50 Helfer bringen im Kreis Euskirchen Amphibien über die Straße. Wo ist es gefährlich? Wo gibt’s eine Krötenleitanlage?
Ehrenamtliche HelferKrötenschlepper retten Tausenden Amphibien in der Eifel das Leben
Leise quakt es aus dem Eimer, den Jennifer Hack trägt. Konzentriert schaut sie in den Scheinwerferkegel des Autos, der gerade die L22 zur Wildenburg hochfährt. Nicht nur, um abzuschätzen, wie schnell der Wagen an ihr vorbeifahren wird. „Im Scheinwerferlicht kann man die Kröten auf der Straße sehen. Das sind dann kleine Buckel“, beschreibt sie ihren Trick. Wenn das Auto vorbeigefahren ist, heißt es, sich zu sputen und schnell die Kröten einzusammeln, die die Durchfahrt überlebt haben.
Jennifer Hack ist mit ihrem Mann Kai in diesen Tagen allabendlich unterwegs, um die Kröten bei ihrer jährlichen Wanderung zu den Laichgewässern zu unterstützen. Sie haben sich die Strecke an der Wildenburg ausgesucht. Nicht ganz zufällig, denn dort kommen sie auf dem Weg zu ihrer Arbeit vorbei. Beide sind bei der Polizei in Euskirchen beschäftigt: Er ist Polizist, sie Regierungsangestellte.
Der kaputte Zaun in Wildenburg schafft mehr Probleme
„Wir brauchen hier dringend Unterstützung“, sagen sie. Seit 2020 betreuen sie diesen Abschnitt. Im vergangenen Jahr hat sich Jutta Klar dazugesellt, und wenn das Wetter regen Betrieb erwarten lässt, greift auch Julia Berners zu Eimer und Taschenlampe. Eineinhalb Kilometer lang ist die Strecke, auf der die Kröten und Molche unterwegs sind. Immer wieder gehen die Helfer den Teil der Strecke ab, an dem der Hauptansturm der Amphibien stattfindet.
Hier haben sie mit den Naturschützern vom Nabu den Zaun vom Straßenrand entfernt, der eigentlich die Kröten schützen und zu den Durchlässen unter der Straße leiten soll, und durch einen mobilen Krötenschutzzaun ersetzt. Denn der niedrige Maschendrahtzaun, der hier seit vielen Jahren steht, bereitet mehr Probleme, als er löst. Überall sind Löcher im Drahtgeflecht, die von den Freischneidern bei Mäharbeiten verursacht wurden. In den Drahtspitzen bleiben vor allem die Molche hängen und verenden.
Helfer müssen sich oft vor den Autos in Sicherheit bringen
An vielen Stellen ist der Zaun derart überwachsen, dass die Kröten darübersteigen können. Oder sie schieben sich einfach drunter durch. Für die Naturschützer ist es fast unmöglich, die Tiere im Gestrüpp zu entdecken. „Wenn kein Verkehr ist, kannst du sie im Laub rascheln hören“, so Jennifer Hack. Anderswo steht der Zaun so, dass er Ecken bildet, die für die Tiere zur Falle werden. Und wenn die Tiere den Weg über die Straße überlebt haben, kommen sie am Zaun auf der anderen Straßenseite nicht weiter. „Der Zaun muss weg, darin sterben mehr Tiere als auf der Straße“, fordert sie.
Für die ehrenamtlichen Helfer ist der Einsatz keine Spaßveranstaltung. Einen Bürgersteig gibt es nicht. „Wenn die Autos kommen, gehen wir in die Fuhr“, beschreibt Kai Hack den Schritt in den Straßengraben, aus dem man auch wieder herausklettern muss. Längst nicht alle Autofahrer fahren langsam vorbei, Warnschilder gibt es nicht. „Wenn du hinterher ins Bett fällst, weißt du, was du getan hast“, gibt er mit einem Lächeln zu. Jeden Abend ist das Trio auf dem steilen Straßenstück über mehrere Stunden im Einsatz: im Dunkeln, vor allem im Regen. Die Nässe weckt bei den Amphibien die Wanderlust, im strömenden Regen sind Massen unterwegs sind. 450 Tiere haben sie im vergangenen Jahr in einer Nacht über die Straße getragen – gleichzeitig wurden fast 100 Amphibien überfahren.
Die Helfer können in einer Nacht bis zu 700 Leben retten
„Das ist frustrierend“, gesteht Jennifer Hack. Die kleinen Buckel auf der Straße im Licht der Autos zu sehen und nichts tun zu können, sei quälend. „Wenn der Wagen weg ist, joggen wir los und hoffen, dass nicht so schnell der nächste kommt.“ Eigentlich sei hier relativ wenig Verkehr – anders als auf der B258, wo am Sistiger Kreisel auch eine Krötenwanderstelle ist. Doch dort sammelt niemand. Viel zu gefährlich.
Aber der Einsatz lohnt sich. „Das ist ein tolles Gefühl, wenn du, wie es im letzten Jahr einmal war, mit wenig Aufwand 700 Leben in einer Nacht retten kannst“, sagt Kai Hack. Zwei bis drei Wochen seien sie, meist im März, im Einsatz. Acht Grad und Regen, dann marschieren die Tiere los. „Wenn ich das weiß, kann ich nicht auf der Couch sitzen“, so seine Frau. Das Engagement zeigt Wirkung. 2020, als die beiden zum ersten Mal unterwegs waren, haben sie in der ganzen Saison 450 Tiere gerettet. Seitdem sind die Zahlen gestiegen: 2022 waren es 1644 Amphibien.
In Eicks wird eine Krötenleitanlage samt Tunneln gebaut
An diesem Abend bleibt der Ansturm indes moderat. Nach der warmen Woche wird es wieder kalt, für Montag ist Schneefall angesagt. 23 Kröten und einen Fadenmolch entdecken die beiden beim ersten Kontrollgang im Krötenschutzzaun. Trotzdem wird an diesem Abend bereits nach sechs Tagen die Gesamtzahl des vergangenen Jahres übertroffen. Seit Sonntag hat das kleine Helferteam alleine an der Wildenburg 1677 Amphibien gerettet: Erdkröten, Grasfrösche, Berg-, Teich- und Fadenmolche. Am Freitagabend sogar sieben Kammmolche, eine streng geschützte Art.
Ein Schutz, wie er gerade in Eicks fertiggestellt wird, wäre der Traum für die Naturschützer auch an der Wildenburg. An der Straße zwischen Kommern und Eicks hat der Kreis auf mehreren Hundert Metern eine Krötenleitanlage samt mehrerer Querungstunnel unter der Straße gebaut. In dieser Woche wird das Projekt fertig, dann will der Kreis es ausführlich vorstellen. „Die ist richtig gut gemacht. Das ist, was wir fordern“, freut sich Ulrich Pohl vom Nabu-Kreisvorstand.
50 Helfer sind im Kreis Euskirchen für die Kröten im Einsatz
Er koordiniert die 50 Helfer, die an 15 Stellen im Kreis im Einsatz sind. Seit 2015 versucht er, beim Landesbetrieb Straßen auf eine Verbesserung der Situation auf der L22 hinzuarbeiten. Doch vergeblich: „Die reagieren nicht einmal, das ist ein Skandal. Ich glaube, ohne Klage geht es nicht“, sagt er. Das sei ein klarer Verstoß gegen das Tierschutzgesetz – nicht nur angesichts der Kammmolche. „Alleine für die sind in Deutschland schon Schutzeinrichtungen gebaut worden“, weiß er.
Dass die Helfer, die die Tiere in Eicks davor bewahrt haben, auf ihrem Weg in den Schlossgraben überfahren zu werden, arbeitslos werden, ist für niemanden ein Problem. An anderen Stellen wird ihr Engagement gebraucht. „Die freuen sich, Arbeit ist genug“, sagt Birgit Pesch. Insgesamt sind kreisweit in diesem Jahr bereits mehr als 6500 Amphibien gerettet worden.
Auch eine neue Stelle ist entdeckt worden. Am Mühlensee wurde ein Zaun aufgebaut. Dort sind die Tiere auf dem Weg zum Kundenparkplatz eines Restaurants unterwegs. 60 überfahrene Tiere wurden hier im letzten Jahr in einer Nacht gezählt. „Das Problem ist, dass man nicht alles absperren kann“, sagt Pohl.
Helfer werden gesucht
Ganz unterschiedlich reagieren die Autofahrer nach Angaben der Ehrenamtler auf ihre Arbeit entlang der Straßen: Manche nehmen Rücksicht, fahren langsam oder halten an – andere geben extra noch Gas. Auch sei in diesem Jahr ein Krötenschutzzaun mutwillig zerstört worden. Wer als „Krötenschlepper“ selbst aktiv werden möchte, kann mit dem Nabu per E-Mail Kontakt aufnehmen. (sev)