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100 Jahre in UrftSusanne Beckschwarte ist neue Leiterin im Hermann-Josef-Haus

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An vergangene Zeiten erinnert man sich gerne anlässlich des Jubiläums. Diese Aufnahme stammt aus den 70-er Jahren.

Urft – „Ich bin ein großer Teamplayer. Eine solche Einrichtung kann nur so gut sein wie ihre Mitarbeiter“, stellt Susanne Beckschwarte (56), die neue Direktorin des Hermann-Josef-Hauses in Urft, klar. Seit Dezember ist sie die Chefin hier. Nach dem Weggang von Leiter Wilhelm Schomaker hatten Rainer Zimmermann und Ute Stolz die Einrichtung, die zum Katholischen Erziehungsverein Rheinprovinz gehört, interimsmäßig geleitet.

Susanne Beckschwarte nutzt auf dem Gelände gerne ihr Rad.

„Ich komme jetzt aber nicht hierhin und sage ihnen, Hoppla, so geht’s“, sagt Susanne Beckschwarte. Derzeit sei sie noch bei der Bestandsaufnahme: „Ich möchte die Menschen, die hier arbeiten, und die Kinder und Jugendlichen kennenlernen.“

Betreut werden bis zu 230 Kinder und Jugendliche. Das kann durch Besuche zu hause bei Eltern und Kindern, ambulante, teilstationäre und gänzlich stationäre Angebote geschehen. Mit dem Kind, der Familie und dem Jugendamt wird eine möglichst passgenaue Hilfe zusammengestellt.

Die Wohngruppen sind überwiegend mit Einzelzimmern und Gemeinschaftsräumen ausgestattet. Auf dem etwa zehn Hektar großen Gelände des Hauses gibt es einen Kinderbauernhof für das heilpädagogische Reiten und Voltigieren mit Stallungen für die Tierhaltung. Turnhalle, Hallenbad, Fußball- und Basketballfeld, Tennisplätze und eine Boulderhalle gehören ebenfalls zu den Angeboten. „Wir haben 170 Mitarbeiter“, erläutert Beckschwarte. Rechnerisch habe das Haus 120 Vollzeit-Stellen.

Interessante Vita der neuen Leiterin

Die neue Leiterin hat eine interessante Vita: Geboren und aufgewachsen ist sie in Osnabrück, ab 1980 studierte sie Diplom-Pädagogik in Bonn. Nach dem Studium arbeitete sie in der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Rheinischen Kliniken Bonn. Sie ließ sich als Heilpraktikerin ausbilden und arbeitete in einer spieltherapeutischen Praxis. Vor 15 Jahren wechselte sie in die Caritas Jugendhilfe GmbH, wo sie als Bereichsleiterin im Haus St. Gereon in Bergheim tätig war. Im August 2005 übernahm sie dann die pädagogische Einrichtungsleitung des Hermann-Josef-Hauses in Bonn-Bad Godesberg und baute dort einen großen Mutter-Vater-Kind-Bereich auf. In Urft würden auch Kinder- und Jugendliche betreut, die in anderen Einrichtungen nicht zurechtkämen, erläutert sie.

„Wir haben darunter stark traumatisierte, bindungsgestörte Menschen mit multiplen Diagnosen, aber auch Kinder, die schon Gewalt erfahren haben.“ Sie selbst habe es nie bereut, sich beruflich für die Jugendhilfe entschieden zu haben, sagt die neue Direktorin. Sie entwickle gerne langfristige Perspektiven mit Kindern. „Wir sind hier außerdem gut eingebunden an den Ort Urft, an die Nachbarschule und an die Gemeinde. Die Kinder und Jugendlichen lernen hier, Konflikte anders als bisher zu lösen.“

Durch die Inklusion ist so manche Förderschule in ihrem Bestand gefährdet. Für das Hermann-Josef-Haus in Urft seien derzeit aber die Konsequenzen noch nicht abzusehen. Zu beobachten sei jedoch bereits, dass sich die Vielfalt der Anfragen ans Hermann-Josef-Haus vergrößere. „Wir haben junge Menschen an der Grenze zur geistigen Behinderung und andererseits Schüler, die sich zwar im Autismusbereich bewegen, aber durchaus auch ein Gymnasium besuchen könnten. Das sind die Pole, zwischen denen man sich bewegt“, sagt sie.

Lesen, Wandern, Rudern, Kochen und Gärtnern sind ihre Hobbys. Dass die Eifel „eine wunderschöne Wandergegend“ ist, weiß sie natürlich auch. Auch die Radstrecken genieße sie. Derzeit gebe es im Hermann-Josef Haus viele Baustellen: Die Aula werde renoviert, am Kinderbauernhof etwas verändert, der Brandschutz verbessert und das Entree und die Verwaltungsräume saniert. „Ich fahre die Baustellen mit meinem Fahrrad ab. Frische Luft und Landschaft ist ein Geschenk“, freut sie sich.

Die Anfänge

1915 wurde der „Katholische Erziehungsverein der Rheinprovinz“ (KEV) gegründet. „Der Verein bezweckt caritative Erziehungstätigkeit nach den Grundsätzen der katholischen Kirche an der verlassenen, gefährdeten und verwahrlosten Jugend katholischen Bekenntnisses.“

1917 kamen elf Ordensschwestern der Salvatorianerinnen nach Urft, um hier eine Stätte für die Betreuung und Erziehung von hilfsbedürftigen Kindern, damals vornehmlich Kriegswaisen, aufzubauen. Für die Salvatorianerinnen war dies der Start für ein Apostolat in Deutschland.

Am 07. März 1917 wurde beschlossen, die neue Einrichtung „Hermann-Josef-Haus“ zu nennen. Dies geschah im Hinblick auf das nahe gelegene Kloster Steinfeld, in dem der Prämonstratensermönch Hermann-Josef seine Grabstätte gefunden hatte.

Er galt und gilt in den rheinischen Landen als Schutzheiliger der Kinder und Jugendlichen. Am 13. Juni 1917 kamen die ersten vier Kinder in das Hermann-Josef-Haus. Am Ende des Jahres 1917 wurden bereits 138 Kinder betreut.

Nach Kriegsende, am 10. September 1918, fand die offizielle Einweihung statt.

1919 war das Haus mit 151 Kindern belegt. Die Geschäftsstelle für Familienerziehung hatte 1600 Kinder in Familien zu betreuen.

Ab 1920 kam es zu einem weiteren schnellen Wachstum, bedingt durch die besondere Not durch die Kriegslasten.

Im Jahr 1922 hatte die Geschäftsstelle für Familienerziehung in Urft bereits 2711 Kinder zu betreuen. (pe)