JVA EuskirchenHerzkranker bekommt „Hafturlaub“ wegen Angst vor Corona
Euskirchen/Bonn – Der Häftling Samuel F. (Name geändert) sei „fast verrückt vor Angst“ geworden, erzählte sein Anwalt Heinrich Schmitz aus Euskirchen. Seit Beginn der Corona-Pandemie vor einem Jahr musste der Mann, wegen Betrugs zu über drei Jahren Haft verurteilt, seine Strafe in der JVA Euskirchen absitzen. Nach wiederholten Ausbrüchen von Covid-19 im Gefängnis war die Sorge vor Ansteckung groß, denn Samuel F. ist nicht nur jenseits der 50, sondern vor allem herzkrank.
Zu seinem Schutz beantragte sein Anwalt eine Strafunterbrechung. Mit Erfolg, wie gestern die Staatsanwaltschaft Aachen auf Anfrage bestätigte: Ende März wurde dem Euskirchener Häftling wegen Corona der Hafturlaub gewährt. Zunächst zwei Monate, bis Ende Mai.
Bonner Landgericht gibt Akte zurück nach Aachen
„Es war ein langer, harter Weg“, so der Strafverteidiger gestern. Denn zunächst hatte die zuständige Aachener Behörde den Antrag abgelehnt – trotz der Sorge des Häftlings, an Corona zu erkranken, aber auch, dass er womöglich eine anstehende Herzoperation wegen Quarantäne nicht wahrnehmen kann. Die „Freigänger“, zu denen Samuel F. gehörte, durften zwar zur Arbeit, aber nicht mehr nach Hause, auch an Wochenenden mussten sie in der Haftanstalt bleiben. „In der Enge der Einrichtung“ sei die Gefahr, sich anzustecken, noch größer gewesen, so Schmitz.Beschwerde eingelegt
Gegen den negativen Bescheid der Aachener Staatsanwaltschaft legte Anwalt Schmitz sofortige Beschwerde ein. Nach einigen Irrläufen landete der Fall bei einer Strafvollstreckungskammer des Bonner Landgerichts, und die zuständige Richterin entschied, die Akte nach Aachen zurückzuverweisen – mit dem deutlichen Hinweis, dass sich mit „der besonderen Situation des Falls nicht genügend auseinandergesetzt“ worden sei, wie eine Gerichtssprecherin mitteilte.
Häftling gehört fraglos zur Hochrisikogruppe
Denn neben der realen Gefahr durch die Corona-Ausbrüche in der Haftanstalt liege sogar die Einschätzung der JVA-Leiterin vor, dass „von einem weiterem Anstieg der Neuinfektionen ausgegangen“ werde. Schließlich gab es auch ein Attest einer Amtsärztin, dass Häftling Samuel F. fraglos zur Hochrisikogruppe gehört.
Einen Tag, nachdem die Bonner Post den Rechtspfleger in Aachen erreicht hatte, kam postwendend der positive Bescheid: Am 24. März 2021 wurde F. die Strafunterbrechung gewährt. Das sei, wie die Gerichtssprecherin bestätigte, keinesfalls eine Vergünstigung. Die Haftzeit werde nur angehalten und anschließend fortgesetzt. Es werde kein Tag Haft abgezogen.
Samuel F. hat mittlerweile seine Herzoperation gut überstanden. Und Anwalt Schmitz hat, wie er gestern erzählte, eine Verlängerung der Auszeit bis Ende August beantragt. Damit sein Schützling als vollständig Geimpfter seine Haftstrafe beenden kann.