Haus Kremer in HellenthalGerberei soll für die Nachwelt gesichert werden
- Die Gerberei passt nicht nach Kommern oder in die Baugruppe Marktplatz Rheinland.
- Doch als einzige erhaltene Lohgerberei des Rheinlandes aus dem 19. Jahrhundert soll sie für die Nachwelt gesichert werden.
- Nur wo?
Hellenthal – Vielleicht kann die Lohgerberei in Hellenthal, im Volksmund nach den letzten Bewohnern Haus Kremer genannt, an anderer Stelle wieder aufgebaut werden. Mitglieder der Interessengemeinschaft Bauernhaus (IgB), die sich seit Jahren für den Erhalt des historischen Gebäudes starkmacht, will das Gebäude zurückbauen, zwischenlagern und sich darum bemühen, dass es in einem Freilichtmuseum wieder aufgebaut wird (siehe „Gebäude passt nicht“). Immerhin handelt es sich um die einzige erhaltene Lohgerberei des Rheinlandes aus dem 19. Jahrhundert, also vor der Industrialisierung. „Wir wollen, dass das Objekt eine Zukunft hat“, so Hajo Meiborg, IgB-Bundesvorsitzender.
Der Hellenthaler Rat hatte den Abriss des denkmalgeschützten Wohnhauses beschlossen, und zwar einstimmig. Die Politiker sahen in dem Gebäude einen Schandfleck, der Erhalt und die Einrichtung eines Museums seien nicht zu finanzieren. Zudem ist der Bau eines Aldi-Marktes auf der dortigen Fläche und – vorsorglich für die Zukunft – eines Drogeriemarktes beschlossene Sache. Aldi wird im Frühjahr bauen.
Abbruch genehmigt
Mit der Rückendeckung des Rates gelang es Bürgermeister Rudolf Westerburg in Verhandlungen mit dem Kreis, der Bezirksregierung und dem NRW-Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung, eine Abbruchgenehmigung zu erhalten. Er konnte die Behörden überzeugen, dass in diesem Fall die Nahversorgung wichtiger für die Kommune sei als der Erhalt des Denkmals. Gleichzeitig schaltete sich die IG Bauernhaus ein. Sie war früh auf das Objekt aufmerksam geworden. Seitdem feststeht, dass das auf das Jahr 1817 datierte Haus nicht vor Ort zu erhalten ist, bemüht sich die IgB um den Wiederaufbau des Gebäudes an anderer Stelle.
Milzbrand-Erreger
Die Gemeinde, nun verantwortlich für den Abriss, musste durch ein Fachbüro aus Bonn untersuchen lassen, ob und gegebenenfalls welche Schadstoffe sich im Baumaterial befinden. Dabei erfuhren die Verwaltungsmitarbeiter etwas, was ihnen so auch noch nicht untergekommen war. Bei einer Lohgerberei besteht die Gefahr von Milzbrand. Beim Gerben wird rohe Tierhaut zu Leder verarbeitet, es kommt zu enormer Geruchs- und Umweltbelastung. Deshalb durften Gerbereien nur außerhalb der Ortschaften errichtet werden. Die Häute konnten mit Keimen und Bakterien besetzt sein, darunter eben auch Milzbrand-Erreger.
Das Abfallmaterial der Gerberei sei zum Teil einfach im Erdreich vergraben worden, so Hellenthals Bauamtschef Markus Rodenbüsch: „Der Milzbrand-Bazillus kann sich nach einschlägiger Fachliteratur bis maximal 100 Jahre im Erdreich halten.“
Aus dem Feuer- und Sozietätskataster der Gemeinde von 1877 geht hervor, dass die Gerberei Matheis feuerversichert war. 1890 wurde das Haus, das an eine Familie Thönnes verkauft worden war, als Wohnhaus im Feuerkataster erwähnt. „Das sind deutlich über 100 Jahre“, so der Bauamtschef. Zumal es nie einen Hinweis auf den Erreger gegeben hat.
Sichern und entsorgen
Das Bonner Fachbüro hat inzwischen ein sogenanntes Abrisskataster erstellt, in dem genau aufgelistet ist, wie mit welchem Material zu verfahren ist.
Die Ehrenamtler der IG Bauernhaus haben mit dem Rückbau des Hauses begonnen. Die Eternitplatten auf dem Süd-West-Giebel waren asbesthaltig und wurden vom zugelassenen Unternehmen Keils Bedachungen aus Hellenthal ordnungsgemäß entsorgt. Von großer Bedeutung für den Denkmalwert sei vor allem die gut erhaltene, ursprüngliche Fachwerkkonstruktion unter dem Dach. Dort wurden die Felle getrocknet.
Im Parterre und im Keller wurden immer wieder Flickarbeiten durchgeführt, wobei unter anderem Ziegel-, Block- und Schwemmsteine Verwendung fanden, die von der Gemeinde entsorgt werden.
Verhältnis entspannt
War das Verhältnis zwischen Verwaltung und IG Bauernhaus bei den ersten Begegnungen durchaus angespannt, hat sich laut Bürgermeister Rudolf Westerburg inzwischen eine gute Zusammenarbeit entwickelt. Die Gemeinde unterstützt die Ehrenamtler bei der Arbeit und stellt beispielsweise Gerüst, Container und Gitterboxen zur Verfügung. Den Rückbau übernimmt die IgB, die Gemeinde die Entsorgung der nicht mehr benötigten Materialien.
Unnötige Verzögerungen
Ist der Bürgermeister im Rückblick zufrieden mit dem Ablauf des Geschehens, das seinen Anfang nahm, als Architekt Johannes Prickartz aus Vlatten entdeckte, dass sich unter der unscheinbaren Fassade des Hauses Kremer eine ehemalige Gerberei befand? „Ich bin bedingt zufrieden“, so Rudolf Westerburg. Die Zusammenarbeit zwischen den Behörden hätte zügiger abgewickelt werden könne, was zu einer schnelleren Entscheidung geführt hätte. Wir hätten insgesamt sechs bis neun Monate Zeit gewinnen können.“
Bezüglich des Erhalt des Gerberei schlugen zwei Herzen in seiner Brust. Als Chef der Unteren Denkmalbehörde wog der Erhalt des Denkmals. Als Bürgermeister war die Entwicklung der Nahversorgung in Hellenthal großes Thema, zumal die Gemeinde mit Aldi einen dicken Fisch an der Angel hatte. „Alles in allem haben wir eine tragbare Lösung gefunden“, so der Bürgermeister.
Gebäude passt nicht
Ein Wiederaufbau der Lohgerberei aus Hellenthal im LVR-Freilichtmuseum in Kommern kam für dessen Leiter Dr. Josef Mangold nicht infrage, und zwar aus zwei Gründen.
Zum einen sei es schon aus Platzgründen problematisch, so Mangold.
Aber auch aus konzeptionellen Gründen passe das Haus nicht nach Kommern. Im dortigen Freilichtmuseum gebe es die Baugruppe Eifel. Hier werde den Besuchern die bäuerliche Kultur aus dem 16. und 17. Jahrhundert präsentiert. „Wir müssen uns hier fragen: Welche Zeit stellen wir dar?“, so Mangold. Bei der Lohgerberei aus Hellenthal handele es sich um ein Gebäude aus der vorindustriellen Zeit. Es handele sich also um eine andere Zeit und Thematik.
Zum anderen habe die Möglichkeit bestanden, das Gebäude in der neuen Baugruppe Marktplatz Rheinland zu präsentieren. „Das passte aber gar nicht“, sagt Josef Mangold.
Die in die Gerberei eingehängte Wohnung der Familie Kremer stammte aus den 1960er- beziehungsweise 1970er-Jahren, also aus der Zeit, die auf dem Marktplatz Rheinland dargestellt wird. Aber von der Wohnung sei so gut wie nichts Präsentierenswertes mehr übrig, wie sich bei der Besichtigung herausgestellt habe. Deshalb sei ein Wiederaufbau in Kommern nicht in Betracht gekommen. (bk)