„Klopapier-Effekt“ bei Grippe-ImpfungKein Serum mehr da - Nachschub im November
Kreis Euskirchen – Dr. Werner Klinkhammer nennt es den „Klopapier-Effekt“. Sobald ruchbar werde, dass ein Produkt nur noch im begrenzten Umfang erhältlich sei oder gar nicht mehr, steige die Nachfrage. Genau das sei zurzeit auch beim Grippe-Impfstoff der Fall, so der Pressesprecher des Apothekerverbandes Nordrhein für den Kreis Euskirchen.
Mit der Liefersituation der Impfdosen „sieht es zurzeit im Kreisgebiet schlechter aus“. Die Ärzte hätten in diesem Jahr drei Wochen früher mit den Grippeschutz-Impfungen begonnen. Das hänge mit der Corona-Pandemie zusammen. „Es muss vermieden werden, dass die Krankenhäuser wegen Grippe- und Corona-Patienten an die Belastungsgrenzen stoßen“, so Klinkhammer, der in Mechernich die Adler-Apotheke betreibt.
Zweite Charge erst im November
Darüber hätten die Ärzte ihre Patienten frühzeitig informiert und auch viele aus den Risikogruppen bereits geimpft. Für die Mediziner sei das jetzt allerdings eine schwierige Situation, wenn sie ihre Patienten vertrösten müssten. Die zweite Charge des Grippe-Impfstoffes werde Anfang November erwartet. Da müsse dennoch keiner in Panik verfallen, weil die Grippewellen erfahrungsgemäß von Januar bis März grassierten.
200 Patienten schauen in die Röhre
„Wir haben zurzeit in unserer Praxis keinen Grippe-Impfstoff mehr“, berichtet Dr. Thomas Schwanke, der mit seiner Kollegin Sabine Kern an der Münstereifeler Straße in Euskirchen eine Familienpraxis betreibt. Man sei blank und werde von den Apotheken von Woche zu Woche vertröstet.
„Wir haben eine Liste von etwa 200 Patienten, die sich noch gegen die Grippe impfen lassen wollen“, so der Arzt, der in Bad Münstereifel lebt. Die steigende Impfbereitschaft der Leute liegt seiner Meinung nach an der Angst im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie: „Wir haben im September und Oktober bereits mehr geimpft als im vergangenen Jahr. Im Frühjahr, zu Beginn der Pandemie, habe man sogar Grippe-Impfstoffe entsorgen müssen.
Schwanke hofft, dass er im November wieder Grippe-Impfstoff bekommt und seine Patienten versorgen kann. Bis vor Weihnachten sei noch eine gute Zeit, sich impfen zu lassen: „Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die Grippe in unserer Region in der Regel von Januar bis März auftritt.“ (mez)
Klinkhammer spricht von 26 Millionen Dosen, die bundesweit bestellt worden seien – neun Millionen mehr als in den Vorjahren. Zudem habe die Bundesregierung noch eine weitere Charge in Frankreich bestellt. „Das reicht bei 80 Millionen Bundesbürgern natürlich nicht für jeden“, so der Sprecher der Apotheker.
Risikogruppen haben Vorrang
Vorfahrt hätten eindeutig die Risikogruppen, zu denen Menschen mit Vorerkrankungen, Ältere sowie Pfleger und Pflegerinnen zählten: „Ein 30-Jähriger ohne Vorerkrankungen muss sich natürlich nicht impfen lassen.“
Laut Klinkhammer läuft zurzeit ein Feldversuch des Verbandes, dass auch in Apotheken gegen Grippe geimpft werden darf. Im Rhein-Sieg-Kreis werde das praktiziert, im Süden des Kreises Euskirchen allerdings nicht.
Arztpraxen an Belastungsgrenze
Viele Arztpraxen sind bereits an die Belastungsgrenze gestoßen. Auch in Bad Münstereifel haben die Mediziner an mehreren Tagen in der Woche nichts anderes getan, als Risiko-Patienten gegen Grippe zu impfen. Die restliche Arbeit blieb in dieser Zeit unerledigt und musste von den Ärzten und Ärztinnen nachgeholt werden.
Ähnlich sieht es zurzeit in Weilerswist aus. In den Hausarztpraxen ist jede Menge los, auch wenn der Impfstoff zurzeit nicht zu bekommen ist. „Alles weg, nichts mehr da“, berichtet Allgemeinmedizinerin Marita Franzen-Lehnen. Sie und ihr Praxisteam haben allein am 1. Oktober 100 Patienten geimpft. „Die Leute haben Schlange gestanden“, erzählt sie.
Ein Viertel mehr Impfdosen als sonst
Im Schnitt würden während einer Grippesaison 300 Patienten die Impfung erhalten: „Jetzt sind es bereits 500, und das innerhalb von drei Wochen.“ Manch ein Patient reagiere sehr verärgert, wenn er erfahre, dass derzeit kein Impfstoff mehr verfügbar ist. „Es ist aber keineswegs unsere Schuld, wir haben nichts versäumt oder schlecht geplant“, versichert die Weilerswister Hausärztin.
Das Prozedere laufe folgendermaßen ab: Im April werde der Bedarf an Impfdosen für die Praxen abgefragt. „Wir wussten, dass wir mehr brauchen. Also haben wir ein Viertel mehr als sonst geordert“, so Franzen-Lehnen. Gleichzeitig werde man als niedergelassene Ärztin angehalten, eher zurückhaltend zu bestellen: „Wenn ich nachher auf 200 Impfdosen sitzenbleibe, droht mir nämlich Regress seitens der Krankenkassen.“
Alle Ärzte dürfen grippeschutzimpfen
Marita Franzen-Lehnen sieht noch einen anderen Grund für den Engpass: „Seit diesem Jahr dürfen alle Ärzte grippeschutzimpfen, egal, welche Fachrichtung. Möglicherweise haben der Gynäkologe oder der Orthopäde noch Impfdosen übrig. Aber selbst wenn, wir könnten uns aufgrund der Kühlkette noch nicht einmal gegenseitig aushelfen.“
Die Weilerswister Medizinerin lässt durchblicken, dass sie sich von der Bundesbehörde nur mäßig gut informiert fühlt: „Wir haben noch mal 100 Dosen nachgeordert. Wann wir die bekommen? Ich weiß es nicht. Irgendwann.“
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Das Bundesgesundheitsministerium hatte bereits im Frühjahr eine deutliche Aufstockung der Impfdosen eingeplant und entsprechend mehr bei der Pharma-Industrie geordert. Jetzt müssen Ärztinnen und Ärzte sowie deren und Patientinnen und Patienten auf die nächste Charge warten.