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VorwürfeKaller will Abwahl von Bürgermeister Esser

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Will sich im Moment zu den von Züll erhobenen Vorwürfen und Kritikpunkten nicht äußern: Bürgermeister Hermann-Josef Esser.

Kall – Die Nachricht sorgte am Donnerstag in Kall für Aufregung: Bernd Züll, Dozent an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Brühl, will ein Abwahlverfahren gegen Bürgermeister Hermann-Josef Esser (CDU) starten. Züll wirft Esser unter anderem vor, dass ihm der Rückhalt im Gemeinderat und in der Bevölkerung fehle. Der Verwaltungschef wollte sich am Donnerstag erst einmal nicht zu den Vorwürfen äußern.

Züll ist in Kall aufgewachsen und hat seinen Hauptwohnsitz mittlerweile in Bonn. Er ist Mitglied in der Feuerwehr und hat in Kall eine Wohnung angemietet. „Seit der Flut bin ich mit der Feuerwehr und privat sehr viel in der Gemeinde unterwegs gewesen und habe sehr oft gehört, wie enttäuscht die Menschen vom Bürgermeister sind“, erklärt der 38-Jährige. Er habe daraufhin mehrere Gespräche mit Esser geführt und diesen zum Rücktritt aufgefordert. Ein Kritikpunkt sei zum Beispiel der eklatante Personalmangel in der Verwaltung: „Zusätzlich zu den bisher nicht besetzten Planstellen und Stellen setzen sich die Abgänge aus der Gemeindeverwaltung fort.“ Die verbleibenden Beschäftigten müssten dies kompensieren, was zu erheblichen Einbußen bei der Verfügbarkeit und Leistungsfähigkeit der Gemeindeverwaltung führe.

Der Dozent kritisiert zudem Essers Vorschlag, das Feuerwehrgerätehaus aus dem Flutgebiet abzuziehen und am Friedhof neu zu bauen, während das Hallenbad gleich nebenan aber saniert werden soll: „Was wird die Landesregierung bei der Entscheidung wohl denken?“ Die Wiederaufbauhilfe des Landes sei eine Billigkeitsleistung, einen Rechtsanspruch gebe es nicht. Züll sieht die Gefahr, dass das Land „sachlich folgerichtig keine Fördermittel aus dem Aufbauhilfefonds zur Verfügung stellt“ und das millionenschwere Kostenrisiko für die Sanierung des Bades von der Gemeinde übernommen werden müsse. Der Bürgermeister, so Züll, habe dem zuständigen Ausschuss eine „mangelhafte und obskure Kostenaufstellung vorgelegt mit der klaren Absicht, die Handlungsalternativen wegzuwischen“.

Das Verfahren

Nach Paragraf 66 der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen kann der Bürgermeister einer Gemeinde vor Ablauf seiner Amtszeit abgewählt werden.

Für die Einleitung eines Abwahlverfahrens gibt es demnach zwei Möglichkeiten. Entweder stellt mindestens die Hälfte der gesetzlichen Zahl der Ratsmitglieder einen entsprechenden Antrag und eine Zwei-Drittel-Mehrheit des Rates stimmt dem zu. Zwischen dem Eingang des Antrags und dem Beschluss des Rats müssen mindestens zwei Wochen liegen. Über den Antrag muss ohne Aussprache namentlich abgestimmt werden. Oder in Gemeinden mit bis zu 50 000 Einwohnern müssen mindestens 20 Prozent der wahlberechtigten Bürger der Gemeinde dem Abwahlverfahren zustimmen. Bei knapp 10 000 Wahlberechtigten in Kall braucht man also rund 2000 Unterstützungsunterschriften (genau sind es derzeit laut Bernd Züll 1910). Die Unterschriften dürfen nicht älter als vier Monate sein.

Wenn sich dann bei der Wahl eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen gegen den Amtsinhaber ausspricht und mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten abgestimmt haben, ist der Bürgermeister offiziell abgewählt. (wki)

Auch in der Arbeitsgruppe Feuerwehr gebe es immer wieder Ärgernisse: „Eine Vorlage des zuständigen Fachplaners für die neue Wache wurde von Herrn Esser wegen zu hoher Kosten verworfen und sollte der AG noch nicht einmal vorgelegt werden.“ Erst im Rahmen der Besprechung des Entwurfs hätten die Feuerwehrleute von dem ursprünglichen Vorschlag erfahren.

Nach der Flut habe der Bürgermeister ebenfalls ein schlechtes Bild abgegeben: „Während in den Nachbargemeinden die Bevölkerung durch Beilagen und über die sozialen Medien über den Fortgang des Wiederaufbaus, über Hilfsangebote und die aktuelle Lage informiert wird, betreibt Herr Esser stille Post.“ Als Identifikationsfigur für die Bevölkerung sei er gescheitert: „Gerade in den am schwersten betroffenen Teilen unserer Gemeinde ist das Vertrauen unwiederbringlich verspielt.“ In der aktuellen Ratsvorlage zur Verwendung der Spendengelder sei erneut keine Rede von den Spenden, die die Gemeinde mit Zweckbindungen erhalten habe. Das betreffe unter anderem die Feuerwehr. Zülls Urteil über den Bürgermeister ist eindeutig: „Sie treffen Entscheidungen spät, andere versäumen Sie überhaupt zu treffen. Es fehlt Ihnen an realisierbaren Ideen und einigen elementaren Kenntnissen zu deren Umsetzung.“

Da Esser aber nicht zurücktreten wolle, kündigte Züll am Donnerstag an, dass die Internetseite www.esser-abwaehlen.de mit Infos zu den Gründen und dem Verfahren an diesem Freitag online gehe.

„Dort kann man sich ein Formular für die Unterschriften herunterladen“, so der Kaller. Das könne man ihm zuschicken. Falls das Abwahlverfahren erfolgreich ist und sich kein Nachfolger finden sollte, ist Züll bereit, selbst den Hut in den Ring zu werfen: „Dann würde ich zur Verfügung stehen.“

„Ich möchte mich jetzt dazu nicht äußern“, sagte der Bürgermeister: „Ich hatte mich mit Herrn Züll zu einem Gespräch verabredet und bin enttäuscht, dass er den Termin nicht eingehalten hat.“

Die Fraktionen können Zülls Argumente in einigen Punkten nachvollziehen oder teilen sie, halten aber ein Abwahlverfahren für den falschen Weg. „Bei uns ist die Liste mit Kritikpunkten in den vergangenen Monaten auch länger geworden“, sagt Emmanuel Kunz (SPD). Aktuell solle man sich aber lieber auf den Wiederaufbau konzentrieren und keine Personaldiskussionen führen. „Wir werden bei der nächsten regulären Bürgermeisterwahl sicher eine Wahlalternative anbieten“, so der SPD-Fraktionsvorsitzende: „Mit dem Abwahlverfahren schießt Züll über das Ziel hinaus.“

Bert Spilles (CDU) ist der Meinung, dass Züll seine Einwände hätte vorbringen sollen, als über die Feuerwehr und das Schwimmbad in den Ausschüssen diskutiert worden sei. „Jetzt so ein Verfahren anzustrengen, halte ich für falsch.“ Große Teile der Punkte, die Züll gegen den Bürgermeister vorbringe, teile die CDU nicht.

„Das Verfahren hinterlässt am Ende nur Beschädigte und sorgt für Unruhe. Das wird uns nicht weiterhelfen“, ist auch Manfred Wolter (FDP) nicht glücklich – auch wenn er die Kritik „über weite Strecken teilt“. Der Bürgermeister müsse sich ja bei der nächsten Wahl dem Votum der Bürger stellen. Die politische Kultur beschreibt Wolter so: „In Kall kämpft jeder für sich und der Bürgermeister gegen alle.“

Dr. Guido Huppertz (Grüne) ist der Ansicht, dass „politische Auseinandersetzungen mit Argumenten ausgetragen werden sollen“. „Ich bin kein Freund von Verfahren, die die demokratische Entscheidung der Wähler aushebeln“, so der Grüne. Das führe nur zu weiterer Politikverdrossenheit. Einige Vorwürfe von Züll seien auch inhaltlich nicht richtig.

Für Frank Poll (AfD) ist die Kritik an der Amtsführung des Bürgermeisters „sicherlich nachvollziehbar“: „Esser entscheidet viele Dinge sehr direkt und der Rat ist uninformiert.“ Anstatt solch ein Verfahren anzustrengen, wäre es aber auch aus seiner Sicht besser, wenn Züll als Verwaltungsfachmann sein Wissen einbringe.