„Wirklich oft Klischees“Ex-Zuständige für Frauenförderung Euskirchen im Interview

Sarah Komp (r.) und Laura Meyer.
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Kreis Euskirchen – Wenn sich jemand beim Thema Frauen und Führung auskennt, dann ist das Sarah Komp. Sie war zehn Jahre für das Thema Frauenförderung beim Kreis zuständig. Im Interview spricht sie über die Lage im Kreis und was sich in ihren Augen für mehr Frauen in Führung ändern muss.
In vielen deutschen Firmen sind Frauen an der Spitze unterrepräsentiert, wie sieht das im Kreis Euskirchen aus?
Komp: Nach den Daten, die uns vorliegen, sind wir in etwa im Einklang mit den Statistiken auf Bundes- und Landesebene. Der Anteil von Frauen in Führungspositionen liegt ungefähr bei 30 Prozent. Wir haben eine starke Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen.
Welche Gründe machen Sie im Kreis dafür aus?
Da gibt es verschiedene Gründe. Zum Beispiel herrscht in vielen Unternehmen eine Arbeitskultur, die sehr männlich geprägt ist. Da werden mit Karriere und Führung bestimmte Eigenschaften verbunden: Dominanz, Stärke, Macht, Autonomie. Da finden sich Frauen nicht unbedingt wieder. Sie sind vielleicht auch weniger mutig, ihre Ansprüche auf Führungspositionen geltend zu machen. Dann haben Frauen einen schlechteren Zugang zu karrierefördernden Netzwerken. Rollenbilder sind auch nach wie vor eher so geprägt, dass Frauen der Care-Bereich zugeordnet wird und Karriere weniger im Vordergrund steht. Dann das Klischee, dass Frauen von sich aus weniger karriereorientiert sind. Und dann gibt’s noch Dinge, die sich eigentlich leichter abschaffen ließen, indem einfach verbesserte Angebote für Frauen geschaffen werden. Stichwort: Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Was bedeutet denn familienfreundlich?
Familienfreundlich kann insgesamt eine Atmosphäre sein. Wenn zum Beispiel eine Arbeitskraft ausfällt, weil das Kind krank ist. Wie reagiere ich als Chef oder Chefin darauf, bin ich da entspannt oder spannt mich das an? Dann gibt es ganz konkrete Dinge wie flexible Arbeitszeiten, Gleitzeit oder Homeoffice. Wie fördere ich meine Mitarbeiterinnen, biete ich Weiterbildung an? Bis hin zu der Frage, in welchem Ausmaß beteilige ich mich an der Kinderbetreuung. Biete ich irgendwo Belegkindergartenplätze an, beteilige ich mich an den Kosten für eine Tagesmutter, habe ich vielleicht eine Betriebskita? Lebensarbeitszeitkonto ist auch so ein Stichwort.
Was ist das?
Das heißt, ich arbeite in meinem definierten Beschäftigungsumfang, sagen wir mal eine 39-Stunden-Woche. Und kann über mein ganzes Leben hinweg angesparte Überstunden einsetzen, um zum Beispiel längere Auszeiten zu nehmen, um den Wiedereinstieg nach Elternzeit sanfter zu gestalten oder wenn ein plötzlicher Pflegefall in der Familie auftritt.
Laura Meyer
Die neue Frau beim Kreis
Für Frauenförderung im Kreis Euskirchen ist seit März dieses Jahres nicht mehr Sarah Komp, sondern Laura Meyer zuständig. Die studierte Geografin kommt gebürtig aus Euskirchen und ist Mutter von zwei Kindern. Mit Vereinbarkeit von Familie und Beruf kennt sie sich also aus. Komp ist nun Strukturwandelmanagerin beim Kreis.
Beide werben für das After-Work-Café, ein Netzwerk speziell für Unternehmerinnen und Gründerinnen aus dem Kreis, das Komp 2015 gegründet hat. Darüber hinaus empfehlen sie „Karla kann!“, ein Netzwerk des Kompetenzzentrums Frau und Beruf in der Region Aachen. Das Kompetenzzentrum ist ein Angebot des Landes. Es schaffe Angebote für die gesamte Region und sei ungemein wichtig, so Komp. Leider sollen sich diese Kompetenzzentren in ganz NRW aber nach Oktober auflösen, berichtet sie. (jre)
Gibt es denn Branchen im Kreis, in denen es besonders wenige Frauen auf den Chefsessel schaffen?
Da haben wir kein statistisches Datenmaterial, nur Erfahrungswerte. Im Gesundheits- und Sozialwesen sind deutlich mehr Frauen in Führungspositionen als beispielsweise im Bereich Finanzen und Versicherungen. Da gibt es ohnehin einen geringen Anteil von Frauen in der Beschäftigtenstruktur. Und somit auch weniger Führungsfrauen.
Ist das ein Lösungsansatz: Es müssen einfach mehr Frauen in die Unternehmen?
Man muss noch früher ansetzen. Die Beschäftigtenverteilung von männlichen und weiblichen Personen folgt letztendlich auch Rollenvorstellungen. Es gibt einfach eine genderspezifische Berufswahl: Mädchen tendieren eher zu Berufen im sozialen Bereich und Jungs gehen ins Handwerk oder in technische Berufe. An der Stelle muss aufgebrochen werden.
Was braucht es sonst, damit mehr Frauen in Führungspositionen arbeiten?
Auf der einen Seite sind das individuelle, unternehmerische Dinge, für die man noch stärker sensibilisieren sollte. Ich glaube, dass viele Unternehmen im Kreis Euskirchen auf einem sehr guten Weg sind. Wir haben hier viele mittelständische und inhabergeführte Unternehmen, die mit ihrer Familienfreundlichkeit punkten können. Aber es sind noch Verbesserungen möglich. Es braucht beispielsweise eine Sensibilität dafür, Führung auch in Teilzeit zu ermöglichen. Und letztlich müssen Frauen ermutigt werden. Wir brauchen noch mehr Vorbildfrauen im Kreis Euskirchen, die auch in der Öffentlichkeit sichtbar werden und deren Karriereweg darstellbar ist. Die Frauen selbst müssen mutiger, selbstbewusster werden. Und sich ein gutes Netzwerk aufbauen.
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Gibt es im Kreis Beispiele für alternative Arbeitszeitmodelle wie Führung in Teilzeit?
Das ist etwas, das noch stärker mitgedacht werden könnte. Es wird aber auch schon praktiziert. Bei uns in der Kreisverwaltung ist das schon gelebte Praxis. Wir haben Führungskräfte in Teilzeit.
Jetzt könnte man sagen, Frauen wollen gar nicht in Führungspositionen. Was sagen Sie dazu?
Das ist wieder so ein Stereotyp. Es gibt sicherlich viele Frauen, die das nicht anstreben. Es gibt aber sicherlich auch viele Männer, die sagen, für mich ist Karriere nicht wichtig. Ich denke, das sind wirklich oft Klischees.