Interview mit LKA-Profiler„Direkt nach der Tat gibt es wichtige Entscheidungen“
- Andreas Müller war früher einmal an den Ermittlungen im Fall Claudia Ruf beteiligt.
- Heute ist er Chef der Profiler des Landeskriminalamtes (LKA).
- Die LKA-Profiler beraten und begleiten die Kreispolizeibehörden bei schwierigen Ermittlungen.
- Wie genau, erklärt Müller im Interview.
Herr Müller, wie läuft ein Einsatz der LKA-Profiler ab?Andreas Müller: Zunächst trifft sich das Team mit den Verantwortlichen der zuständigen Kreispolizeibehörde und prüft, ob der Auftrag machbar ist. Dann wird ein Zeitpunkt vereinbart, wann das Ergebnis vorliegen soll.
Wie frühzeitig werden Sie eingebunden?
Vorteilhaft ist es, wenn die LKA-Profiler zeitnah in die Ermittlungen eingebunden werden. Erste wichtige Entscheidungen sind bereits unmittelbar nach der Tat zu treffen. Davon hängen Erfolg oder Misserfolg ab. Die notwendigen Informationen dazu liefern Tatortbeamte und Obduzenten.
Welche Entscheidungen sind das?
Wie viel Personal wird benötigt? Welche Experten sind einzubeziehen? Ab welchem Zeitpunkt soll ermittlungsbegleitende Presse- und Öffentlichkeitsarbeit erfolgen?
Wie und durch wen sollen Massendaten verarbeitet und Hinweise aus der Bevölkerung aufgenommen und priorisiert werden? Welche Tatverdächtigen werden in welchem Umkreis überprüft? Wo beginnen und wo enden Suchmaßnahmen zum Auffinden von Opfern, Leichen, Opferbekleidung oder Tatmitteln? Und noch vieles mehr.
Sie beginnen dann mit der sogenannten Operativen Fallanalyse. Was passiert dabei genau?
Zu Beginn sammeln wir möglichst alle objektiven Informationen zum Opfer. Das ist wichtig, um sich in den Fall hineindenken zu können. Daraus erarbeiten wir Stück für Stück die Hinweise, die die Ermittlungen weiterbringen.
Im nächsten Schritt analysieren wir die vorhandenen Daten. Welche davon sind gesichert? Nur sichere Befunde gewährleisten sichere, widerspruchsfreie Hypothesen zum Tatablauf und zum Motiv. Alle anderen Daten werden nicht berücksichtigt. Danach erarbeiten wir Details zum Opfer, dessen Verletzungen und zum Tatort selbst.
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Wir suchen dazu die Tatorte auf und sprechen mit Obduzenten, um die vorhandenen Verletzungen bewerten zu lassen. Anschließend werden die Befunde herausgehoben, die entscheidend für den weiteren Analyseprozess sein dürften.
Was passiert mit den Ergebnissen?
Mit der Auswertung stellen wir alle denkbaren Hypothesen auf. Am Ende des Analyseprozesses bleiben nur noch die, die wahrscheinlich sind und solche, die nicht ausgeschlossen werden können. Alle Hypothesen werden mit einem Wahrscheinlichkeitsgrad belegt.
Nach welchen Kriterien vergeben Sie den Wahrscheinlichkeitsgrad?
Dazu wird das Geschehen rekonstruiert: Das heißt, wir betrachten die Tat in einzelnen Sequenzen, analog zu den Entscheidungen, die der Täter getroffen hat. Welches Verhalten ist in der Gesamtbetrachtung typisch oder untypisch für das Delikt? Welches Motiv hat den Täter vorrangig zur Tat veranlasst hat und welche Kompetenzen er dabei gezeigt hat?
Diese Fragen werden hier beantwortet und fließen in die Ergebnisse ein. Sie lassen Rückschlüsse auf Physis, Psyche, Auftreten im Alltag, Gefährlichkeit (Wiederholungsgefahr), Beziehung zum Opfer, Beruf, Familienstand und Lebensraum des Täters zu.
Gibt es einen Unterschied zwischen Ihrer Arbeit in aktuellen Fällen und den „Cold Cases“, also ungeklärten Tötungsdelikten?
In Cold Cases wird ein LKA-Profiler-Team erst nach Abschluss der Ermittlungen tätig. Das heißt, erst danach kommt die zuständige Kreispolizeibehörde auf uns zu oder wir regen eine Zusammenarbeit an. Gemeinsam mit den Ermittlern suchen wir dann nach Ansatzpunkten, um die Ermittlungen wieder aufnehmen zu können. Das können beispielsweise Mordmerkmale sein. Denn, Mord verjährt nicht.
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