Die Kühe grasen in KallWeideaustrieb auf Hof in Steinfelderheistert
Kall-Steinfelderheistert – Es ist, als ob jemand gerufen hätte: „Schwingt die Hufe, Mädels!“ Dabei wäre es doch schon fast eine Beleidigung, die rund 100 gestandenen Milchkühe als „Mädels“ zu bezeichnen. Doch wenn es nach diesem langen und dunklen Winter endlich wieder auf die angestammte Sommerweide geht, dann fährt auch mehrfachen Müttern und sogar den abgeklärtesten Damen in der Herde schon mal die Lebensfreude in die Beine. Springend, galoppierend, auskeilend und buckelnd laufen die Tiere auf die Weide, bevor sie sich auf der rund sieben Hektar großen, weitläufigen Weide verteilen.
„Das wird jetzt ihre feste Sommerweide“, sagt Daniel Niebes. Mit seinem Vater Stefan hat er die Kühe aus ihrem Stall auf dem Hof Thelen in Steinfelderheistert auf die benachbarte Weide gebracht. 170 Tage werden die Kühe nun tagsüber auf der Weide sein und ihren Tagesablauf weitgehend selbst gestalten. Hier werden sie fressen, laufen, schlafen, wie sie es für richtig halten. Abends geht’s zum Melken und für die Nacht wieder in den Stall. Und wenn es im Sommer richtig heiß wird, nehmen manche Kühe auch tagsüber den Weg durch die offene Tür in den schattigen Stall, sagt der Jungbauer.
Landwirt „aus Überzeugung“
Im Jahr 2016 hat der heute 25-Jährige sich mit seinem Bruder Simon und dem Vater selbstständig gemacht und den Hof von Jakob Bissels im Hellenthaler Ortsteil Haus Eichen übernommen. „Dort sind heute unsere Rinder“, erzählt er. Der Hof in Steinfelderheistert ist dagegen bekannt als Hof Thelen. Vor zwei Jahren hat das Niebes-Trio eine KG mit dem vorigen Besitzer gegründet und bewirtschaftet nun den Betrieb mit rund 300 Milchkühen. In Haus Eichen kommen noch einmal 180 Jungtiere dazu.
Weidemilch
Immer beliebter werde sowohl Bio- als auch Weidemilch, teilt das Unternehmen Arla Foods mit. So habe 2020 der Absatz von Biomilch 420 Millionen Liter betragen und sei um 11,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Bei Weidemilch habe der Zuwachs 18,5 Prozent betragen. Bei der Arla Bio-Weidemilch habe der Anstieg 14,9 Prozent betragen, so die Firma.
Der Weidegang ist nach Angaben von Arla in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland verbreitet. In NRW, so die Firma weiter, gebe es insgesamt rund 393000 Milchkühe in 5166 Betrieben. Davon habe etwa die Hälfte die Möglichkeit zum Weidegang. Eine ähnliche Quote hätten die Betriebe, die Arla angeschlossen seien. Dies sind deutschlandweit 1566 Betriebe, davon rund 760 in NRW. Allerdings liefere nur ein Teil davon die spezielle Weidemilch an die Molkerei, so teilte der Konzern mit. (sev)
Dabei war dem Frohnrather eine Zukunft als Landwirt nicht in die Wiege gelegt. „Mein Vater ist eigentlich Installateur“, erzählt er lachend. Als kleiner Junge sei er bereits ständig auf einem benachbarten Bauernhof gewesen. „Aus Überzeugung“, wie er sagt. Dort packte er mit an, bis er schließlich in Bonn ein Studium als Agraringenieur abschloss. Sein Bruder Simon sei zur Zeit auf der Landwirtschaftsschule in Auweiler, so Niebes. „Er macht mehr Praxis, ich mehr die Theorie“, so Niebes. So arbeiten in dem Betrieb insgesamt fünf Kommanditisten, ein Angestellter und zwei Aushilfen. Der Hof ist bio-zertifiziert. „Ich bin davon überzeugt“, sagt er. Die artgerechtere Tierhaltung sei ihm wichtig. Dass die Tiere jetzt auf die Weide kommen, sei nicht nur für die wichtig. Denn in der Dürre des vergangenen Jahres habe nicht viel Futter geerntet werden können, so Niebes. Doch bislang sei der Betrieb gut durch den Winter gekommen.
Artenvielfalt profitiert von Kühen
Was für den schwedischen Möbelriesen Ikea der Festtag des Heiligen Knut, ist für den ebenfalls aus Skandinavien stammenden Molkereikonzern Arla der Weideaustrieb. Ein Datum, dass auch für Deutschland nicht unwichtig ist.
Für die speziell als Bio-Weidemilch gewonnene Milch müssen die Landwirte laut des firmeneigenen Bio-Standards ihre Tiere an 120 Tagen mindestens sechs Stunden pro Tag auf der Weide lassen. Nicht nur für die Milchkühe sei das wichtig, auch die Artenvielfalt profitiere davon, teilt Arla mit. „Das selektive Fress- und Trittverhalten der Kühe auf der Weide führt zu sehr unterschiedlichen Höhen und Stadien beim Graswachstum“, so Arla. Das komme Insekten in verschiedenen Entwicklungsstadien zugute.
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An diesem Tag, an dem die ersten 100 Kühe auf ihre Weide kommen, dürfen die Tiere allerdings nur vier Stunden draußen bleiben, damit es keine Probleme bei der Futterumstellung gibt, sagt Niebes. In den nächsten Tagen werden auch die anderen beiden Herden auf ihre Weiden kommen. Dann verheißen die mittlerweile friedlich weidenden Kühe, dass jetzt vielleicht doch irgendwann einmal der Frühling kommt.