Wölfe in der Eifel„Wir müssen jeden Tag mit der Befürchtung eines Angriffs leben“
- In der Eifel existiert nun offiziell das dritte Wolfsgebiet in NRW.
- „Eifel – Hohes Venn“ heißt das 505 Quadratkilometer große Areal.
- Wo genau es liegt, welche Folgen die Ausweisung hat und was das für Tierhalter bedeutet – wir haben die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengetragen.
Kreis Euskirchen – Nun ist es also amtlich: Die Eifel ist Wolfsgebiet. Dies gab NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser am Mittwoch bekannt. „Eifel – Hohes Venn“ ist damit nach Schermbeck und Senne das dritte Wolfsgebiet in Nordrhein-Westfalen.
Wo genau liegt das Wolfsgebiet?
Es ist zu unterscheiden zwischen dem Wolfsgebiet und der Pufferzone. Das eigentliche Wolfsgebiet ist 505 Quadratkilometer groß und umfasst im Kreis Euskirchen die Gemeinde Hellenthal und die Stadt Schleiden sowie in der Städteregion Aachen Monschau, Roetgen und Simmerath. Die umliegende Pufferzone ist 1261 Quadratkilometer groß und umfasst im Kreis Euskirchen die Stadt Mechernich sowie die Gemeinden Blankenheim, Dahlem, Kall und Nettersheim, im Kreis Düren die Städte Düren, Heimbach und Nideggen sowie die Gemeinden Hürtgenwald, Kreuzau und Langerwehe und in der Städteregion die Städte Aachen, Eschweiler und Stolberg.
Warum wurde das Gebiet ausgewiesen?
GW926m lautet die Kennzeichnung des männlichen Wolfes, dem der Riss von Schaffen im April in Mützenich durch genetische Nachweise eindeutig zugeordnet werden konnten. Neben eindeutigen Nachweisen gab es mehrere Sichtungen: In Mützenich wurden Tiere durch Fotofallen aufgenommen, im Hohen Venn gelangen dem Naturfotografen Roger Herman Aufnahmen. Nach Angaben des Ministeriums geht man davon aus, dass ein Wolf im Bereich der Stadt Monschau „ortstreu“ geworden ist. Ministerin Heinen-Esser: „Wir rechnen damit, dass der Wolf vorerst einmal bleibt.“
Wo wurden Wölfe nachgewiesen?
Als regelmäßigen Gast beobachtet Luchs- und Wolfsberater Markus Wunsch die Tiere seit einiger Zeit. „Etwa acht bis zehn Wölfe ziehen pro Jahr hier durch“, sagte er im April. Doch als heimisch sei er im Kreis Euskirchen deswegen nicht zu bezeichnen.
Zwischen dem 11. April und 14. Mai wurden in Mützenich insgesamt sieben Schafe gerissen. In einem Fall waren die Genspuren nicht auswertbar, ein Riss durch einen Wolf wird jedoch nicht ausgeschlossen. Fünf Risse sind eindeutig einem Wolf zugeordnet, jedoch steht die Individualisierung noch aus. Und im siebten Fall führten die DNA-Spuren zu Wolf GW926m.
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Ein Fall aus dem Raum Blankenheim ist noch in Bearbeitung in Bearbeitung beim Senckenberg-Institut in Gelnhausen. Dort wurde am 19. Mai Tierfraß an der Totgeburt eines Pferdes festgestellt. Ebenfalls noch in Bearbeitung sind die Fälle getöteter Kälber vom 22. Mai im Raum Simmerath und 18. Juni in der Stadt Heimbach sowie eines weiteren gerissenen Schafs vom 13. Juni im Raum Monschau.
Hat die Ausweisung Auswirkungen auf den Nationalpark?
„Dass der Wolf in die Eifel kommt, war sonnenklar. Es war nur eine Frage der Zeit“, sagt Michael Lammertz von der Nationalpark-Verwaltung. Vonseiten des Nationalparks habe man im Vorfeld getan, was man tun konnte – in erster Linie Diskussionsplattformen geboten, aber auch die Wolfs-Ausstellung des Nabu in Vogelsang gezeigt. Konkrete Maßnahmen im Schutzgebiet sind laut Lammertz nicht vorgesehen. Die Fläche des Nationalparks sei für ein Wolfsrudel ohnehin zu klein. Er bezeichnet es als entscheidend, dass der Mensch nun mit dem Wolf zu leben lerne.
Was bedeutet die Ausweisung für Nutztierhalter?
Grundsätzlich empfehle man Haltern von Schafen und Ziegen in Wolfsgebieten, ihre Weiden zu schützen, erklärt Peter Schütz von der Pressestelle des Umweltministeriums. Schutz könnte mithilfe von Elektrozäunen sowie Herdenschutzhunden geschaffen werden. Hunde bieten sich laut Schütz allerdings nur für Berufsschäfer mit Herden von mehr als 100 Tieren an. Für einen Hobbyhalter lohne sich das nicht.
Elektrozäune seien mit einer Leistung von „deutlich mehr als 4000 Volt“ bei einer geringen Amperezahl ausgestattet und in Höhen zwischen 90 und 145 Zentimetern gestaffelt. Der Wolf testet laut Schütz mit Nase und Pfote Hindernisse. Bei einem elektrischen Schlag setze ein Lerneffekt ein, sich fernzuhalten. Aber: Der Effekt könne umgekehrt eintreten, wenn etwa eine Schafherde ohne schützenden Zaun erreichbar ist.
Welche Förderungen gibt es vom Land?
Halter von Schafen und Ziegen sowie Betreiber von Wildgehegen können mit der Ausweisung des Wolfsgebiets einen Förderantrag inklusive Kostenvoranschlag für die Einrichtung von Schutzmaßnahmen bei der Bezirksregierung Köln einreichen. Nach einer Überprüfung, unter anderem durch die Landwirtschaftskammer Münster, werden die Investitionskosten komplett übernommen.
Gefördert werden Elektrozäune und Herdenschutzhunde im Kerngebiet. In der Pufferzone werde lediglich die Anschaffung von Zäunen gefördert, da sich der Wolf in der Regel nicht aus seinem Kerngebiet heraus bewege, so Peter Schütz. Momentan sei die Förderung beschränkt. Man habe aber die Option, sie etwa auf Kühe, Alpakas, Strauße oder andere Rassen auszuweiten.
Welches Verhalten ist bei einer Begegnung richtig?
Nach Angaben des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz ist es unproblematisch, wenn ein Wolf in Sichtweite von Orten oder bei Nacht direkt an Ortschaften vorbeiläuft. Normales Verhalten des Wolfs – und nicht gefährlich – sei, nicht sofort beim Anblick von Menschen und Autos zu flüchten, sondern stehenzubleiben und zu beobachten. Gerade Jungwölfe können durch ihre Unerfahrenheit und Neugierde eine geringere Fluchtdistanz zu Menschen aufweisen.
Ducken als Zeichen des Versteckens ist nicht angeraten, da ein Wildtier das Zusammenkauern als Angriff verstehen könnte. Auch Weglaufen ist laut Michael Lammertz keine Alternative. Rufen, Winken und Pfeifen seien Optionen, einem Wolf zu begegnen. Lammertz: „Der Wolf darf die Scheu vor dem Menschen nicht verlieren.“ Aus diesem Grund sei auch ein Anfüttern kontraproduktiv.
Wo gibt es weitere Informationen?
Das Umweltministerium hat im Internet ein Wolfsportal eingerichtet. Dort sind allgemeine Informationen zu finden. Auch ist das Wolfsgebiet Eifel/Hohes Venn beschrieben. Die Wolfsberater der Region sind mit ihren Kontaktdaten aufgelistet.
Zudem können Anträge für Förderungen und Entschädigungen heruntergeladen werden. In der Rubrik „Nutztierrisse“ sind alle Meldungen aus NRW seit 2009 über mögliche Risse durch Wölfe aufgelistet – inklusive der Untersuchungsergebnisse.
Das sagen die Tierhalter zum Wolf in der Eifel
Mehr Zäune, mehr Strom, mehr Herdenschutzhunde – so wolle er nach der Ausweisung des Wolfsgebiets nun vorgehen, sagt Werner Kulling, Vorstandsmitglied des Schafzuchtverbandes NRW. Mit noch mehr Sorgfalt müsse man seine Tiere nun schützen. „Wenn ein Wolf in die Herde geht, tötet er 20 Schafe und frisst eins“, so der Schäfer aus Alendorf. Dabei stehe für ihn nicht der wirtschaftliche Faktor im Vordergrund. Der Schaden durch einen Wolfsangriff werde ersetzt. Kulling: „Wir sorgen uns um unsere Tiere. Das sind nicht nur dumme Wollträger, das sind Familienmitglieder.“ Man wolle, dass sie unbeschadet die Nacht überstehen.
Tiere von Hobby-Haltern sieht Kulling jedoch noch mehr durch Wölfe in Gefahr, als die von Berufshaltern: „Die haben ihre Schafe in Knoten-Gittern und die Mutterkühe auf der Weide.“ Für die Sorgen der Halter wünsche er sich mehr Verständnis, erklärt Kulling: „Wir müssen jeden Tag mit der Befürchtung eines Angriffs leben.“
Wildgehege in Hellenthal macht sich keine Sorgen wegen Wolf
Keine Sorgen um ihre Tiere macht sich Ute Niesters, Inhaberin des Wildgeheges in Hellenthal. Im Gegenteil, erläutert sie auf Nachfrage: Sie finde es sogar großartig, dass der Wolf auch in der Eifel wieder heimisch werde. „Der Wolf gehört in die Landschaft. Wir sind in keinster Weise besorgt“, sagt Niesters. Wenn man sich ein wenig über die Thematik informiere, wisse man, dass sich ein Wolf mit natürlichem Verhalten als sogenannter Kulturflüchtling von den Menschen fernhalte. Sie selbst habe sich bereits vor einigen Jahren damit beschäftigt und sehe auch für ihre Tiere keine drohende Gefahr.
Weitere Schutzmaßnahmen, um die zur potenziellen Beute zählenden Wildtiere im Hellenthaler Gehege vor Wolfsangriffen zu bewahren, wolle man nicht angehen, so Niesters: „Es ist alles komplett eingezäunt.“ Die vorhandenen Einfriedungen schätzt die Besitzerin als hoch genug ein, um einen ausreichenden Schutz zu gewährleisten.
Dass Schafhalter die Ansiedlung des Wolfs mit anderen Augen sehen, dafür hat Niesters Verständnis: „Wenn das übliche Nahrungsangebot nicht vorhanden ist, gehen Wölfe auch an Schafherden in freier Landschaft.“ Im Süden Europas gehörten Wölfe längst zum Landschaftsbild, führt sie beispielhaft auf. Da komme es natürlich auch zu Vorfällen. Doch da sehe sie die Schafhalter eher in der Verantwortung, selbst in puncto Schutzmaßnahmen aktiv zu werden.