Die Orgelbaufirma Weimbs eignete sich das Wissen nach dem Ausfall eines Herstellers an.
Hightech und HandwerkskunstHellenthaler Orgelbaufirma baut nun auch digitale Spieltische
Hätte, hätte, Lieferkette. Was macht ein Eifeler Unternehmer, wenn einer seiner Hauptlieferanten unvermutet die Geschäftstätigkeit einstellt? Er verschafft sich das nötige Fachwissen und baut die bisher zugelieferten Teile kurzerhand selbst. So geschehen bei der Firma Orgelbau Weimbs in Hellenthal. Dort entstehen die modernen, digitalen Spieltische, die in die Instrumente eingebaut werden, nun im eigenen Hause.
Spezialist für die Herstellung dieser Spieltische war bisher die Firma Laukhoff aus Heilbronn mit bis zu 300 Mitarbeitern, die praktisch alle Orgelbauer in Deutschland beliefert. Auch wurden hier die Windanlagen, die den Luftstrom für die Pfeifen besorgen, hergestellt. Jedoch: Am 30. Juni 2021 stellte der weltweit größte Orgelteilehersteller seinen Geschäftsbetrieb ein.
Nach Hersteller-Aus eigneten sich die Hellenthaler das Wissen an
Für die Orgelbauer weltweit ein Drama, sagt Frank Weimbs, Geschäftsführer des Hellenthaler Orgelbauunternehmens: Laukhoff sei der größte Zulieferer für Orgelteile gewesen. Doch Not macht bekanntlich erfinderisch. Für die Winderzeuger sei mittlerweile eine Lösung mit einem italienischen Hersteller gefunden worden. Doch für die digitalen Spieltische gab es letztlich nur eine Lösung: selbermachen.
Ein digitaler Spieltisch hat natürlich nichts mit Online-Casinos zu tun. Vom Spieltisch aus bestimmt der Orgelspieler, welche Töne erzeugt werden sollen. In früheren Jahrhunderten geschah das rein mechanisch, danach wurden die Tastenanschläge hydropneumatisch oder elektrisch übertragen. „Durch die Änderung des Musikgeschmacks zog die damals neue Technik in den Orgelbau ein“, so Weimbs. Mittlerweile ist das digitale Zeitalter im altehrwürdigen Orgelbau angekommen.
Einige Orgeln müssen heute mit dem Laptop gestimmt werden
Verantwortlich dafür sind wieder moderne Komponisten. Sie haben die Bandbreite der klanglichen Möglichkeiten stark erweitert, die Orgeln zu Gebote stehen. Es gebe viele zeitgenössische Komponisten und Organisten, die neuzeitliche Musik machen. „Dafür ist dann zum Beispiel eine Windabschwächung notwendig, die nur mit der digitalen Technik zu realisieren ist“, erläutert der Orgelbauer. Es gebe heute Orgeln, die mit dem Laptop gestimmt werden müssen.
„Es macht Spaß zu hören, was junge Organisten machen, was sie für Klänge fabrizieren“, sagt Weimbs. So habe er eine Orgel nach Kyoto geliefert, die mit einer SPS-Steuerung ausgerüstet sei, wie sie sonst im Maschinen- und Anlagenbau zum Einsatz komme. „Damit hat eine Organistin das Instrument über das Internet gespielt“, berichtet er.
Viele elektrische Spieltische drohen stillgelegt zu werden
Ein weiteres Problem wird für die Kirchengemeinden immer relevanter. Viele elektrische Spieltische sind in die Jahre gekommen und drohen stillgelegt zu werden, weil die Elektrik nicht mehr den aktuellen Normen entspricht. Ein Bestandsschutz besteht bei Kirchenorgeln nämlich nicht. „Mit unserer Technik können wir jetzt vernünftige Lösungen anbieten“, sagt Weimbs.
Der Mann, der das für das Eifeler Unternehmen möglich macht, heißt Marc Kuhlmann und war früher bei Laukhoff im Außendienst beschäftigt. So kam auch der Kontakt zu Weimbs zustande. „Wir haben uns zusammengesetzt, und dann ist die Idee gereift, wie man viele Sachen selbst machen kann“, sagt Kuhlmann, der sich als gelernter Orgelbauer auf die elektronische Steuerung der Instrumente spezialisiert hat.
Blaupausen für die digitalen Spieltische gibt es nicht
„Es macht Spaß, das mit eigenem Mitarbeiter zu machen, und wenn das im eigenen Haus entsteht“, freut sich Weimbs. Seine Firma habe schon immer eine hohe Fertigungstiefe gehabt und stelle zum Beispiel im Gegensatz zu anderen auch die Orgelpfeifen selbst her.
Das Interesse ist groß: Andere Orgelbauer haben laut Weimbs bereits angefragt, ob sie ihre Spieltische nicht auch in Hellenthal fertigen lassen könnten. Allerdings sei die Angelegenheit komplex, und mit den Spieltischen könne er nicht in Serienproduktion gehen. „Jeder Spieltisch ist anders, man kann keine Blaupause anlegen“, betont Kuhlmann.
Hellenthaler Orgelbauer wollen auch das Werk ihrer Vorgänger bewahren
Derzeit arbeitet er an der Elektronik des Spieltisches einer Orgel aus Düsseldorf-Eller, die restauriert wird. Hier zeigte sich ein weiteres Problem: Die internationale Chipkrise verschonte auch den Orgelbau nicht. Die Orgel selbst konnte bereits wieder eingebaut werden – der Spieltisch muss noch neu gebaut werden. Winzige Steuerplatinen werden an den Pedalen angebracht, die frei programmierbare Schaltzeitpunkte ermöglichen. Dünne Kabel durchziehen die Kanäle im Inneren des Instrumentes.
Die vielfältigen Neuerungen bleiben aber unter der Holzfassade aus den 1950er-Jahren verborgen. „Wir wollen das Werk der Vorgänger bewahren“, stellt Weimbs klar. Auch die alten Tasten und Schalter werden dem Organisten weiterhin das gewohnte Bild liefern. Nur ein messingfarbener Schalter mit dem dreieckigen „Play“-Symbol, zeigt, dass sich unter der Haube einiges getan hat. „Das ist wie ein Trabbi mit einem Elektromotor“, vergleicht Weimbs schmunzelnd.
Über die Faszination der Möglichkeiten durch die neue Technik vergisst er nicht, dass seine Orgeln vor allem in Gottesdiensten zum Einsatz kommen: „Mir ist wichtig, dass es ein vernünftiges Instrument bleibt.“