie sich in die Selbstständigkeit – und starteten durch. 2008, am 1. Mai, gründeten sie ein kleines Unternehmen.
Nach zehn Jahren lief ihr Unternehmen gut
Mitarbeiter waren zunächst ausschließlich sie beide, das Inventar bestand aus einem geleasten Wagen, in dem sie fortan Menschen von einem Ort zum anderen chauffierten: Urlauber zu den Abfahrtsorten der Reisebusse, Reisende zum Flughafen, Förderschüler zu ihren Einrichtungen. Es lief. Ganz gut sogar.
Zum zehnjährigen Bestehen präsentierten Holler und Navarra stolz fünf geleaste Autos. Das Mietwagen- und Taxi-Unternehmen hatte Fahrt aufgenommen – und ihr Leben auch. Drei Mitarbeiter arbeiteten zwischenzeitlich für sie, sie selbst saßen auch hinter dem Steuer. „Wir sind damit nicht reich geworden“, erzählt Sylvia Holler. Doch das sei auch nie ihr Ziel gewesen. Kein Betteln mehr auf dem Amt, kein Gefühl der eigenen Nutzlosigkeit mehr, stattdessen das selbstständige Bestreiten des Lebensunterhalts – das sei alles, was sie wollten.
Durch Corona sind Euskirchener von Insolvenz bedroht
Hier nun könnte die Geschichte enden. Mit einem Happy End. Doch es kam anders, es kam Corona. Und in letzter Zeit kamen wieder öfter diese grauen, nichts Gutes verheißenden Umschläge. „Uns droht, dass die Corona-Hilfe ausläuft“, stellt Navarra fest und sagt auch gleich, was das bedeuten würde: „Uns droht die Insolvenz.“
Wie sie ohne den Corona-Rettungsschirm für Unternehmer auskommen sollen, wissen sie nicht, ohne diese 1500 Euro im Monat, mit denen sie ihr Leben bestreiten mit allem, was dazu gehört: Miete, Gas, Strom, Lebensmittel. Denn das Unternehmen werfe dafür nichts mehr ab, die noch verbliebenen Aufträge reichten so gerade, um die Firma über Wasser zu halten.
Auch auf europaweite Ausschreibungen beworben
„2019 war unser bestes Jahr“, erzählt Sylvia Holler. 200.000 Euro Umsatz hätten sie damals gemacht. Es war das Jahr vor Corona. Ein Jahr später war es noch die Hälfte. Dann wurde es noch weniger. Das Virus bremste auch die kleine Firma von Sylvia Holler und Calogero Navarra aus. Kaum einer reiste noch, die Schüler blieben viele Tage zuhause. Nach den Schutzmaßnahmen war dann immer auch vor den Schutzmaßnahmen.
Auch nachdem viele der Maßnahmen längerfristig zurückgenommen wurden, lief es nicht so an wie gewünscht. Kürzlich, berichtet Navarra, hätten sie sich für einen Auftrag eines Schulträgers beworben. Ob sie bei dieser europaweiten Ausschreibung mithalten können, sei aber eher fraglich. „Der kleinste Auftrag liegt bei drei Touren“, beschreibt Navarra ein weiteres Dilemma. Durch den Anstieg des Mindestlohns säßen die Rentner, die bisher für sie fahren, nämlich weniger Stunden hinter dem Steuer, damit sie die 450-Euro-Minijob-Grenze nicht übersteigen.
Neue Fahrer sind derzeit nicht zu finden
„Wir finden zurzeit trotz der Inserate in Zeitungen und im Internet auch keine neuen Fahrer“, klagt Sylvia Holler: „Vor kurzem rief einer an, der wollte höchstens zwei Stunden am Tag arbeiten.“ Damit könnten sie aber nicht planen.
Und dann immer wieder diese grauen Umschläge vom Amt und diese Ängste, die sie hervorrufen – diese Furcht, wieder da zu landen, von wo aus sie ihre kleine Erfolgsstory gestartet haben. Das Gedankenkarussell, das sie früher geplagt habe, habe sich längst wieder im Kopf eingenistet und nehme immer mehr Fahrt auf – vor allen nachts, sagt Sylvia Holler.
Die Hochzeit ist erstmal verschoben
Wie geht es weiter? Was, wenn die geleasten Wagen wieder zurückgegeben werden müssen – samt drohender Zahlung, weil sie die Verträge nicht erfüllen können? Mehrere 10.000 Euro stünden dann im Raum, sagt Navarra.
„Ich schlafe kaum noch“, sagt seine Partnerin, die schon längst seine Frau sein sollte. Mit dem weißen Jeep aus der Firmenflotte habe er sie zum Standesamt fahren wollen, erzählt Navarra. „Doch damals machte uns Corona einen Strich durch die Rechnung.“ Inzwischen halte sie die finanziell unklare Lage davon ab. „Auch eine bescheidene Hochzeit kostet ja was“, sagt er traurig und zeigt die Eheringe, die er schon gekauft hatte.
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Doch sie werden sie sich überstreifen, sobald es geht, versichern beide. Dass sie fest zusammenstehen, haben Sylvia Holler und Calogero Navarra schließlich unter Beweis gestellt in den vergangenen gut 20 Jahren – in guten wie auch in schlechten Zeiten.