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Grünpflege im Kreis EuskirchenMähen die Bauhöfe zu viel ab?

Lesezeit 5 Minuten
EU Kall Bauhof

Die Wildkrautbürste am Trecker schrubbt die Kräuter aus den Plattenritzen.

  1. Grünen-Ratsherr Ekkehard Fiebrich kritisiert unter anderem die Gemeinde Kall.
  2. Die Behörde weist den Vorwurf zurück, Lebensraum vernichtet zu haben.
  3. Wir geben einen Überblick über die Diskussion.

Kreis Euskirchen – Voller Unverständnis schüttelt der Kaller Grünen-Fraktionschef Ekkehard Fiebrich den Kopf: Die Straßenränder an der Gemeindestraße zwischen Sistig und Diefenbach sind abgemäht worden, die Gräben ebenfalls. Gelbe Grasstoppeln auf zweieinhalb bis drei Metern Breite fassen links und rechts den Verlauf der Straßentrasse ein. „Da ist viel zu viel abgemäht worden“, beklagt Fiebrich. Das gehe seiner Einschätzung nach weit über den Gedanken der Verkehrssicherungspflicht hinaus und greife stark in den Lebensraum von Kleintieren und Bodenbrütern ein.

So wie es Fiebrich ergeht, nehmen viele Menschen im Kreis die Pflegemaßnahmen wahr, die die Mitarbeiter von Bauhöfen und Straßenmeistereien tagtäglich vollziehen. Doch nicht alles, was im ersten Moment als verwerflich und eine überzogene Maßnahme erscheint, ist dies auch, wenn man mit den Fachleuten der Baulastträger spricht.

Beide Seiten der Straßengräben wurden abgemäht

Ein Beispiel ist die Straße zwischen Sistig und Diefenbach, wo beide Seiten der Straßengräben abgemäht wurden. Nach Ansicht Fiebrichs hätte es gereicht, wenn die Kommune den Mähapparat lediglich zwischen den Begrenzungspfosten der Straße angesetzt hätte.

Der Kaller Bauhofleiter André Kaudel dagegen bezeichnet die Maßnahme als ganz normal. Fiebrich moniert, dass massiv in die Natur eingegriffen wurde und damit vielleicht sogar in die wertvollen Lebensräume von Bodenbrütern. Zudem sei die Sohle der Straßengräben selbst gar nicht gereinigt worden – deshalb könne das nicht als Grund angeführt werden.

EU Ekkehard Fiebrig Sistig

Grünen-Ratsherr Ekkehard Fiebrich hält die Mäharbeiten am Straßengraben zwischen Sistig und Diefenbach für deutlich übertrieben.

Beendet, was Landwirte begonnen haben

Kaudel kontert die Vorwürfe: Er betont, dass die Kommune ohnehin nur noch Restbestände des Bewuchses vorgefunden habe, die nicht erhaltenswert gewesen seien. Sein Team habe nur beendet, was die Landwirte begonnen hätten.

Die hätten die meisten Flächen abgemäht. Sein Team habe lediglich die trockenen Flächen in den Gräben noch gemäht. Damit, so weist Kaudel die Kritik von Fiebrich zurück, habe man keineswegs wertvollen Lebensraum für die Bodenbrüter und für Insekten vernichtet: „Da war nur noch Stroh, die Blumen waren schon lange abgeblüht.“

Verkehrssicherheit und Schonung

Das Thema Umwelt- und Naturschutz spielt auch bei den Pflegemaßnahmen des Kreisbauhofs eine immer größere Rolle. Das betont Kreispressesprecher Wolfgang Andres.

Mitarbeiter des Kreises seien für 320 Straßenkilometer zuständig. „Selbstverständlich sind wir bei Arbeiten entlang der Straße darauf bedacht, die Tier- und Pflanzenwelt weitestgehend zu schonen“, sagt Andres: „An erster Stelle steht aber die Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit. Und dazu gehört unter anderem der Rückschnitt der Pflanzen.“

Drei Mähfahrzeuge seien dazu unterwegs. Andres: „Wir achten darauf, nur die Flächen freizuschneiden, die aus Gründen der Verkehrssicherheit unbedingt freigehalten werden müssen.“

In enger Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde werde der Bauhof des Kreises aktiv. Deshalb gebe es auch Flächen, die besonders zurückhaltend bearbeitet würden, weil dort etwa seltene Schmetterlinge vorkämen. Bei Glehn habe man nach Hinweisen von Bürgern eine Ginsterbestand an der K25 von der Pflege ausgenommen. (bz)

„Ich verstehe nicht, dass da jetzt so ein Fass aufgemacht wird“, sagt Kaudel, der die Fläche am Donnerstagvormittag selbst in Augenschein nahm. Der Bewuchs an den Straßengräben habe auch entfernt werden müssen weil die Strecke von Motorradfahrern stark frequentiert werde. Für diese stelle der Randbewuchs eine Sichtbehinderung dar.

Die Gemeinde Kall setze auf Artenvielfalt und Artenschutz und gehe neue Wege in der Grünflächenbearbeitung und Wildkrautbeseitigung, so Kaudel. Man setze etwa keine Herbizide mehr ein, spritze also Kräuter nicht weg, wie dies in der Vergangenheit der Fall gewesen sei. Man tue nur das Nötigste, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten, fügt der stellvertretende Bauhofleiter Theo Dreßen an.

EU Bunte Blumen Sistig

Bunte Blumen sollen überall blühen, wie hier bei Sistig.

Während die Gemeinde an Straßen, Wegen und Kreuzungsbereichen den Bewuchs aus Gründen der Verkehrssicherheit kürze, werde man die Wegeränder an Wirtschaftswegen nicht abmähen. Aus Gründen des Artenschutzes und der Artenvielfalt lassen die Kaller den Bewuchs dort laut Kaudel stehen.

Grüne Oase hinter dem Rathaus

Hinter dem Rathaus und dem Haus der Begegnung habe man eine Fläche als Blühfläche eingerichtet und diese auch nicht bearbeitet. Das sei eine richtige grüne Oase, so Kaudel.

An den für den allgemeinen Verkehr freigegebenen Straßen aber gehe es auch darum, dass man während der sommerlichen Trockenheit einer möglicher Brandgefahr auf den Rabatten entgegentrete. „Immer wieder werden glühende Zigarettenkippen aus den Autos herausgeschnipst. Und wenn die auf trockene, dicht bewachsene Wegesränder fallen, dann ist das Brandrisiko einfach zu hoch“, so der Kaller Bauhofleiter.

EU Kreisel Kall Hüttenstraße

Nur der Rand des Kreisels der Hüttenstraße Kall wurde gemäht.

Im gesamten Gemeindegebiet, so Kaudel, könne man sehen, wie zurückhaltend und extensiv die Kommune Grünflächen bearbeite, um Artenvielfalt und Artenschutz zu gewährleisten, so etwa am neuen Kreisel an der Kaller Hüttenstraße. Da habe man nur den Rand abgemäht, um die Pflanzen- und Tierwelt im Innenraum zu schützen.

Blumenwiese

Auf ein Positivbeispiel verweist Ekkehard Fiebrich an einer Stelle an der Straße bei Sistig, an der einst ein Wegekreuz stand. Das soll, nachdem es bei einem Sturm von umstürzenden Bäumen zerstört wurde, wieder restauriert werden.

Eine Gruppe Bürger um Lothar Gerhards habe rund um den Platz eine kleine Blumenwiese angelegt, auf der es bunte Blüten zuhauf gebe. Das, so Fiebrich, sei ein kleines Paradies für Insekten, Vögel und Kleintiere. So stelle er sich die Landschaft vor. (bz)

Doch auch in Kall sucht man derzeit nach Wegen, die Wildkrautbeseitigung umweltfreundlich zu bewältigen. „Wir setzen auf alternative Bekämpfung von Wildkräutern auf Wegen und Straßen“, sagt André Kaudel. Der Bauhof sei da noch in der Testphase. Im Frühjahr habe man ein Unkrautbekämpfungsverfahren mit Hilfe eines Heißwassergeräts ausprobiert.

Das sei eine saubere Lösung und umweltschonend, habe der Gemeinde aber im Nachhinein einen wahren Shitstorm eingebracht. „Manche Bürger dachten, als die unerwünschten Pflanzen nach dem Einsatz des Heißwassergeräts Tage später abstarben, wir hätten doch Herbizide eingesetzt. Das war aber nicht der Fall. Durch das heiße Wasser platzt die Zellstruktur der Kräuter“, so Kaudel.

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