Frauenhaus EuskirchenEin Ort der Zuflucht vor unsäglicher Gewalt
Euskirchen – Seit 1981 wird der 25. November dazu genutzt, weltweit auf die Gewalt gegen Frauen und Mädchen aufmerksam zu machen. So gut das ist, so sehr möchte man doch ausrufen, dass dieser Gedenktag einen Zusatz verdient: Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen und deren Kinder sollte es heißen, denn der Nachwuchs seelisch und körperlich misshandelter Frauen ist immer mit betroffen.
Dies wird an jedem einzelnen Tag im Frauenhaus Euskirchen deutlich. „Auch wenn die Kinder vielleicht selber nicht direkte Opfer der Gewalttätigkeiten wurden, so haben sie dennoch lebenslang mit den Folgen zu kämpfen“, ist Marika Gerdes sicher. Die Kinder hätten oft Todesangst erlebt. „Mangelndes Vertrauen in sich und in andere Menschen sowie Bindungsstörungen sind nur einige der daraus resultierenden Folgen“, so die Erzieherin im Frauenhaus.
Über das Erlebte zu sprechen fällt den Frauen schwer
Auch die Mütter, die Zuflucht suchen in dem gelben Haus am Rande der Kreisstadt, haben oft jegliches Selbstvertrauen verloren. Es fällt ihnen schwer, über das zu reden, was sie erlebt und durchlitten haben.
Viele schämen sich, sich nicht früher aus der gewalttätigen Beziehung befreit zu haben. „Er hat sich immer wieder bei mir entschuldigt, und ich habe ihm seine Beteuerungen geglaubt“, erzählt Yasna. Selbst als er ihr die Knochen brach.
Blumen, Kerzen und Aktionsschilder
Zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen werden die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses Euskirchen an diesem Mittwoch in der Fußgängerzone Plakate aufhängen und darunter Blumen und Kerzen stellen, die bis zum Abend brennen.
Noch immer werden Frauen in Deutschland nicht effektiv vor Gewalt geschützt. Die Kriminalstatistik 2019 weist einen Anstieg der häuslichen Gewalt aus. Jeden dritten Tag tötet ein Mann in Deutschland seine (Ex-) Partnerin, jeden Tag gibt es einen Tötungsversuch dieser Art.
Der Runde Tisch gegen häusliche Gewalt im Kreis Euskirchen, der dieses Jahr 15 Jahre besteht, beteiligt sich anlässlich des Gedenktages an einer bundesweiten Aktion des Hilfetelefons Gewalt gegen Frauen.
Das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen hat Aktionsschilder bereitgestellt. Wer die Aktion unterstützen will, konnte sich damit fotografieren lassen. Unter anderem haben sich der Euskirchener Bürgermeister Sacha Reichelt und die Gleichstellungsbeauftragte Barbara Brieden mit dem Schild ablichten lassen. Die eingereichten Fotos werden ab dem heutigen Tag auf den Social-Media-Kanälen des Kreises Euskirchen und der Frauenberatungsstelle veröffentlicht. (hn)
Die 26-Jährige stammt aus Syrien, wo sie als Mitarbeiterin eines Krankenhauses die gesamte Grausamkeit des Krieges miterlebte. Ihr Mann, so sagt sie, habe totale Kontrolle über sie haben wollen. Alleine vor die Tür zu gehen, wurde ihr verboten. „Als wir in Deutschland waren, wurde alles noch schlimmer, vielleicht weil Frauen hier Rechte haben“, sagt Yasna.
Schließlich riet ihr eine Freundin, mit den Kindern in ein Frauenhaus zu flüchten: „Ich hatte keine Ahnung, was das ist. Ich dachte, es wäre eine Art Flüchtlingscamp.“
Die junge Frau vergleicht das Ankommen in der Einrichtung mit einem Eimer Wasser, der ins Feuer geschüttet wird. Endlich Ruhe. Endlich Zeit, die Gedanken zu ordnen, zu heilen und langsam Schritt für Schritt neues Selbstvertrauen zu finden.
„Wir sind hier wie eine Familie, wir halten zusammen und unterstützen uns gegenseitig“, erzählt Nadine. Die 21-Jährige, die mit ihrem Sohn im Frauenhaus lebt, sagt, sie habe „nur psychische Gewalt“ erfahren. Eine Zeit lang habe sie Suizid als mögliche Lösung im Kopf gehabt.
Mittlerweile träumt die junge Mutter von einer eigenständigen Zukunft: „Mit einer Wohnung und einer Ausbildung, am liebsten als KFZ-Mechatronikerin.“ Es sei ein gutes Gefühl, in Sicherheit zu sein. „Und Wertschätzung zu erfahren – das kannte ich bisher nicht.“
Nadine gibt offen zu, dass sie bis zu ihrem Einzug ins Frauenhaus regelrecht ausländerfeindlich gewesen sei. Plötzlich lebte sie mit verschiedenen Nationen unter einem Dach. „Es hat was gedauert, aber dann habe ich begriffen, dass alle hier ihre Geschichte haben, dass wir vieles teilen und einander Kraft geben können.“ Jetzt sei sie oft diejenige, die den Bewohnerinnen hilft, die Sprachprobleme haben, „zum Arzt müssen oder so was“.
Am meisten Sorgen machen sich derzeit alle im Haus um Maryam und ihre Kinder. Geboren und aufgewachsen in Deutschland, ging die 24-Jährige als Jugendliche mit ihren Eltern zurück nach Bosnien. Dort lernte sie ihren Mann kennen.
Ihre Geschichte ist eine kaum auszuhaltende Aneinanderreihung von Grausamkeiten, an deren Ende mehrfache Morddrohungen stehen. „Er hat auch meinen Kleinen brutal geschlagen“, erzählt sie über den drogenabhängigen Vater.
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Als Nicht-EU-Bürgerin, die sich selber nicht finanzieren kann, droht der jungen Frau nun die baldige Abschiebung. Zurück nach Bosnien – wo sie „nichts und niemanden“ habe. „Wenn er uns findet, wird er uns umbringen“, daran zweifelt Maryam nicht einen Augenblick.
Die einzige Chance, in Deutschland bleiben zu dürfen, wäre, eine Vollzeitstelle und eine Wohnung für Maryam zu finden. „Hierfür bleibt aber nicht mehr viel Zeit“, räumt Frauenhaus-Mitarbeiterin Silvia Alt ein. Der Termin sei bereits in wenigen Wochen.
Mit dem Tode bedroht zu werden – für viele Bewohnerinnen des Frauenhauses ist dies Realität. „Den Standort des Frauenhauses halten wir schon lange nicht mehr geheim, das ist heutzutage auch gar nicht mehr möglich“, sagt Silvia Alt. Allein durch ihre Handys seien die Frauen oftmals zu orten – vielen sei dies nicht bewusst.
Gute Zusammenarbeit mit der Polizei
Das beständige Gefühl der Bedrohung fordert seinen Tribut. Manche Frau hat Angst, das Haus zu verlassen. Yasna etwa traut sich zurzeit nicht, ihre Kinder allein in Kita und Schule zu bringen. „Wir sind gut vernetzt mit der Polizei, sie zögern nicht und kommen sofort, wenn wir uns melden“, versichert Silvia Alt.
Gefährdungsansprachen, Platzverweise und erwirkte Annäherungsverbote würden durchaus Wirkung zeigen. Die absolute Sicherheit aber kann es nicht geben. „Aber so ist es noch mehr an uns und an der Gesellschaft, alles dafür zu tun, diese Frauen und Kinder hier zu schützen“, unterstreicht Marika Gerdes.
Yasna, Maryam und Nadine, die im wirklichen Leben alle anders heißen, sind erschöpft nach dem Gespräch, das viele Erinnerungen an die Oberfläche gespült hat. „Alle Frauen hier im Haus, Bewohnerinnen und Mitarbeiterinnen, geben mir Kraft, weiterzumachen“, sagt Yasna noch. Irgendwann wolle sie ihr eigenes Leben führen.
Einen neuen Beruf finden, mit den Kindern in eine Wohnung ziehen und ihnen „Mutter und Vater zugleich sein“. Und sie will besser Deutsch lernen: „Es gibt so viel, was ich sagen will, und kann es aber noch nicht in dieser neuen Sprache.“